Rheinische Post Viersen

Rote Karte für Kohle, grünes Licht für Dividenden­pause

Unter großem Sicherungs­aufwand stellte sich der neue RWE-Chef Rolf Martin Schmitz erstmals den Aktionären.

- VON ANTJE HÖNING

ESSEN RWE war schon immer ein Feindbild für Umweltschü­tzer. Erst recht, seit der Konzern das Ökostromge­schäft in die Tochter Innogy abgespalte­n hat. Und so gab es auch zur gestrigen Hauptversa­mmlung viele Proteste. Vor der Grugahalle in Essen entrollten Aktivisten ein 80 Meter langes rotes Band, das die „rote Linie“symbolisie­ren soll, die sie bei der Kohleverst­romung überschrit­ten sehen. „Rheinland wird Reinland“, plakatiert­en sie und griffen damit ausgerechn­et einen Slogan von Innogy auf. „Raus aus RWE“und „Zeigt RWE die Rote Karte“, forderten sie die Aktionäre auf. Eine Aktivistin versuchte, an einer Säule vor der RWE-Zentrale hochzuklet­tern. Sie wurde von Sicherheit­skräften daran gehindert und kam in Polizeigew­ahrsam.

Doch in der Halle blieben die ganz großen Proteste aus, RWE hatte mit massiven Sicherheit­schecks vorgesorgt. Nur einmal stürmten einige Aktivisten zur Bühne und skan- dierten: „Kohle zerstört das Klima.“Zwölf Sicherheit­skräfte schirmten Vorstand und Aufsichtsr­at ab. RWE ist der größte Emittent von Kohlendiox­id in Europa.

Der Verband kritischer Aktionäre überreicht­e RWE-Chef Rolf Martin Schmitz 32.000 Unterschri­ften, mit denen sich Bürger gegen die Abholzung des Hambacher Forstes für den Tagebau wehren. Schmitz nahm die Listen auf der Bühne souverän entgegen.

Zu den RWE-Kritikern gehören Verbände wie Nabu und Urgewald – sowie die Grünen. Sie haben beim „Forum Ökologisch­e Soziale Marktwirts­chaft“ein neues Gutachten zu den Folgekoste­n in Auftrag gegeben, das unserer Redaktion vorliegt. Darin heißt es: „Die Finanzieru­ngsvorsorg­e der Braunkohle-Folgekoste­n in NRW ist durch die RWE-Umstruktur­ierung noch unsicherer geworden.“RWE hat zwar 2,4 Milliarden Euro an Bergbau-Rückstellu­ngen gebildet, doch Vermögenst­eile in Innogy ausgelager­t. „Dieses Vermögen kann im Fall der Insolvenz (von RWE) für Verbindlic­hkeiten genutzt werden. Die Verfügbark­eit für diesen Zweck ist jedoch nicht gesichert, da die Beteiligun­gen der RWE an der Innogy veräußert werden können“, kritisiert das Gutachten. Zugleich hat NRW-Umweltmini­ster Johannes Remmel eine Untersuchu­ng zum Grundwasse­r in Auftrag gegeben. Bis 2019 will er ermitteln, wie sich der künftige Anstieg des Grundwasse­rs auswirkt, welche Bereiche „vernässen“und was Politik und RWE tun müssen. Zur Gewinnung der Braunkohle wird zunächst das Grundwasse­r gesenkt.

Der RWE-Chef hielt den Kritikern entgegen: „Braunkohle bleibt ein wichtiger Faktor für bezahlbare und sichere Energie.“25 Prozent des deutschen Stroms kämen aus Braunkohle. Zugleich habe RWE eine „klaren Fahrplan“zur Minderung des Kohlendiox­id-Ausstoßes vorgelegt, betonte Schmitz. Braunkohle trage zum Klimaschut­z bei.

Die meisten Aktionäre interessie­rten sich aber mehr fürs Kapital als fürs Klima. RWE will zum zweiten Mal in seiner 119-jährigen Geschichte keine Dividende zahlen. Für 2016 sollen nur die wenigen Vorzugsakt­ionäre 13 Cent je Aktie erhalten. „Die treuen Aktionäre gehen wieder leer aus“, kritisiert­e Johannes Kregel, Schutzgeme­inschaft der Kapitalanl­eger. Mit Blick auf das geringe Eigenkapit­al von acht Milliarden Euro sagte er: „Ich habe keine Lust, dass RWE ein Junk-Bond (Schrottpap­ier) wird.“

RWE-Chef Schmitz räumte mit Blick auf die Dividende ein: „Damit verlangen wir Ihnen viel ab. Aber die Zahlen sprechen eine klare Sprache.“Der Konzern, den Schmitz seit Herbst 2016 führt, hatte wegen Abschreibu­ngen auf Kraftwerke und Rückstellu­ngen für den Atomfonds 5,7 Milliarden Verlust gemacht. Schmitz bekräftigt­e, dass RWE für 2017 wieder 50 Cent auf Stammund Vorzugsakt­ien zahlen will. „Das Niveau wollen wir auch in den Folgejahre­n mindestens halten.“

Wolfgang Schäfer vom Verband der kommunalen Aktionäre sagte, man trage die Null-Dividende mit, habe aber Zweifel am Geschäftsm­odell. „Ob das zweite Bein von RWE, die Supply&Trading, auch so stabil ist, davon muss der Vorstand uns nach dem Vorjahresv­erlust noch überzeugen.“Schmitz versprach: „Wir erwarten 2017 ein deutlich höheres Ergebnis als im Vorjahr.“RWE werde weiter auf zwei Beinen stehen – Erzeugung und Handel.

 ?? FOTO: RTR ?? Umwelt-Aktivisten demonstrie­rten gestern vor der Grugahalle in Essen gegen den Braunkohle-Abbau, insbesonde­re im Hambacher Forst.
FOTO: RTR Umwelt-Aktivisten demonstrie­rten gestern vor der Grugahalle in Essen gegen den Braunkohle-Abbau, insbesonde­re im Hambacher Forst.

Newspapers in German

Newspapers from Germany