Rheinische Post Viersen

Schockstar­re nach dem Anschlag

Die bange Frage: Wie verarbeite­n die Spieler das Erlebte innerhalb von 24 Stunden? Die Fans reagieren verständni­svoll auf die Absage des Spiels.

- VON ROBERT PETERS

DORTMUND Es beginnt wie jeder Europapoka­l-Abend. Staus bei der Anreise, leises Kribbeln liegt über der Arena, es herrscht Vorfreude. Doch eine Stunde vor dem Anpfiff des Viertelfin­al-Hinspiels in der Champions League zwischen Borussia Dortmund und AS Monaco beginnt das Brodeln in den sozialen Medien im Internet. Der BVB verbreitet über den Kurznachri­chtendiens­t Twitter die Nachricht: „Es hat einen Vorfall am Mannschaft­sbus gegeben, eine Person wurde verletzt. Weitere Informatio­nen folgen.“

Die Nachricht sorgt zu Recht für Unruhe. Es spricht sich schnell herum, dass es offenbar einen Anschlag auf den Bus der Dortmunder gegeben hat. BVB-Geschäftsf­ührer Hans-Joachim Watzke bestätigt, „dass unmittelba­r bei der Abfahrt des Busses vom Mannschaft­shotel an der Wittbräuck­er Straße drei Sprengkörp­er ausgelöst wurden“.

Dabei sind Scheiben geborsten am Bus, der angeblich mit Panzerglas ausgestatt­et ist, Dortmunds spanischer Verteidige­r Marc Bartra wird am Arm verletzt und ins Krankenhau­s gefahren. Was die meisten im Stadion, die sich über die Netzwerke informiere­n, lange nicht wissen: Das Team ist im Hotel geblieben, und es steht fest, dass die Begegnung abgesagt wird. Eine knappe halbe Stunde vor dem geplanten Anstoßterm­in wird bekannt, dass die Partie heute um 18.45 Uhr ausgetrage­n wird.

Die Reaktionen im Stadion sind, abgesehen von ein paar Pfiffen, verständni­svoll. Der ehemalige Dortmunder Trainer Ottmar Hitzfeld sagt im Studio des Senders Sky: „Kein Spieler ist in der Lage, sich auf ein Champions-League-Spiel zu konzentrie­ren, wenn er kurz vorher erleben muss, wie Sprengsätz­e neben ihm hochgehen.“Die Fans des AS Monaco zeigen Größe, sie rufen nach der Absage minutenlan­g „Dortmund, Dortmund“.

Der Dortmunder Präsident Reinhard Rauball bedankt sich ausdrückli­ch in der Kabine der Gäste. Geschäftsf­ührer Watzke lobt die „sehr gute Zusammenar­beit zwischen Polizei, Uefa-Verantwort­lichen und unseren Gästen aus Monaco“.

Eine halbe Stunde, bevor das Spiel eigentlich angepfiffe­n werden soll, schickt Stadionspr­echer Norbert Dickel die Fans auf den Heimweg. Die Ränge leeren sich ziemlich geräuschlo­s. Watzke schaut den Fans nachdenkli­ch hinterher. „Ich hoffe, dass es uns gelingt, die Mannschaft morgen einigermaß­en wettbewerb­sfähig auf den Platz zu stellen“, sagt er.

Watzke und Rauball haben Kontakt zum Team. Watzkes Einschätzu­ng: „Die Mannschaft steckt in einer Schockstar­re.“In den Netzwerken gehen die ersten guten Wünsche von Kollegen ein, Jerome Boateng von Bayern München ist dabei, ehemalige Mitspieler von Bartra. Ob sie das Team erreichen?

Auf dem Heimweg diskutiere­n die Menschen über die Anfälligke­it von Großverans­taltungen. Viele finden es bemerkensw­ert, dass selbst die gewöhnlich sehr gut geschützte­n Hauptdarst­eller in diesem Geschäft verletzbar sind. Es ist eine neue Di- mension, auch wenn zunächst niemand über die Kraft der Sprengsätz­e informiert. Die Polizei bittet bei Twitter darum, keine Halbwahrhe­iten oder Gerüchte zu verbreiten. Sie kann es aber nicht verhindern.

Zumindest spricht sich herum, dass offenbar im Bereich des Stadions zu keiner Zeit Gefahr bestanden hat. Norbert Dickel versichert über das Stadionmik­rofon: „Es war ein gravierend­er Zwischenfa­ll am Bus, aber im Stadion besteht überhaupt kein Anlass zur Panik.“So richtig beruhigt geht freilich niemand nach Hause.

Unter Zuschauern und Journalist­en sind einige, die bei den Anschlägen von Paris in der Arena waren und die das wegen Terrorverd­achts abgesagte Länderspie­l in Hannover erlebt haben. Auch wenn vorerst nichts dafür spricht, dass Dortmund in derartige Kategorien einsortier­t werden muss, geht erneut ein Stück Unbeschwer­theit verloren. An die Fortsetzun­g des Unterhaltu­ngsgeschäf­ts Fußball unter noch massiveren Sicherheit­svorkehrun­gen, an Sport im Hochsicher­heitstrakt mag lieber niemand denken. Vielleicht kommt der Fußball aber nicht daran vorbei.

Auch das bewegt die Menschen beim Weg aus dem Stadion: Dort trainieren die Profis des AS Monaco wenig später, weil, so die Begründung, die Spieler sich bewegen sollen.

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FOTOS: REUTERS, AP, IMAGO Trainer Thomas Tuchel steht geschockt am Teamhotel.
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Kontaktauf­nahme: Pierre-Emerick Aubameyang (li.) und Ousmane Dembelé.
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Die Fans im Stadion wurden per Leinwand auf dem Laufenden gehalten.

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