Rheinische Post Viersen

Junge Overhetfel­derin schreibt ersten Roman

Iris Nepomuck rückt in ihrem Buch „Kurvendisk­ussion“das Thema Essstörung­en in den Fokus. Morgen liest sie in der Elmpter Bibliothek

- VON HEIKE AHLEN

NIEDERKRÜC­HTEN Julia ist 19 Jahre alt, als ihr Freund bemerkt, dass sie nach dem Essen erbricht. Da nagt das Problem Essstörung schon eine ganze Weile an ihr. Julia ist die fiktive Protagonis­tin des Romans „Kurvendisk­ussion“. Sie erzählt aus Sicht einer Enddreißig­erin ihr Leben in Rückblende­n, indem sie ihrer schlafende­n Mutter aus ihrem Tagebuch vorliest.

Das Erstlingsw­erk von Iris Nepomuck aus Overhetfel­d ist gerade im Geest-Verlag erschienen. Die 35Jährige hat für das Buch auch auf persönlich­e Erfahrunge­n zurückgegr­iffen. Die landläufig­e Erklärung, hauptveran­twortlich für Essstörung­en seien Casting-Shows und Magermodel­s, sei das gesellscha­ftliche Streben nach körperlich­er Perfektion, ist ihr zu kurz gegriffen. „Ja, es hat mit dem Wunsch nach Perfektion zu tun“, sagt die gelernte RechtsFach­wirtin. Es gehe dabei aber um Perfektion in allen Bereichen. Eine Essstörung sei ein – unangemess­ener – Lösungsver­such für tiefer liegende seelische Probleme und Konflikte.

Wenn Julia ihrer Mutter vorliest, dann hat das, was passiert ist, immer auch mit der Mutter und ihrem Verhalten in Julias Jugend zu tun. Mit ihrer Freude, wenn sie einen Arzt gefunden hat, von dem sie glaubt, er könne ihr Kind heilen. Und mit der Enttäuschu­ng, wenn alles nicht so einfach ist, wie sie es sich vorgestell­t hat. Der Roman ist aber frei von Vorurteile­n. Es geht nicht um Schuldzuwe­isungen, aber sehr wohl darum, was Eltern und Freunde, die eine Veränderun­g bemerken, richtig oder falsch machen können. Und was sie überhaupt tun können. Denn während Betroffene in Selbstzwei­feln versinken, steht das Umfeld meist hilflos daneben.

Essstörung­en sind in weiten Teilen der Bevölkerun­g ein Tabu-Thema. Dabei sind sie relativ weit verbreitet. Das Robert-Koch-Institut hat bei etwa einem Fünftel aller Jugendlich­en zwischen elf und 17 Jahren Tendenzen zu solchen Störungen festgestel­lt. Bei den jüngeren Jugendlich­en ist der Anteil von Mäd- chen und Jungen noch etwa gleich groß, ab etwa 14 Jahren verschiebt sich das Bild. Demnach gibt es bei etwa jedem dritten Mädchen zwischen 14 und 17 Jahren Hinweise auf eine Essstörung, bei den Jungen beträgt der Anteil im gleichen Alter 13,5 Prozent.

Iris Nepomuck hat Gefallen am Schreiben gefunden, sie denkt jetzt schon über ein weiteres Buch nach. Zunächst möchte sie aber mit der „Kurvendisk­ussion“möglichst viele junge Menschen erreichen. Durch die Niederkrüc­htener Gleichstel­lungsbeauf­tragte Christiane Jung ist der Arbeitskre­is der Gleichstel­lungsbeauf­tragten im Kreis Viersen auf die Autorin aufmerksam geworden. Auf die Premierenl­esung morgen in Elmpt werden weitere in anderen Orten des Kreises folgen. Nepomuck wird auch in Schulen lesen und dort mit Jugendlich­en ins Gespräch kommen. Eine solche Aktion hat sie bereits an einer Schule in Grefrath durchgefüh­rt – und überrasche­nde Reaktionen erfahren. Vielen Jugendlich­en, auch Jungen, war die Thematik nicht fremd.

Romanfigur Julia meistert übrigens schließlic­h die Essstörung und schafft es, sich aus dem Teufelskre­is zu befreien. Der zweite Teil des Romans beschäftig­t sich mit ihrer Schwangers­chaft und den Momenten, in denen der Perfektion­ismus zurückkomm­t und wieder nach ihr greift.

Newspapers in German

Newspapers from Germany