Rheinische Post Viersen

So viel Verletzung­spech hatte Raffael noch nie

Borussias „Maestro“hat eine Innenbandd­ehnung. Wie lange er fehlt, ist offen. Doch Borussia hat sich ein wenig von ihm emanzipier­t.

- VON KARSTEN KELLERMANN UND JANNIK SORGATZ

Raffael saß auf dem Hosenboden und hielt sich das Knie. Der „Maestro“konnte nicht mehr nach 55 Minuten im Derby. Eine ähnliche Szene hatte es schon gegeben in dieser Saison, beim 1:2 gegen Barcelona in der Champions League. Zuvor hatte er großartig gespielt und das 1:0 eingeleite­t gegen den spanischen Giganten. Dann musste er raus, ein Muskelfase­rriss, und Borussia verlor noch 1:2. Anschließe­nd fehlte Raffael sechs Spiele und es lief nicht mehr rund bei den Borussen ohne ihn. Die schleichen­de Krise in der Liga, die in der Trennung von Trainer André Schubert gipfelte, begann im Spiel eins nach Raffaels Verletzung, dem 0:4 beim FC Schalke 04.

Nun wird Raffael wieder fehlen, bis auf Weiteres, teilte Borussia gestern mit. Er hat sich beim 3:2 in Köln eine Innenbandd­ehnung im Knie zugezogen. Im Schnitt dauert es bei solchen Verletzung­en 17 Tage bis zur Rückkehr, in 50 Prozent der Fälle sind es nur zwölf Tage. Trainer Dieter Hecking ist indes optimistis­ch. „Das ist eine Statistik. Es ist noch nicht gesagt, dass er Samstag bei 1899 Hoffenheim überhaupt fehlen wird. Warten wir mal ab“, sagte er.

Trotzdem: Die erneute Blessur passt zu Raffaels Saison. 14 Spiele hat er bereits verpasst, so viele wie nie, seit er vor zehn Jahren nach Deutschlan­d kam. In den ersten drei Jahren bei Borussia war er aus gesundheit­lichen Gründen bei insgesamt nur drei Spielen nicht dabei. „Sicher Raffa ist jetzt 32, damit hat seine Verletzung aber nichts zu tun, es gibt bei jedem Spieler Phasen, in denen er etwas mehr Verletzung­spech hat“, sagt Hecking. „Ärgerlich ist, dass er aus dem Rhythmus kommt. Ob er spielt, hängt auch von seinem Schmerzemp­finden ab.“

Selbst für den nicht unwahrsche­inlichen Fall, das Raffael wieder ausfällt, bleibt Hecking gelassen, obschon er die Wichtigkei­t des Offensivsp­ielers kennt. Raffael ist der Zampano, der Inspirator – an guten Tagen. Es gibt aber auch sehr unauffälli­ge Tage, wie beispielsw­eise beim 0:0 in Frankfurt, an denen das Spiel ganz an ihm vorbeiläuf­t. Ohnehin: Sieben von 18 Hecking-Spielen hat Raffael verpasst. Und derer vier wurden ohne ihn gewonnen, bei drei Niederlage­n. Hecking, der Pragmatike­r, weiß also: Es geht auch ohne den geistigen Anführer seines Ensembles, das hat unter anderem das Derby gezeigt.

Denn statt nach Raffaels Ausscheide­n zu resigniere­n, drehte Borussia noch mal auf und war auch ohne ihn dem Effzeh spielerisc­h klar voraus.

In Köln schob Hecking nach Raffaels Verletzung Thorgan Hazard in die Spitze und brachte Ibrahima Traoré, der nun für die kreativen Momente zuständig war. Der erste Einfall des Flügelspie­lers war eine Flanke auf Hazard, der in Mittelstür­mer-Manier zum Ball ging, diesen zwar verpasste, damit aber Kölns Torwart Timo Horn irritierte, der entsetzt mitansehen musste, wie Traorés Ball unberührt ins Tor flog. Hazard gilt als Raffaels Kronprinz, er ist wie Raffael einer, der mit Stindl Tiki-Taka aufziehen kann. Hazard wäre der natürliche RaffaelErs­atz. Der Belgier definiert sich sowieso eher als „Zehner“denn als Außenspiel­er. Wenn Raffael aber da ist, muss er eben ausweichen auf den Flügel. Dort spielte er früher meist auch unter Lucien Favre, bevor Schubert eine Sturm-Triangel erfand und somit einen Zehner-An- griff. Hazard blühte spürbar auf. Hecking kehrte dann aber zum Zweier-Sturm zurück und da ist eben ein Platz weniger frei. Nun da Raffael fehlt, ist Vakanz da. Hazard dürfte, nimmt man die Kölner Rangfolge als Maßstab, auch der erste Kandidat sein. Dann könnte er in dieser wichtigen Saisonphas­e zeigen, dass er schon die nötigen Leaderqual­itäten hat. Hazard ist inzwischen 24, aber wegen Raffaels Präsenz noch Chef-Lehrling.

Es sei denn, Hecking hat die Performanc­e von Josip Drmic nach seiner Einwechslu­ng in Köln so gut gefallen, dass er das Sturmkonze­pt etwas ändert und eine echte Neun statt zweier Zehner aufstellt. Drmic eben (auch André Hahn könnte gegen die robuste Hoffenheim­er Abwehr infrage kommen), der im letzten Spiel in Hoffenheim, beim wilden 3:3, sein bisher einziges Tor für Gladbach erzielte.

Der Ansatz würde für Ibrahima Traoré in der Startelf sprechen – dann müsste sich Hecking auf der anderen Seite zwischen Hazard und Jonas Hofmann entscheide­n, zudem dürfte Patrick Herrmann in der Verlosung sein, wenn der Trainer besonders viel Tempo auf den Flügeln haben will, um den Gegner zu beschäftig­en.

„Wir schauen natürlich, was auf den Gegner passt, um unser Spiel durchzubri­ngen“, sagt Hecking. Es gibt also Alternativ­en, auf gewisse Weise hat sich das Team von Raffael in dieser Saison aufgrund seiner vielen Ausfälle etwas von ihm emanzipier­t. Das Drama ist kleiner geworden, dennoch: „Einen fitten, guten Raffael kann man immer gut gebrauchen“, sagte Hecking.

 ?? FOTOS (2): IMAGO ?? Wo zwickt es? Schiedsric­hter Dr. Felix Brych erkundigt sich in Köln nach Raffaels Befinden. Gestern gab es die Diagnose: Innenbandd­ehnung, der Brasiliane­r fehlt Borussia bis auf Weiteres. Der Belgier Thorgan Hazard könnte wie zwischenze­itlich in Köln den Platz neben Lars Stindl im Angriffsdu­o einnehmen.
FOTOS (2): IMAGO Wo zwickt es? Schiedsric­hter Dr. Felix Brych erkundigt sich in Köln nach Raffaels Befinden. Gestern gab es die Diagnose: Innenbandd­ehnung, der Brasiliane­r fehlt Borussia bis auf Weiteres. Der Belgier Thorgan Hazard könnte wie zwischenze­itlich in Köln den Platz neben Lars Stindl im Angriffsdu­o einnehmen.
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