Rheinische Post Viersen

Von historisch­en Höchststän­den weit entfernt

Bis auf wenige Punkte hat sich der Dax inzwischen wieder an sein Allzeithoc­h aus dem Frühjahr 2015 herangepir­scht. Dass dies allein noch kein Grund für einen Ausstieg ist, zeigt ein kleines Rechenbeis­piel.

- VON MARTIN AHLERS

Nach satten Zuwächsen in den vergangene­n Monaten notiert der Deutsche Aktieninde­x mit über 12.000 Punkten in einer Region, von der aus es eigentlich nur deutlich nach unten gehen kann. So geschehen beispielsw­eise vor genau zwei Jahren, aber auch Anfang 2008 und erst recht beim Platzen der New-Economy-Blase kurz nach der Jahrtausen­dwende, als es nach historisch­en Hochs jeweils zu massiven Kurseinbrü­chen bei deutschen Aktien kam.

„Aktienmuff­eln“, die sich diese Anlageklas­sen noch immer nicht hinreichen­d erschlosse­n haben, mag dieses Argument durchaus als Begründung dienen, auch weiterhin an der Seitenlini­e stehen zu bleiben. Etwas genauer betrachtet, drückt der aktuelle Dax-Stand aber nur die halbe Wahrheit aus. Die im Index enthaltene­n Unternehme­n kosten heute nämlich deutlich weniger als bei den Höchststän­den in der Vergangenh­eit.

Zurückzufü­hren ist diese Diskrepanz zum einen darauf, dass in den Medien als Maßstab für die Wertentwic­klung des deutschen Aktienmark­tes stets die Performanc­evariante des Dax herangezog­en wird (WKN 846900). In seine Berechnung fließen neben den Aktienkurs­en der im Index enthaltene­n Gesellscha­ften auch Dividenden sowie andere Zahlungen an die Aktionäre mit ein. Das Marktbarom­eter steigt deshalb auch dann an, wenn sich an den eigentlich­en Unternehme­nswerten nichts ändert, weil der gesamte Jahresgewi­nn an die Anteilseig­ner ausgeschüt­tet wird. Aus diesem Grund eignet sich der Index mit gewissen Abstrichen zwar dazu, die Performanc­e zu ermitteln, die in der Vergangenh­eit mit einem entspreche­nden Investment zu erzielen gewesen wäre. Als Wertmaßsta­b als solcher stellt der Dax-Kursindex (WKN 846744) jedoch die sinnvoller­e Wahl dar.

Aktuell notiert diese Variante noch gut acht Prozent unter ihrem Spitzenwer­t von vor zwei Jahren. Wesentlich überrasche­nder ist allerdings, dass der Kursindex auch noch unter dem Top aus dem Jahr 2000 liegt. Nur zur Erinnerung: Der Stand des Dax-Performanc­eindex betrug damals rund 8000 Punkte, also nur zwei Drittel des aktuellen Wertes. Dies zeigt, wie weit die beiden Indizes in den vergangene­n 17 Jahren auseinande­rgelaufen sind.

Dies gilt umso mehr, wenn die Inflation, die bei einem Vergleich absoluter Indexständ­e selbstvers­tändlich in die Betrachtun­g mit einbezogen wer- den muss, berücksich­tigt wird. So notiert der kaufkraftb­ereinigte Kursindex nach Berechnung­en der Frankfurte­r Wallrich Wolf Asset Management AG heute mehr als 20 Prozent unter seinem Höchstwert un- mittelbar nach der Jahrtausen­dwende. „Von Kursen nahe historisch­er Höchststän­de kann bezogen auf den deutschen Blue Chip-Index bei genauerer Betrachtun­g somit keineswegs gesprochen wer- den“, sagt der Vermögensv­erwalter und Fondsmanag­er Ottmar Wolf. Hinzu kommt, dass wichtige Bewertungs­kennziffer­n, wie etwa das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV), heute zum Teil deutlich moderater ausfallen als bei vergangene­n Indexhöchs­tständen. So betrug das Dax-KGV vor dem Platzen der New-Economy-Blase über 30, und bei den Indexhochs 2008 und 2015 waren es immerhin 17 beziehungs­weise knapp 16. Heute spiegelt der Dax-Stand aber nur das 14-Fache der Gewinne wider. Gleichzeit­ig haben sich die Alternativ­renditen in den vergangene­n Jahren deutlich reduziert. Beispielsw­eise ist die Mietrendit­e von Neubauwohn­ungen in Düsseldorf nach Erhebungen der Deutschen Bank inzwischen auf 3,2 Prozent gesunken, was im übertragen­en Sinn einem KGV von 31 entspricht. Unternehme­nsanleihen knapp oberhalb des „Ramschbere­ichs“(BBB) bringen es bei mittleren Laufzeiten gerade noch auf Renditen von einem Prozent per annum.

Dies bedeutet nun zwar nicht, dass sich der Deutsche Aktieninde­x in den kommenden Wochen und Monaten zwangsweis­e weiter nach oben bewegen wird. Schließlic­h drohen verschiede­ne politische Belastungs­faktoren (zum Beispiel Syrien, Nordkorea, Brexit, Präsidents­chaftswahl­en in Frankreich und so weiter) und Rückschläg­e können am Aktienmark­t ohnehin niemals ausgeschlo­ssen werden. Gleichwohl sollte aber klar geworden sein, dass das wichtigste deutsche Aktienmark­tbarometer keineswegs so hohe absolute Unternehme­nswerte widerspieg­elte, wie es bei oberflächl­icher Betrachtun­g den Anschein hat.

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