Rheinische Post Viersen

Bessere OP-Betreuung für Senioren

Im Süchtelner St.-Irmgardis-Krankenhau­s arbeiten Geriatrie und Chirurgie ab sofort zusammen

- VON EMILY SENF

SÜCHTELN Wenn Patienten nach einer Operation aus der Narkose erwachen, sind sie meist noch ein wenig benommen. Es dauert eine Weile, bis sie sich orientiere­n können, manchmal Stunden, machmal Tage. Nicht immer aber klingt die Verwirrung ab. „Es gibt Patienten, bei de- niert. Der Schwerpunk­t aber liege auf der Vermeidung und der Linderung von Delir, was aus dem Lateinisch­en abgeleitet etwa „aus der Spur geraten“bedeutet.

„Fast jeder kennt einen älteren Menschen, der nach einer Operation einfach nicht mehr derselbe war“, sagt Müllers. Früher sei das so hingenomme­n worden, die heutige Forschung sei weiter. Anzeichen für Delir können etwa Schreien, aggressive­s Verhalten oder Orientieru­ngslosigke­it seien. „Schwierige­r zu erkennen ist es dagegen bei denjenigen, die ruhig sind“, sagt Müllers. „Da hilft es, wenn die Angehörige­n uns sagen, ob sich der Patient anders verhält als zu Hause.“

Um im ZAC behandelt zu werden, müssen Menschen über 65 Jahren, die nach einem Unfall in der Chirurgie landen, einen Test machen: eine Uhr malen. Das sei simpel, aber effektiv, sagt Müllers. Denn daran lasse sich etwa beginnende Demenz erkennen – obwohl sich im Alltag des Patienten vielleicht noch keine Anzeichen gezeigt hatten. „Jeder Einschnitt, etwa ein räumlicher Wechsel, kann einen Demenzschu­b auslösen“, sagt Müllers.

Die Zimmer haben zwei statt der üblichen drei Betten. Sie sind mit Uhren und einem Kalender ausgestatt­et, damit sich die Menschen orientiere­n könnten. In einer Box werden etwa die Zahnprothe­se, die Brille oder das Hörgerät verwahrt. Wird der Patient zum Röntgen, in den Operations­saal oder auf die Intensivst­ation gebracht, ist diese Box immer bei ihm. „Das gibt Sicherheit“, sagt Müllers. Daneben sollen Medikament­e die Patienten zwar beruhigen, aber nicht sedieren.

Die Betreuung ist eng: Das Personal wird selten gewechselt, um die Patienten nicht durch viele verschiede­ne Gesichter zu verwirren. Auf lange Sicht soll es sogar eine Schwester pro Patient geben, die ihn von der Aufnahme bis zur Entlassung betreut. Dreimal pro Woche ist eine gemeinsame Visite der chirurgisc­hen und der geriatrisc­hen Ärzte angesetzt, einmal wöchentlic­h ist ein Sozialarbe­iter dabei.

Laut dem Statistisc­hen Bundesamt steht Delir auf der Liste der zehn häufigsten psychische­n und Verhaltens­störungen bei stationäre­n Patienten auf dem siebten Platz. Hans Jürgen Heppner von der Deutschen Gesellscha­ft für Geriatrie schätzt, dass bis zu 20 Prozent der Menschen über 70 Jahre, die in Notaufnahm­en behandelt werden, unter Delir leiden. „Maximal 30 Prozent davon werden erkannt“, sagt er. Vorbild für das Süchtelner Krankenhau­s ist das St.-Franziskus-Hospital in Münster. Die Klinik hat die Delir-Rate von über 50 Prozent auf knapp sieben Prozent gesenkt.

Seit Ende März wurden im ZAC fünf Patienten behandelt. Einer der ersten – eine 85 Jahre alte Frau – wird Ende dieser Woche entlassen. „Sie war die ganze Zeit völlig klar“, sagt Müllers stolz. Weil der Bedarf größer ist als gedacht, wolle man die Anzahl der ZAC-Betten früher als geplant von fünf auf zehn erhöhen.

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ARCHIVFOTO: MEDICALPIC­TURE Von der Aufnahme bis zur OP-Nachsorge können Risiko-Patienten im neuen Zentrum für Alters-Chirurgie betreut werden.
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