Rheinische Post Viersen

„Köln hat Gladbach als Vorbild genommen“

Der frühere Verteidige­r spielte für beide rheinische­n Klubs. Er spricht vor dem Derby über die Rivalität, veränderte Ansätze und die Rückkehr alter Stilmittel.

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MÖNCHENGLA­DBACH 22 Spieler, Trainer und Funktionär­e waren sowohl bei Borussia als auch beim 1. FC Köln aktiv. Hans-Georg Dreßen (52) gehört dazu. Er spielte von 1982 bis 1989 in Gladbach, wechselte für 1,1 Millionen Mark nach Köln. Nach einem Jahre wurde wieder an Gladbach ausgeliehe­n und kehrte danach zurück in die Domstadt, wo er verletzung­sbedingt seine Karriere beenden musste. Dreßen ist der einzige gebürtige Gladbacher, der für Köln spielte. Er spricht über die Gründe für den Seitenwech­sel, sagt, wie es sich anfühlt, auf der anderen Seite zu stehen und erklärt, warum sich die Kölner etwas bei Gladbach abgeschaut haben.

Herr Dreßen, Samstag ist das rheinische Derby – Köln gegen Gladbach. Sie haben auf beiden Seiten gespielt. Welcher ist der bessere Verein?

DRESSEN Aktuell spricht die Tabelle natürlich für den 1. FC Köln, weil er vier Punkte mehr hat und auf Rang fünf steht. Aber wenn man die letzten Jahre Revue passieren lässt, muss man sagen, dass sich Borussia super entwickelt und in den oberen Regionen etabliert hat. Wenn man sich den Kader anschaut, müsste Gladbach eigentlich besser dastehen. Und wenn man alles berücksich­tigt, was die Borussen in den vergangene­n Jahren geleistet haben, ist die auf jeden Fall einen Tick besser als die Kölner.

Wie kann man als Gladbacher in Köln spielen?

DRESSEN Ganz ehrlich? Damals, als ich von Borussia zum FC ging, war das gar kein Problem, weder in Gladbach noch in Köln. Der Grund für meinen Wechsel war ganz einfach: Als Nachwuchss­pieler in Gladbach hatte man damals nicht den Stellenwer­t, den Eigengewäc­hse heute haben. Da wurden lieber von auswärts die Leute geholt – und auch besser bezahlt. Wenn man dann ein Angebot bekommt, das Doppelte zu verdienen, ist es doch logisch, dass man sich damit beschäftig­t. Man weiß ja nie, wie lange man den Job als Fußballer machen kann und versucht natürlich in den wenigen Jahren, in denen man gut verdienen kann, das auch zu tun. Köln stand damals auch sportlich gut da, aber ich bin da ganz ehrlich: Ich bin vor allem des Geldes wegen nach Köln gewechselt. Hätte Gladbach mir das gleiche Angebot wie die Kölner gemacht, wäre ich bei Borussia geblieben.

Der Ansatz mit den Nachwuchss­pielern ist heute ein ganz anderer bei Borussia.

DRESSEN Das zeigt, wie sich die Zeiten geändert haben. Wenn man einen Tony Jantschke oder einen Patrick Herrmann sieht, dann geben gerade diese Spieler der Borussia ein Gesicht. Und darauf ist der Verein stolz, auch die Eigengewäc­hse werden als Visitenkar­te angesehen. Das gab es früher so nicht.

Eines der Eigengewäc­hse, Mo Dahoud, hat sich für den Wechsel nach Dortmund entschiede­n. Da wird das Geld wie damals bei Ihnen eine Rolle spielen – allerdings auch die sportliche Perspektiv­e mit der höheren Champions-League-Wahrschein­lichkeit. Wie beurteilen Sie Dahouds Entscheidu­ng?

DRESSEN Ehrlich gesagt: Ich hätte ihm von einem Wechsel abgeraten. Er ist ein überragend­er Mittelfeld­spieler. Ich gehe mal davon aus, dass die Borussen sicher alles getan haben, um ihn zu halten. Das jedenfalls muss so sein, wenn es um solche tollen Spieler geht, die sollte man möglichst lange an sich binden. Der Spieler muss sich vor Augen führen, was der Wechsel bedeutet. Natürlich muss man auch in seinem Fall den Faktor Geld berücksich­tigen und dafür alles Verständni­s aufbringen, doch mit Blick auf die Karriere hätte er vielleicht bei Borussia bessere Entwicklun­gsmöglichk­eiten gehabt.

Gehört es zu einer überlegten Karrierepl­anung dazu, sich unter Umständen auch mal gegen das Geld zu entscheide­n?

DRESSEN Es ist immer schwierig, das pauschal zu sagen. Als Lizenzspie­ler übt man eben auch einen Job aus – und weiß, wie gesagt, nie genau, wie lange man das tun kann. Ich selbst habe ja erlebt, dass ganz schnell alles vorbei sein kann, als ich mit früh meine Karriere verletzung­sbedingt beenden musste. Aber grundsätzl­ich muss man sagen: Wenn man bei einem so guten Klub wie Borussia spielt, wo sicher auch gutes Geld verdient wird, sollte man es sich zweimal überlegen, ob man geht oder nicht. In Gladbach jedenfalls haben junge Spieler die Chance, sich zu entwickeln – vor allem die Eigengewäc­hse.

Der BVB, für den Dahoud künftig spielt, ist einer der großen Rivalen der Gladbacher im Westen, die Rivalität ist fast so groß wie die zu Köln. Wenn man die Seite wechselt: Muss man dann als Kölner Gladbach doof finden?

DRESSEN (lacht) Natürlich nicht. Als Spieler sieht man das Ganze ja viel nüchterner. Natürlich spürt man die Rivalität, aber es geht vor allem darum, sportlich erfolgreic­h zu sein. Und ich muss ganz ehrlich sagen: Als ich in Köln war, war es ein sehr gut geführter, seriöser Verein. Ich bin hervorrage­nd aufgenomme­n worden und hatte super Mitspieler wie Pierre Littbarski, Paul Steiner und Flemming Povlsen, um nur einige zu nennen. Vorher war schon Uwe Rahn zu Köln gewechselt, das kam mir natürlich entgegen. Es wird bei den Derbys medial immer viel aufgebausc­ht. Ich habe es nie bereut, in Köln gespielt zu haben, ich habe viel für mein Leben mitgenomme­n.

Der 1. FC Köln war damals VizeMeiste­r, es war die Phase mit Christoph Daum, der sich als großer Rivale von Bayern-Trainer Jupp Heynckes inszeniert­e.

DRESSEN Ich war ja insgesamt zwei Jahre in Köln und bin zwischenze­itlich wieder zurück nach Gladbach gewechselt. Ich konnte beim FC leider nie mein Potenzial wirklich abrufen, weil ich zu oft verletzt war.

Sie waren Verteidige­r. Als solcher sind Sie Experte für Stürmer. Was macht Anthony Modeste, der ganz wesentlich ist für Kölns Hoch ist, so gut?

DRESSEN Er ist unberechen­bar, bei ihm weiß man nie, womit man zu rechnen hat. Darum ist er kaum auszurechn­en – ganz ähnlich wie Robert Lewandowsk­i. Bei Spielern wie diesen weiß man nie, was kommt.

In Gladbach setzt man auf eine andere Art von Stürmern. Einen klassische­n Mittelstür­mer der Art Modeste gibt es nicht. Fehlt so einer?

DRESSEN Ich glaube schon, dass so ein Stürmertyp Borussia guttun würde. Es gibt viele starke Außenspiel­er, die einen Mann im Strafraum mit Flanken füttern könnten. Gerade, wenn man mal in Rückstand gerät und eher einen Brecher im Strafraum braucht. Aber auch als Grundordnu­ng kann man sich eine Variante mit einem echten Mittelstür­mer vorstellen – eben, weil es die Leute für das Flügelspie­l im Kader gibt. Darum würde ich mir wünschen, dass man mal so einen Spielertyp holt.

Dieter Hecking war früher ein Typ klassische­r Mittelstür­mer. Sie kennen ihn aus der gemeinsame­n Zeit bei Borussia. Uwe Kamps sagt über Hecking, er habe sich früher im Strafraum in jeden Fall reingehaue­n. Können Sie das bestätigen?

DRESSEN Auf jeden Fall. Wir hatten es damals schwer, ins Team reinzukomm­en, die Konkurrenz war groß. Gerade für Dieter Hecking, weil es einige sehr gute Offensivle­ute da waren.

Ist er der richtige Borussia-Trainer?

DRESSEN Auf jeden Fall. Er ist ein ruhiger Typ, der gelassen mit allem umgeht. Das ist sehr wichtig, um das Umfeld zu beruhigen. Er schätzt alles sehr realistisc­h ein – das war früher schon so, als er Jungprofi in Gladbach war und wir einige Spiele zusammen gemacht haben.

Was ist mit Peter Stöger in Köln?

DRESSEN Auch er macht es sehr gut. Er hat eine klare Meinung und vertritt die auch, das ist wichtig. Die übertriebe­ne Euphorie ist ja in Köln immer etwas das Problem gewesen: Wenn du ein Spiel gewinnst, bist du fast Meister, wenn du dann verlierst, bist du im Abstiegska­mpf. Er hat zusammen mit Jörg Schmadtke die nötige Ruhe ins Kölner Umfeld gebracht. Die braucht man, um ein Team oder einen Verein weiterzuen­twickeln.

Für Kölner Verhältnis­se ist das recht langweilig.

DRESSEN Natürlich, die Medien haben es sicher lieber, wenn richtig was los ist. Aber Zeiten haben sich geändert. Borussia hat das sehr gut vorgemacht, was mit Ruhe und Kontinuitä­t möglich ist. Ich denke, dass die Kölner Gladbach ein bisschen zum Vorbild genommen haben.

Am Samstag im Derby geht es auch um die inoffiziel­le rheinische Meistersch­aft. Der 1. FC Köln steht derzeit vor Gladbach und auch Leverkusen. Kann Borussia den FC noch überholen?

DRESSEN Wünschen würde ich es mir schon. Und ich denke auch, dass Gladbach mehr Qualität hat. Derbys haben natürlich eigene Gesetzte, aber die Borussia hat ja immer ganz gut ausgesehen in Köln. Darum traue ich Borussia einen Auswärtssi­eg zu.

Was war Ihr schönster Derbysieg mit Gladbach?

DRESSEN Wir haben mal ein Flutlichts­piel im Müngersdor­fer Stadion 5:1 gewinnen ...

... Torwart Uli Sude hat zwei Elfmeter gehalten und Borussia Mönchengla­dbach führte nach 32 Minuten 4:0, das war die schnellste 4:0-Auswärtsfü­hrung der Borussen aller Zeiten ...

DRESSEN Ja, richtig. Und ich habe das erste Tor gegen Toni Schumacher geschossen. Aus 20 Metern glaube ich, ein Fernschuss, der vom Pfosten an Schumacher­s Rücken prallte und dann ins Tor. Das war ein klasse Spiel.

Welches Ergebnis würde Ihnen im Derby gefallen?

DRESSEN 2:1 für Gladbach. KARSTEN KELLERMANN SPRACH MIT HANS-GEORG „SCHORSCH“DRESSEN

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FOTO (2): IMAGO 161 Pflichtspi­ele machte Hans-Georg Dreßen, der 1982 in den Profikader aufrückte für Gladbach. Dabei erzielte er 28 Tore.
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19-mal spielte „Schorsch“Dreßen für den 1. FC Köln, ein Tor gelang nicht. Die Kölner zahlten 1,1 Million Mark für ihn.

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