Von historischen Höchstständen weit entfernt
Bis auf wenige Punkte hat sich der Dax inzwischen wieder an sein Allzeithoch aus dem Frühjahr 2015 herangepirscht. Dass dies allein noch kein Grund für einen Ausstieg ist, zeigt ein kleines Rechenbeispiel.
Nach satten Zuwächsen in den vergangenen Monaten notiert der Deutsche Aktienindex mit über 12.000 Punkten in einer Region, von der aus es eigentlich nur deutlich nach unten gehen kann. So geschehen beispielsweise vor genau zwei Jahren, aber auch Anfang 2008 und erst recht beim Platzen der New-Economy-Blase kurz nach der Jahrtausendwende, als es nach historischen Hochs jeweils zu massiven Kurseinbrüchen bei deutschen Aktien kam.
„Aktienmuffeln“, die sich diese Anlageklassen noch immer nicht hinreichend erschlossen haben, mag dieses Argument durchaus als Begründung dienen, auch weiterhin an der Seitenlinie stehen zu bleiben. Etwas genauer betrachtet, drückt der aktuelle Dax-Stand aber nur die halbe Wahrheit aus. Die im Index enthaltenen Unternehmen kosten heute nämlich deutlich weniger als bei den Höchstständen in der Vergangenheit.
Zurückzuführen ist diese Diskrepanz zum einen darauf, dass in den Medien als Maßstab für die Wertentwicklung des deutschen Aktienmarktes stets die Performancevariante des Dax herangezogen wird (WKN 846900). In seine Berechnung fließen neben den Aktienkursen der im Index enthaltenen Gesellschaften auch Dividenden sowie andere Zahlungen an die Aktionäre mit ein. Das Marktbarometer steigt deshalb auch dann an, wenn sich an den eigentlichen Unternehmenswerten nichts ändert, weil der gesamte Jahresgewinn an die Anteilseigner ausgeschüttet wird. Aus diesem Grund eignet sich der Index mit gewissen Abstrichen zwar dazu, die Performance zu ermitteln, die in der Vergangenheit mit einem entsprechenden Investment zu erzielen gewesen wäre. Als Wertmaßstab als solcher stellt der Dax-Kursindex (WKN 846744) jedoch die sinnvollere Wahl dar.
Aktuell notiert diese Variante noch gut acht Prozent unter ihrem Spitzenwert von vor zwei Jahren. Wesentlich überraschender ist allerdings, dass der Kursindex auch noch unter dem Top aus dem Jahr 2000 liegt. Nur zur Erinnerung: Der Stand des Dax-Performanceindex betrug damals rund 8000 Punkte, also nur zwei Drittel des aktuellen Wertes. Dies zeigt, wie weit die beiden Indizes in den vergangenen 17 Jahren auseinandergelaufen sind.
Dies gilt umso mehr, wenn die Inflation, die bei einem Vergleich absoluter Indexstände selbstverständlich in die Betrachtung mit einbezogen wer- den muss, berücksichtigt wird. So notiert der kaufkraftbereinigte Kursindex nach Berechnungen der Frankfurter Wallrich Wolf Asset Management AG heute mehr als 20 Prozent unter seinem Höchstwert un- mittelbar nach der Jahrtausendwende. „Von Kursen nahe historischer Höchststände kann bezogen auf den deutschen Blue Chip-Index bei genauerer Betrachtung somit keineswegs gesprochen wer- den“, sagt der Vermögensverwalter und Fondsmanager Ottmar Wolf. Hinzu kommt, dass wichtige Bewertungskennziffern, wie etwa das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV), heute zum Teil deutlich moderater ausfallen als bei vergangenen Indexhöchstständen. So betrug das Dax-KGV vor dem Platzen der New-Economy-Blase über 30, und bei den Indexhochs 2008 und 2015 waren es immerhin 17 beziehungsweise knapp 16. Heute spiegelt der Dax-Stand aber nur das 14-Fache der Gewinne wider. Gleichzeitig haben sich die Alternativrenditen in den vergangenen Jahren deutlich reduziert. Beispielsweise ist die Mietrendite von Neubauwohnungen in Düsseldorf nach Erhebungen der Deutschen Bank inzwischen auf 3,2 Prozent gesunken, was im übertragenen Sinn einem KGV von 31 entspricht. Unternehmensanleihen knapp oberhalb des „Ramschbereichs“(BBB) bringen es bei mittleren Laufzeiten gerade noch auf Renditen von einem Prozent per annum.
Dies bedeutet nun zwar nicht, dass sich der Deutsche Aktienindex in den kommenden Wochen und Monaten zwangsweise weiter nach oben bewegen wird. Schließlich drohen verschiedene politische Belastungsfaktoren (zum Beispiel Syrien, Nordkorea, Brexit, Präsidentschaftswahlen in Frankreich und so weiter) und Rückschläge können am Aktienmarkt ohnehin niemals ausgeschlossen werden. Gleichwohl sollte aber klar geworden sein, dass das wichtigste deutsche Aktienmarktbarometer keineswegs so hohe absolute Unternehmenswerte widerspiegelte, wie es bei oberflächlicher Betrachtung den Anschein hat.