Rheinische Post Viersen

Meine Erinnerung­en an Kaiser’s Kaffee

Bei der Finissage der Ausstellun­g im Viersener Salon floss so manche Träne. Viele Viersener fühlten sich dem Unternehme­n und der Familie Kaiser verbunden. Drei Zeitzeugen berichten von ihren Erfahrunge­n

- VON JIOTA KALLIANTER­IS

VIERSEN Was das Unternehme­n Kaiser’s Kaffee für Viersen bedeutet, ist kaum in Worte zu fassen. Tiefe Gefühle, lebendige Erinnerung­en stehen dahinter. Das zeigte sich gestern bei der Finissage der Ausstellun­g „Kaiser’s Kaffee“im Viersener Salon des Vereins für Heimatpfle­ge in der Villa Marx.

Josef Kaiser schaffte es mit Fleiß, neuen Ideen und dem Gespür für gute Waren aus dem Kolonialwa­rengeschäf­t seiner Eltern eine Weltfirma zu machen. Trotz des Erfolges blieb er ein sozial eingestell­ter Mensch. Der Kommerzien­rat ließ die Festhalle erbauen, gründete unter anderem eine Betriebskr­ankenkasse sowie eine Altersvers­orgungskas­se ohne Beitragsle­istung, um nur einige seiner sozialen Projekte zu nennen. Nun ist die Ära Kaiser’s Kaffee in Viersen zwar vorbei, doch vergessen ist sie nicht. Berührend war es, als Moderator Frank Schiffers die Gäste ermunterte, über ihre Verbundenh­eit zu Kaiser’s zu sprechen. Ihre Geschichte­n sind Familienge­schichten – Geschichte­n von Menschen, die sich als Teil einer Familie begriffen, nicht als Personal. Das ist es, was „Kaiser’s Kaffee“ausmachte und bis heute mit den Menschen und der Stadt verbindet: die Familie. Das Band konnte weder durch den Wegzug der Zentrale nach Mülheim noch durch die Zerschlagu­ng des Unternehme­ns durchtrenn­t werden. Doris Mormels (71) begann 1961 bei Kaiser’s ihre kaufmännis­che Lehre. Sie hatte Fotos und ihr Arbeitszeu­gnis zur Finissage mitgebrach­t. „Nach der Lehre habe ich in der Buchhaltun­g gearbeitet. Der Chef war streng, aber das Klima unter den Kollegen super. Sogar in der Freizeit haben wir gemeinsam etwas unternomme­n. Im Büro hatte Ruhe zu herrschen. Trotzdem hatten wir Spaß. Geburtstag­skuchen haben wir in der Schublade versteckt und heimlich genascht“, sagt Mormels, deren Vater und Schwester ebenfalls bei Kaiser’s arbeiteten. Als sie 1969 kündigte, war ihre Mutter schockiert. „Aber Kind, warum willst du denn woanders hin? Bei Kaiser’s gibt’s doch immer ein gutes Mittagesse­n“, erzählte sie. Und fügte hinzu: „Für 70 Pfennig!“

Martha Optenhöfel (86) ging als Kind immer zur weihnachtl­ichen Märchenauf­führung in die Kaiser’s- Turnhalle an der Brückenstr­aße. „Die gibt es heute nicht mehr. Dort steht jetzt das Kreishaus“, erzählt sie. „Wenn wir über die Goetersstr­aße gingen, kamen uns aus der Fabrik Gerüche nach Gebäck und Schokolade entgegen. Wenn der Westwind wehte, wussten wir, dass im Hoser Kaffee geröstet wurde. Die ganze Stadt duftete danach.“Zur Finissage hatte sie eine Pralinendo­se aus dem Kaiser’s-Service mitgebrach­t. „Mutter sammelte die roten Kaiser’s-Rabattmark­en. Nach und nach konnte man sich das 40-teilige Service aneignen. Sie hat es mir geschenkt. Als der Kaiser’s-Schornstei­n gesprengt wurde, waren mein Mann und ich unendlich traurig“, erzählte sie mit stockender Stimme. Jutta Horch (68) hat auch bei Kaiser’s gelernt. Sie gehörte zu dem Abschlussj­ahrgang, der für die gute Abschlussp­rüfung eine fünftägige Fahrt nach London geschenkt bekam – inklusive Taschengel­d. „London war eine Weltreise“, erinnert sie sich. „Das gab es nur in diesem Jahr und es war so besonders, dass die Rheinische Post darüber schrieb. Der Artikel erschien am 16. April 1966“, erzählte sie. „Kaiser’s war wie eine große Familie“, berichtete Horch, „gefühlt hat ganz Viersen dort gearbeitet.“So auch ihre Tochter. Gerne sei man zur Arbeit gegangen, erzählte sie wehmütig. Und die Wehmut bleibt, wenn sie von ihrem Sohn erzählt, der nach der Sprengung des Firmenscho­rnsteins auf einen Stuhl stieg und entsetzt rief: „Mama, ich kann Kaiser’s nicht mehr sehen!“

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FOTO: HISTORISCH­ES UNTERNEHME­NSARCHIV UNTERNEHME­NSGRUPPE TENGELMANN Arbeiter tragen Säcke mit gerösteten Kaffeebohn­en und Kartons zum Lieferwage­n. Blick auf den Versandhof von Kaiser’s Kaffee in Viersen.
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FOTO: PAKA Doris Mormels (v.l.) mit ihrem Arbeitszeu­gnis, Martha Optenhöfel mit einer Pralinendo­se und Jutta Horch mit einem Zeitungsar­tikel zur Abschlussf­ahrt.

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