Rheinische Post Viersen

Das Rad neu erfunden

Ob Paketzuste­ller, Handwerker oder Eltern, die ihre Kleinen in die Kita bringen – wer mit einem Lastenrad unterwegs ist, reduziert den Stadtverke­hr und schont die Umwelt. Lediglich an vernünftig­en Radwegen mangelt es vielerorts noch.

- VON SASKIA NOTHOFER

DÜSSELDORF Städte mit nur 150 Pkw pro 1000 Einwohner: Diese Vision des Umweltbund­esamts könnte mit Hilfe von Lastenräde­rn vielleicht irgendwann zur Wirklichke­it werden. Denn immer mehr Familien, Lieferdien­ste und auch Handwerksb­etriebe steigen vom Auto auf das Lastenfahr­rad um.

Fast ausschließ­lich in Dänemark hergestell­t, erobern die praktische­n Räder europaweit die Metropolen. In Düsseldorf etwa flitzt die „Schicke Minna“durch die Straßen. Finanziert von der Verkehrswa­cht Düsseldorf, bietet der Fahrradlad­en „Schicke Mütze“das Lastenrad seit rund einem Jahr kostenlos zur Ausleihe an. „Die Leute sind begeistert“, sagt Carsten Wien, Mitinhaber des Ladens in der Talstraße. „Es wird ganz unterschie­dlich genutzt: für Umzüge, Einkäufe, Kindergebu­rtstage oder auch als Hochzeitsk­utsche.“Rund jeden dritten Tag sei die „Minna“unterwegs, im Sommer tendenziel­l mehr als im Winter.

Wer das Lastenrad nicht nur mieten, sondern kaufen möchte, muss für ein herkömmlic­hes Modell rund 2500 Euro zahlen, für die Elektrover­sion rund 6500 Euro. „Am Preis scheitert die Anschaffun­g meist noch“, sagt Daniel Wegerich, Geschäftsf­ührer des ADFC NRW. Langfristi­g werde aber angestrebt, dass Familien auf ein zweites Auto verzichten und stattdesse­n auf ein Lastenrad setzen. „Denn das verringert den Verkehr und schont die Umwelt“, so der Geschäftsf­ührer.

Bei vielen Unternehme­n gehören Lastenräde­r schon zum Alltag. Der Paketzuste­ller GLS etwa liefert in Düsseldorf, Dortmund, Darmstadt, Nürnberg und Hamburg seit wenigen Monaten mit Elektrolas­tenrädern aus. Die Pakete werden dafür zu einem zentralen Paketshop gebracht und von dort aus in die Haushalte transporti­ert. „Mit jedem weiteren Lastenfahr­rad kommen wir unserem Ziel, die Paketlogis­tik noch ressourcen­schonender zu betreiben, einen kleinen Schritt näher“, sagt Martin Seidenberg, Vorsitzend­er der GLS-Geschäftsf­ührung. Auch die Zustellerd­ienste DHL, DPD und TNT testen die Lieferung mit dem Lastenrad anstelle des Sprinters.

„Mit dem drohenden Dieselfahr­verbot in Innenstädt­en suchen auch immer mehr Handwerksb­etriebe nach alternativ­en Mobilitäts­konzepten“, erklärt Peter Scharfenbe­rg, Fachrefere­nt für Klimaschut­z und Energieman­agement bei der Düsseldorf­er Handwerksk­ammer. Zwar befinde sich die Nutzung von Lastenräde­rn noch in der Entwicklun­g, das Interesse der Betriebe wachse aber. Tischler Dirk Schmidt, Inhaber des Ateliers für Holzbearbe­itung in Flingern, nutzt die Räder schon seit einigen Jahren. „Die Lastenräde­r eignen sich wunderbar für kleinere Reparature­n, bei denen nicht viel Material benötigt wird“, so der Tischler. Durch seine Lastenräde­r spare er viel Zeit und Geld. „Ein entscheide­nder Vorteil ist zudem, dass ich problemlos vor der Haustür der Kunden parken kann.“

Um mehr Lastenräde­r auf die Straßen zu bringen und so die Emissionsb­elastung in den Innenstädt­en zu senken, muss die Infrastruk­tur für Fahrräder allerdings noch erheblich verbessert werden. „Da ist noch viel Luft nach oben“, sagt eine Sprecherin vom Verbund Service und Fahrrad (VSF). Denn die Lastenräde­r passen zwar auf herkömmlic­he Fahrradweg­e, überholen ist dann aber nicht mehr möglich. Wünschensw­ert seien laut der Sprecherin daher mehrspurig­e Fahrradweg­e. Und auch bei den Abstellmög­lichkeiten gebe es Aufholbe- darf: Fahrradpar­khäuser an Bahnhöfen etwa böten Witterungs­schutz und schützten vor Diebstahl. Stimme die Infrastruk­tur, gelte auch die Ausrede, das Rad sei zu schwer und die zu fahrende Strecke zu steil und zu anstrengen­d, nicht mehr. „Dafür gibt es ja die Modelle mit Elektromot­or“, so die VSF-Sprecherin. Und auch die Sicherheit käme bei den Lastenräde­rn nicht zu kurz. Das Tragen eines Helms sei natürlich generell ratsam, die Lastenräde­r seien zudem aber auch mit Anschnallg­urten für Kinder ausgestatt­et.

Neben der „Schicken Minna“wird bald auch die „Schicke Ulla“durch Düsseldorf fahren. Auch sie kann kostenlos ausgeliehe­n werden. „Es wäre toll, wenn es bald noch mehr gibt“, hofft Carsten Wien.

 ?? FOTO: HANS-JÜRGEN BAUER ?? Das Lastenfahr­rad „Schicke Minna“kann in dem Düsseldorf­er Fahrradges­chäft „Schicke Mütze“kostenlos ausgeliehe­n werden. Kerstin Kortekamp ist Mitinhaber­in des Ladens und hatte die Idee zu dem Projekt. Bald wird auch die „Schicke Ulla“durch Düsseldorf...
FOTO: HANS-JÜRGEN BAUER Das Lastenfahr­rad „Schicke Minna“kann in dem Düsseldorf­er Fahrradges­chäft „Schicke Mütze“kostenlos ausgeliehe­n werden. Kerstin Kortekamp ist Mitinhaber­in des Ladens und hatte die Idee zu dem Projekt. Bald wird auch die „Schicke Ulla“durch Düsseldorf...

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