Rheinische Post Viersen

Mit Bonus über die Hürde

Wer nach dem Abi in Deutschlan­d Medizin studieren will, braucht sehr gute Noten. Wer strategisc­h denkt und Bonuspunkt­e sammelt, kommt auch mit einer schlechter­en Abiturnote zum Ziel. Aber auch dann ist es hart.

- VON KRISTIN KRUTHAUP

Anderen helfen, einen spannenden und sicheren Job haben: Arzt ist für viele junge Menschen ein Traumberuf. Das zeigt auch ein Blick auf die Zahl der Studienbew­erber im Fach Medizin: Im Winterseme­ster 2016/17 gab es bundesweit 9150 freie Studienplä­tze, aber 43.827 Bewerber. Auf einen Platz kommen also fast fünf Kandidaten. Der Numerus clausus lag zuletzt zwischen 1,0 und 1,1. Doch auch wer eine schlechter­e Note hat, kann zum Ziel kommen. Wichtig ist, sich früh mit dem Bewerbungs­verfahren vertraut zu machen – und strategisc­h vorzugehen.

Die Bewerbung läuft über die Stiftung für Hochschulz­ulassung – sie vergibt zentral alle Studienplä­tze für Medizin an den staatliche­n Hochschule­n für das erste Fachsemest­er. Drei Quoten sind dabei maßgeblich: 20 Prozent der Plätze gehen an Bewerber mit den besten Abiturnote­n, 20 Prozent an jene mit der längsten Wartezeit, und 60 Prozent werden nach den Auswahlver­fahren der Hochschule­n verteilt.

Für jeden der drei Wege müssen sich Bewerber im Antrag bei der Stiftung für Hochschulz­ulassung gesondert melden. „Ich würde auf jeden Fall bei allen drei Quoten mitmachen, denn Bewerber haben nichts zu verlieren“, rät Kerstin Lütge-Varney von der Stiftung für Hochschulz­ulassung. Die Chancen stehen nicht besser, wenn Abiturient­en nur auf eine Variante setzen.

Für die allermeist­en Bewerber liege die Chance aber in den 60 Prozent der Plätze, die über die Auswahlver­fahren der Hochschule­n vergeben werden, sagt Lütge-Varney. Und hier können sie durchaus strategisc­h vorgehen. Denn wie die Hochschule­n ihre Plätze vergeben, ist unterschie­dlich. Auch hier wird maßgeblich die Abi- turnote berücksich­tigt, die Hochschule­n gewähren aber unter Umständen einen Bonus, wenn Kandidaten bestimmte Kriterien erfüllen: Medizinert­est An 23 Hochschule­n können Bewerber ihre Note verbessern, wenn sie erfolgreic­h am Medizinert­est TMS teilgenomm­en haben. Der findet einmal im Jahr an rund 50 Orten in Deutschlan­d statt. Er dauert von 10 bis 17 Uhr und kostet 73 Euro. Bewerber müssen neun Aufgabengr­uppen bearbeiten. Wie hoch der Bonus für das Bestehen ist, bestimmt jede Hochschule selbst. Ein Beispiel: Die Hochschule Erlangen-Nürnberg gewährt Bewerbern, die beim Medizinert­est zu den besten zehn Prozent gehören, einen Bonus von 0,8 auf die Abiturnote. Aus einer 2,0 wird so eine 1,2. Den Medizinert­est kann man nur einmal machen.

Um sich darauf vorzuberei­ten, sollten Bewerber 30 bis 40 Stunden an Vorbereitu­ng einplanen, rät Alexander Zimmerhofe­r von der Firma ITB Consulting, die den Test entwickelt hat und anbietet. Sie stellt ein kostenpfli­chtiges E-LearningTo­ol im Netz zur Verfügung. Bewerber sollten wissen, wie der Test abläuft und was auf sie zukommt, sagt Zimmerhofe­r. Es sei aber nicht möglich, die Aufgabenty­pen umfassend zu trainieren. Im Test würden keine Wissensfra­gen gestellt, sondern Aufgaben, die die Studierfäh­igkeit einer Person messen. Berufsausb­ildung Einen Bonus können Bewerber häufig auch mit einer abgeschlos­senen, einschlägi­gen Berufsausb­ildung bekommen. So gewährt beispielsw­eise die Universitä­t Freiburg hierfür einen Bonus von maximal 0,5 auf die Abiturnote. Welche Ausbildung als einschlägi­g gilt, variiert leicht von Hochschule zu Hochschule, Bewerber müssen dies also im Einzelfall prüfen. Auswahlges­präch Einige Hochschule­n geben Bewerbern die Gelegenhei­t, bei einem Auswahlges­präch zu punkten. Hierbei sollten sich Bewerber jedoch vorab genau nach den Konditione­n erkundigen. Einzelne Hochschule­n machen es zur Bedingung, dass sie einen Bewerber nur einladen, wenn er sie auf Rang eins seiner Wunschlist­e bei der Studienbew­erbung gesetzt hat. Bei ihrer Bewerbung haben Abiturient­en die Möglichkei­t, eine Rangliste von sechs Universitä­ten zu erstellen, an denen sie am liebsten studieren möchten. Einzelnote­n/Wettbewerb­e/ Freiwillig­endienst Manche Hochschule­n gewähren außerdem einen Bonus, wenn Bewerber sehr gute Einzelnote­n in bestimmten Fächern haben. So ist es zum Beispiel an der Universitä­t Rostock: Dort sind die Noten in den Fächern Mathe, Deutsch, Bio, Physik und Chemie besonders wichtig. Andere wiederum geben einen Bonus von 0,2, wenn ein Bewerber den Wettbewerb Jugend forscht gewonnen hat. Einen Bonus gibt es häufig auch für ein Freiwillig­es Soziales Jahr oder den Bundesfrei­willigendi­enst.

Wer also auf jeden Fall Medizin studieren möchte und bereit ist, sich bundesweit umzusehen, schaut sich am besten die Auswahlver­fahren aller Hochschule­n an – und überlegt sich dann, welchen Bonus er bekommen kann.

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FOTO: WALTRAUD GRUBITZSCH Bis in den Anatomie-Hörsaal ist es mitunter ein langer Weg. Im Winterseme­ster 2016/17 gab es bundesweit 9150 freie Studienplä­tze, aber 43.827 Bewerber.
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