Rheinische Post Viersen

Die Gemeinsamk­eit der Hecking-Siege

Borussia benötigt nicht häufiger den Ball und muss auch nicht öfter aufs Tor schießen, um erfolgreic­h zu sein.

- VON JANNIK SORGATZ

MÖNCHENGLA­DBACH Als 70 Minuten gespielt waren, lag Borussia in allen Bereichen vorne: mehr Torschüsse, mehr Pässe, höhere Passquote, mehr gelaufen – und vor allem zwei Tore mehr geschossen als Mainz. Bis dahin hatte Dieter Heckings Mannschaft ein sehr gutes Auswärtssp­iel gezeigt, das – in Schulnoten ausgedrück­t – nach allenfalls ausreichen­den 20 Minuten am Ende immer noch ein gutes war. „Unterm Strich steht für mich ein verdienter Auswärtssi­eg“, resümierte Hecking.

Auf Seiten der Mainzer erhob Martin Schmidt keinen Einspruch, nachdem der Gästetrain­er wie gewohnt das erste Wort gehabt hatte. „Der Gegner hat es sehr gut gemacht, so hatten wir es nicht erwartet, die vielen langen Bälle“, sagte der Schweizer. Schwindend­e Kräfte reichten am Ende jedoch, um Borussia noch einmal in Schwierigk­eiten zu bringen. Sechs Spieler gingen in der vergangene­n Woche im DFBPokal und in der Bundesliga über 210 Minuten, Jonas Hofmann kam auf 201, Nico Schulz und Mo Dahoud spielten jeweils 170. An Einsatz mangelte es nicht: Borussia lief zwei Kilometer mehr als Mainz und gewann 57,5 Prozent aller Zweikämpfe – Bestwert in diesem Jahr.

Trotzdem geriet Gladbach am Ende ins Schwimmen, der Anschlusst­reffer fiel zum Glück erst in der 89. Minute, so dass das ganz große Zittern ausblieb. Zumindest in der Torschussb­ilanz und beim Ballbesitz konnte Mainz noch vorbeizieh­en. Ein Blick auf die Bilanz unter Hecking zeigt jedoch, dass diese beiden Zahlen am wenigsten darüber aussagen, warum welches Team gewonnen hat. Im April stellte seine Mannschaft zwar auch unter Beweis, dass sie den Gegner dominieren und am Ende in die Knie zwingen kann, gemeint sind die Siege gegen Hertha BSC (1:0) und den 1. FC Köln (3:2). Allerdings war der Erfolg in Mainz typischer für Borus- sia unter Hecking. Acht Siege in 15 Spielen liefern inzwischen eine beachtlich­e Stichprobe­nmenge.

Verdient oder unverdient – der ehemalige Leverkusen­er und Frankfurte­r Stefan Reinartz hat sich schon vor seinem Karriereen­de mit dem Heiligen Gral der Fußball-Statistik beschäftig­t, die Firma „Impect“ist dabei entstanden. Nach der Saison 2015/2016 war Schluss, so dass Reinartz bei der Europameis­terschaft im vergangene­n Sommer im ARD-Studio stand und ein Millionenp­ublikum mit dem Begriff „Packing“vertraut machen durfte. Dessen Kernwährun­g sind „überspielt­e Verteidige­r“. Zur bildlichen Vorstellun­g: Bei einem Zuspiel hat der Passgeber vier Verteidige­r vor sich, bei der Ballannahm­e sein Adressat nur noch einen – macht drei „überspielt­e Verteidige­r“.

Der Gewinner eines Bundesliga­spiels liegt in 88 Prozent aller Fälle auch in dieser Statistik vorne. Mehr gelaufen ist er nur in 60 Prozent aller Fälle. Mehr Torschüsse: ebenfalls 60 Prozent. Mehr Zweikämpfe gewonnen: 56 Prozent. Mehr Ballbesitz: sogar nur 54 Prozent. Gladbach untermauer­t unter Hecking die Aussagekra­ft dieser Werte – und ist für Reinartz und seine Kollegen der Vorzeigekl­ub für ihr Modell. Bei den acht Ligasiegen unter Hecking hat sie ausnahmslo­s mehr Verteidige­r überspielt als der Gegner, bei den fünf Niederlage­n jedes Mal weniger.

Mit durchschni­ttlich 42 überspielt­en Verteidige­rn ist Gladbach sogar die Nummer fünf der Liga. Nur Bayern München, RB Leipzig, 1899 Hoffenheim und Borussia Dortmund sind besser. Noch bleiben drei Spiele, um zwischen „Packing“-Werten und Realität für noch mehr Deckungsgl­eichheit zu sorgen. In der entgegenge­setzten Richtung ist Gladbach nur 13., lässt also auch einiges zu. „Unter Hecking stieg dieser Wert noch an, von 38 unter Schubert auf 43“, sagt Stefan Reinartz. „Mit der gestiegene­n Offensivkr­aft steigt also auch das Risi- ko in der Defensive.“Doch Borussia sei angesichts der gesunkenen Gegentorza­hl in der Rückrunde viel effektiver. Die Marschrout­e für die drei Spiele gegen den FC Augsburg, den VfL Wolfsburg und den SV Darmstadt kennt sie jetzt – mehr Verteidige­r überspiele­n und die 100-Prozent-Quote bestätigen.

 ?? FOTO: DPA (ARCHIV) ?? Dieter Hecking hat mit Borussia acht Ligaspiele gewonnen.
FOTO: DPA (ARCHIV) Dieter Hecking hat mit Borussia acht Ligaspiele gewonnen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany