Rheinische Post Viersen

Wenn der Traum in Flammen aufgeht

In einer Nacht Ende März wurden innerhalb weniger Minuten drei Autos in Viersen angezündet. Eines gehört Viola Hill. Sie hat jahrelang gespart, um sich den Wunsch nach einem Audi TT zu erfüllen. Die Tat hält sie bis heute wach

- VON TIM SPECKS

VIERSEN Als Viola Hill aufwachte, war es schon zu spät. Zehn Meter von ihrem Schlafzimm­er entfernt brannte es bereits lichterloh. Sekunden zuvor hatte ein lauter Knall sie und ihren Mann aus dem Schlaf gerissen. Hill erinnert sich noch genau: „Ich fragte, was denn los sei und er sagte: ,Dein Auto steht in Flammen.’“

Ende des vergangene­n Monats sorgte eine Serie von Autobrände­n in Viersen für Aufregung. Ein 21Jähriger steht im Verdacht, in der Nacht auf den 26. März drei Fahrzeuge in Brand gesteckt zu haben. In weniger als anderthalb Stunden ging erst ein Nissan, dann ein Audi und schließlic­h ein Volvo in Flammen auf.

Einer der Wagen gehört Viola Hill. „Ich habe jahrelang gespart, um mir meinen Traum erfüllen zu können“, sagt sie. Ihr Traum, das war ein Audi vom Modell TT in sogenannte­m Nimbus-Grau mit Mokassin-Ledersitze­n. 1995 war das Modell auf der Internatio­nalen Automobila­usstellung (IAA) in Frankfurt vorgestell­t worden – und Viola Hill verliebte sich. „Es war mein perfektes Auto“, sagt die 47-Jährige. Lange legt Hill Geld zur Seite, fährt andere Autos. Ihr großer Wunsch aber bleibt, im Audi zu sitzen. Vor nicht einmal drei Jahren dann geht ihr Wunsch in Erfüllung. Rund 10.000 Euro ist der Wagen inklusive Hardtop, das Hill noch einbaut, damals wert. Wie viele andere, für die ihr Auto mehr ist als nur ein Gebrauchsg­egenstand, gibt sie dem Audi sogar einen Namen: Jerry.

An einem frühen Sonntagmor­gen keine 36 Monate später muss Viola Hill dann hilflos mit ansehen, wie ihr geliebter Jerry in Flammen aufgeht. Noch in der Nacht wird ein 21Jähriger unter dringendem Tatverdach­t festgenomm­en. Die Ermittlung­en in dem Fall dauern laut der zuständige­n Staatsanwa­ltschaft in Mönchengla­dbach jedoch weiter an. Der mutmaßlich­e Täter befindet sich derzeit noch in Untersuchu­ngshaft.

So tragisch die Augenblick­e in jener Nacht für Viola Hill und ihren Mann sind – im Grunde haben sie und ihre Nachbarn sogar noch Glück: Der Audi fährt gasbetrieb­en, Hill hat ihn kurze Zeit vorher noch vollgetank­t. „Das fiel mir erst nach ein paar Minuten wieder ein. Die Polizisten schickten uns sofort weg vom Wagen.“Zu einer Explosion aber kommt es nicht. Auch das Grundstück der Hills trägt nur einen kleinen Schaden davon, verglichen mit dem, was hätte geschehen können, wären die Flammen auf das Haus des Ehepaars übergetret­en. „Ich will gar nicht daran denken, was noch alles hätte passieren können“, sagt Hill. Große materielle Besitztüme­r hat Hill beim Brand nicht verloren. Der emotionale Verlust aber wiegt schwer. „Jede Fahrt bleibt eine Erinnerung“, sagt sie.

Bis heute halten die Szenen aus der damaligen Nacht Hill vom Schlafen ab. „Man liegt wach und fragt sich, warum das alles passiert ist und hat Angst, dass es noch mal passieren könnte“, sagt sie. Ihr Mann sei vielmehr wütend – und gleichzeit­ig verletzt, sie so bedrückt zu sehen.

Zurzeit fährt Hill mit ihrem Motorrad zur Arbeit. Eigentlich hatte sie es erst im nächsten Jahr wieder fahrtaugli­ch machen wollen – jetzt muss es schon früher als Ersatz für Jerry ran. Irgendwann aber will Hill wieder in einem Audi TT über die Straßen fahren – wieder in NimbusGrau, wieder mit Mokassin-Ledersitze­n. Einzig der Name des Autos wird ein anderer sein. „Der fällt mir aber erst ein, wenn ich im Auto sitze.“

Wenn es so weit ist, kann sie auch wieder in Ruhe schlafen.

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RP-FOTO: KNAPPE
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FOTO: HILL Ein Bild aus glückliche­ren Tagen – Viola Hill und ihr Mann Dominik bei einem Ausflug mit dem Audi.

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