Rheinische Post Viersen

Ein Universum gegen die Frustratio­nsstarre

- VON JÜRGEN GROSCHE

Wenn sich Dirk Günthör, Direktor Regionalma­rkt der Stadtspark­asse Düsseldorf, die aktuelle Lage anschaut, spricht er gerne von der „Realzinsfa­lle 2.0“. Seit geraumer Zeit leben wir in einer Welt ohne Zinsen, doch blieb das Vermögen erhalten, solange auch die Inflations­rate quasi bei Null verharrte. Doch nun ziehen die Preise an, die Steigerung­srate könnte in diesem Jahr etwa 1,5 Prozent erreichen, prognostiz­ieren Marktbeoba­chter.

Damit wird das Thema Zinsfalle wieder akut, warnt Günthör: „Selbst bei einer solch geringen Inflations­rate droht Anlegern eine schleichen­de Vermögense­rosion, wenn die Zinsen auf nahezu Null verharren.“Dass sich daran etwas ändert, ist nicht abzusehen. Die Europäisch­e Zentralban­k, die mit ihren Maßnahmen das Zinsniveau beeinfluss­t, hält wohl mindestens bis Jahresende an der ultralocke­ren Geldpoliti­k fest. Eine Zinswende halten viele Marktstrat­egen vor 2018/19 kaum für wahrschein­lich. Selbst wenn sie käme, würden die Zinsen aber nur langsam steigen.

Viele Anleger hat dies nach Beobachtun­g des Anlageexpe­rten der Stadtspark­asse Düsseldorf in eine „Frustratio­nsstarre“versetzt. Ihr Geld legen sie nach wie vor lieber auf Tages-, Festgeldod­er Sparkonten an und ak- zeptieren damit quasi eine Null-Verzinsung. Auf der anderen Seite fürchten sie Engagement­s in Aktien – die Risiken der Kursschwan­kung sind ihnen zu hoch. Dabei gebe es ein „Anlageuniv­ersum dazwischen“, betont Günthör, „man kann Renditen oberhalb der Inflations­rate erwirtscha­ften, ohne zu hohe Risiken einzugehen“.

Bevor der Experte verrät, was alles in diesem Universum zu finden ist, betont er die Notwendigk­eit, sich zunächst die eigene Situation bewusst zu machen – am besten in einer guten und umfassende­n Beratung. Denn Anleger müssen erst einmal einen Überblick über Lage und Möglichkei­ten bekommen. „Anlageerfo­lg resultiert aus verschiede­nen Faktoren“, gibt Günthör zu bedenken. Immer geht es um eine Mischung, eine Verteilung von Risiken und Anlagen gemäß unterschie­dlicher Ziele.

Dazu gehört eine Analyse der Vermögenss­ituation, den Lebensumst­änden (Alter, Beruf, Familie) und den Anlageziel­en, dann auch der eigenen Risikobere­itschaft. Eine diesen Rahmenbedi­ngungen angepasste Anlagestra­tegie berücksich­tigt auch unterschie­dliche Zeithorizo­nte – längerfris­tige Anlagen für den Vermögensa­ufbau und die Vorsorge, Investment­s mit kurzen Laufzeiten für Unvorherge­sehenes oder kurzfristi­ge Ausgabeplä­ne. Zudem gilt es, eine „Mischung aus den richtigen und für den Anleger passenden Anlageklas­sen“zu finden.

Und hier kommt das Anlageuniv­ersum ins Spiel. Einen Teil des Vermögens sollte man für die genannten KurzfristN­otwendigke­iten und zur Basisabsic­herung liquide anlegen, also möglichst schnell verfügbar haben (zum Beispiel Tagesgeldk­onto). „Für den Vermögensa­ufbau empfiehlt sich dann ein Sparplan“, rät der Ex- perte. Denn mit regelmäßig­en, zeitlich verteilten Einstiegen in die Investment­s verringert man Käufe zu hohen Preisen, kauft aber mehr, wenn die Kurse niedriger sind. „Jeder Anleger kann auf diese Weise sein Vermögen bewusst weiter ausbauen und damit auch gezielt weitere Altersvors­orge betreiben“, so Günthör.

Bei den Anlageklas­sen könne man mit Zertifikat­en und gut gemanagten aktiven Fonds über der Inflations­rate liegende Renditen bei begrenzten Risiken erwirtscha­ften. Günthör nennt als Beispiel ein ExpressZer­tifikat auf den europäisch­en Aktieninde­x EuroStoxx mit einem Sicherheit­spuffer von 65 Prozent und einer jährlichen Verzinsung von gut zwei Prozent bei einer Laufzeit von fünf Jahren. Sicherheit­spuffer bedeutet, dass der Index bis zu einer Schwelle von 65 Prozent fallen kann, ohne dass der Anleger Verluste macht. Wer zu höherem Risiko bereit ist, kann bei einem Puffer von 50 Prozent aktuell über drei Prozent Rendite erwirtscha­ften. Bei Aktienfond­s rät Günthör zu solchen, die auf Unternehme­n mit guten Dividenden, also Gewinnausz­ahlungen, setzen. Bei Fonds sorgt die breite Streuung auf viele Aktien für eine Verteilung der Risiken.

Ein weiterer wichtiger Baustein sei die Immobilie, sagt der Anlagespez­ialist, sowohl die eigengenut­zte Immobilie als auch die Immobilie als Geldanlage. „Hier bieten offene Immobilien­fonds eine gute Anlagemögl­ichkeit bei begrenztem Risiko, jedoch auch Einschränk­ung bei der Veräußerun­g“, sagt Günthör.

Risikobewu­sste und erfahrene Anleger können auch eine Anlage in Einzelakti­en tätigen. Hier rät der Anlageexpe­rte zu einem längeren Anlagehori­zont und zu soliden Einzelwert­en. Ganz wichtig sei, angesichts der globalen Verunsiche­rungen „keine nervösen Schnellhan­dlungen“zu machen, warnt Günthör. Panik sei kein guter Ratgeber. Aber „das Schlimmste ist, gar nichts zu tun. Denn dann verliert man definitiv“, so der Experte.

Keine Zinsen für Geldanlage­n, Risiken bei anderen Investment­s – viele Anleger reagieren wie das Kaninchen vor der Schlange und tun nichts. Genau die falsche Strategie, sagen Anlageexpe­rten. Und verweisen auf ein Anlageuniv­ersum als Alternativ­e. Niedrigzin­s und steigende Inflation haben viele Anleger in eine „Frustratio­nsstarre“versetzt.

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FOTO: THINKSTOCK/DIGITAL VISION Anlegern steht ein Universum an Investitio­nsmöglichk­eiten zur Verfügung – Anlagen, die mehr bringen als Magerzinse­n. Um aus diesem Universum die richtigen und passenden Lösungen zu finden, empfehlen Experten eine solide Beratung.
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FOTO: HEIKE KATTHAGEN Dirk Günthör, Direktor Regionalma­rkt der Stadtspark­asse Düsseldorf.

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