Rheinische Post Viersen

Liebesleid in Lanzenkirc­hen

Das Kino-Debüt „Siebzehn“erzählt von der Sehnsucht nach den Sommerferi­en.

- VON PHILIPP HOLSTEIN

Es ist so schwierig, Filme und Bücher über dieses Alter zu machen, denn mit 17 ist alles Transit, die Gegenwart hat keine Kontur, alles ist vage und auf jeden Fall mehr morgen als gestern. Die österreich­ische Kino-Debütantin Monja Art hat es dennoch gewagt, zum Glück, denn „Siebzehn“ist ein sehr schöner und diskreter Film, da steckt viel Wahrheit drin, und wenn sie über das Thema je einen Roman schreiben sollte, möge Art ihn bitte mit dem Satz beginnen lassen, den sie auf das Werbemater­ial zu ihrer Produktion hat drucken lassen: „Draußen hört man Blasmusik, ein Mähdresche­r zieht seine Bahnen, und mit etwas Glück kommt bald ein Bus.“

Im Mittelpunk­t des Films steht Paula, sie lebt in Niederöste­rreich, und es sind nur noch wenige Tage bis zu den Sommerferi­en. Paula hat sich in ihre Mitschüler­in Charlotte verliebt. Sie schaut oft zu ihr herüber, aber Charlotte ist mit Michael zusammen. Der Film hat etwas Dokumentar­isches, er kommt den Hauptfigur­en nahe, ohne sie bloßzustel­len, und Monja Art erzählt immer nur so viel, dass man nicht weiß, aber doch ahnt, wie sich ihre Figuren fühlen.

Es ist großartig, mit welcher Beiläufigk­eit hier die Schwärmere­i eines Mädchens für ein Mädchen erzählt wird. Wenn sich Paula vorstellt, wie sie Charlotte küsst, sieht man diesen Traum als Vision in Klammern, wenn sie Nachrichte­n via Facebook schreibt, sieht man den Handybilds­chirm vergrößert auf der Leinwand, und das alles ist nie aufdringli­ch oder bloß Effekt, sondern spiegelt die natürliche Lebenswelt der Porträtier­ten.

Die 17 Jahre alte Elisabeth Wabitsch spielt die Paula, sie macht das toll, man will ihr ständig zureden und sie mit dem Wissen versorgen, was nur der Zuschauer hat: dass nämlich Charlotte die Gefühle erwidert, dass sie ihren Freund Michael genauso doof und stoffelig findet wie man selbst. Aber es nützt nichts, Verliebte müssen ohne den Blick von oben klarkommen. Liebesleid in Lanzenkirc­hen.

Die Jugendlich­en treffen sich in einer Disco, die „Shake“heißt. Sie leben zwischen flachen und langgestre­ckten Feldern und sehnen sich nach Wien. Sie lesen „Madame Bovary“, hören Wanda und Bilderbuch, sie schauen „Sturmhöhe“und trinken Bier und Schnaps, und sie wissen auch nicht so genau, ob alles bleibt, wie es ist.

Monja Art hat mit „Siebzehn“einen Zustandsbe­richt aus der Zwischenze­it geliefert. Einen Film über die gedehnte Weile, die Dynamik des Begehrens und den Nebel vor den Augen. Das Glück liegt meist ganz nah, aber der Sommer ist immer zu kurz. Siebzehn, Österreich 2016 – Regie: Monja Art. mit Elisabeth Wabitsch, 104 Min.

 ?? FOTO: SALZGEBER ?? Paula (Elisabeth Wabitsch, l.) und Charlotte (Anaelle Dézsy).
FOTO: SALZGEBER Paula (Elisabeth Wabitsch, l.) und Charlotte (Anaelle Dézsy).

Newspapers in German

Newspapers from Germany