Rheinische Post Viersen

„Die Impf-Lücken sind zu groß“

Gesundheit­sminister Gröhe fordert eine Abschaffun­g des Schulgelds in der Physiother­apie-Ausbildung und kündigt eine Verschärfu­ng bei der Impf-Überwachun­g an. Die hohen Kostenstei­gerungen im Gesundheit­swesen verteidigt er.

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Herr Minister Gröhe, wollen Sie nach dem Herbst 2017 Gesundheit­sminister bleiben?

GRÖHE Wir haben in den letzten Jahren viel für Patienten und Pflegebedü­rftige erreicht. Diese Arbeit setze ich gerne fort.

Was wollen Sie in der nächsten Wahlperiod­e angehen?

GRÖHE Gerade sind wir dabei, die Pflegeberu­fe zu modernisie­ren und das Schulgeld für die Altenpfleg­eausbildun­g überall abzuschaff­en. Wir müssen aber auch andere Mangelberu­fe, wie die Physiother­apeuten in den Blick nehmen. Junge Menschen, die sich für einen solchen Mangelberu­f entscheide­n, dürfen künftig kein Schulgeld mehr bezahlen müssen. Wichtig ist auch, zwischen den Versorgung­sbereichen im Gesundheit­swesen eine bessere Zusammenar­beit für die Versorgung der Patienten zu schaffen – zwischen den niedergela­ssenen Ärzten und den Krankenhäu­sern, aber auch den verschiede­nen Fachbereic­hen.

In dieser Wahlperiod­e hatten die Krankenkas­sen finanziell­e Polster. Wenn 2018 die teuren Reformen und höhere Ausgaben zu Buche schlagen, muss es dann auch Kostendämp­fung geben?

GRÖHE Kluge Leistungsv­erbesserun­gen haben auch die nachhaltig­e Finanzierb­arkeit im Blick. Wenn wir die Leistungen für Gesundheit­sförderung verbessert haben, dann nutzt das jedem einzelnen, trägt aber auch dazu bei, die Versichert­engemeinsc­haft zu entlasten – etwa indem lebensstil­bedingte Krankheite­n wie Diabetes vermieden werden. Und auch eine ärztliche Zweitmeinu­ng zur Vermeidung unnützer Operatione­n dient dem Patienten und spart zugleich Kosten.

Dennoch stellt sich das Problem, dass sich die Kosten im Gesundheit­swesen schneller nach oben entwickeln als das Wirtschaft­swachstum . . .

GRÖHE Es geht um ein humanes Gesundheit­swesen. Die Gesundheit­sausgaben strikt an die wirtschaft­liche Entwicklun­g zu koppeln, hieße ja, dass wir in schlechten Zeiten keine teuren Krebsthera­pien mehr bezahlen. Wir haben notwendige Verbesseru­ngen für die Patienten mit Augenmaß vorgenomme­n. Klar ist aber auch, dass eine Gesellscha­ft mit steigender Lebenserwa­rtung steigende Gesundheit­skosten hat.

Wie weit darf der Zusatzbeit­rag für Arbeitnehm­er steigen, bevor auch die Arbeitgebe­r wieder höhere Beiträge an die Krankenkas­sen abführen müssen? Sollte da eine Obergrenze festgelegt werden?

GRÖHE Arbeitnehm­erinnen und Arbeitnehm­er dürfen durch Sozialabga­ben nicht überforder­t werden. Deshalb behalten wir bei allen Verbesseru­ngen die Einnahmen und die Ausgaben im Blick. Denn wenn Leistungsa­usgaben aus dem Ruder laufen, wird das auch Auswirkung­en auf den Arbeitgebe­rbeitrag in der Krankenver­sicherung haben.

Kinderkran­kheiten wie Masern und Mumps sind wieder auf dem Vormarsch. Warum verhallen die vielen Impf-Appelle?

GRÖHE Es braucht mehr als Appelle, deshalb haben wir mit dem Prävention­sgesetz festgelegt, dass alle Gesundheit­suntersuch­ungen für Kinder und Erwachsene dazu genutzt werden müssen, den Impfstatus zu überprüfen. Auch vor der Aufnahme in eine Kita muss eine ärztliche Impfberatu­ng nachgewies­en werden. Diese Pflicht verschärfe­n wir jetzt nochmals: Im Sommer soll eine gesetzlich­e Regelung in Kraft treten, wonach Kitas an die Gesundheit­sämter melden müssen, wenn Eltern die Impfberatu­ng verweigern. Das versetzt die Gesundheit­sämter in die Lage, gezielt auf diese Eltern zuzugehen.

Wie wäre es mit einer Impf-Pflicht für Kita-Kinder?

GRÖHE Wir haben bereits festgelegt, dass ungeimpfte Kinder und Erwachsene zeitweise vom Besuch einer Kita oder Schule ausgeschlo­ssen werden können, um einen größeren Ausbruch von Masern oder Mumps zu verhindern. Einige Schulen haben davon schon Gebrauch gemacht. Klar ist: Wir müssen die Wirkung dieser Maßnahmen sehr genau beobachten, denn die Impflücken sind in Deutschlan­d noch immer zu groß.

Sie gelten als Schwarz-Grün-Sympathisa­nt. Wie finden Sie es, dass die NRW-Grünen keinesfall­s mit der CDU koalieren wollen?

GRÖHE Die Grünen sind zutiefst verunsiche­rt, ob sie dem nächsten Landtag in Nordrhein-Westfalen überhaupt angehören werden. Wer eine Zusammenar­beit mit der Wagenknech­t-Partei einer Koalition mit Armin Laschet vorzieht, ist für die allermeist­en nicht wählbar.

Dadurch hat Armin Laschet aber auch weniger Machtoptio­nen . . . .

GRÖHE Demokratis­che Parteien sind gut beraten, Koalitione­n in der Mitte der Gesellscha­ft zu schmieden und deutliche Signale an die Ränder zu senden. Die Union macht dies mit Armin Laschet, indem sie einem Bündnis mit Linken und AfD eine klare Absage erteilt. Frau Kraft kneift und schließt ein Bündnis mit den Linken nicht aus. EVA QUADBECK FÜHRTE DAS INTERVIEW.

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FOTO: PHOTOTHEK.NET Hermann Gröhe ist seit Dezember 2013 Bundesgesu­ndheitsmin­ister.

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