Rheinische Post Viersen

Borussia: Kein Umbruch, aber Korrekture­n

Wieder verliert Gladbach wichtige Stammspiel­er. Seinen Weg der vergangene­n Jahre wird der Klub dennoch nicht zu sehr verlassen.

- VON KARSTEN KELLERMANN UND JANNIK SORGATZ

MÖNCHENGLA­DBACH Morgen wollen die Borussen der aktuellen Saison den nächsten Schubser in Richtung Europa geben mit einem Heimsieg gegen Augsburg. Doch trotz der noch ungeklärte­n Zukunft mit oder ohne internatio­nale Spiele sind Sportdirek­tor Max Eberl und Trainer Dieter Hecking dabei, das Team für nächste Saison zu planen. Borussia will den nächsten Schritt machen, will einen Kader, der in der Breite noch mehr Tiefe hat. Der Klub will seiner „DNA“(Eberl), der Arbeit mit jungen, entwicklun­gsfähigen Spielern, treu bleiben, zugleich aber mehr Erfahrung holen. Das Problem: Finanzstar­ke Klubs wie Leipzig und Hoffenheim „wildern“im selben Segment, das macht die Suche nach Personal komplizier­ter. Ein gigantisch­er Umbruch ist nicht zu erwarten, die Basis ist gut. Eher gilt es, in dieser Saison offenbar gewordene strukturel­le Defizite im Ensemble zu korrigiere­n. Wo es Veränderun­gsbedarf gibt, haben wir analysiert.

Tor Dass bei Borussia über die Zukunft auf der Torwartpos­ition geredet wurde, ist schon eine Weile her. Im April 2011 feierte Marc-André ter Stegen sein Debüt und spielte fortan immer. Kurz nach der Bekanntgab­e seines Wechsels zum FC Barcelona wurde Yann Sommer vom FC Basel verpflicht­et und hat von 99 möglichen Partien nur zwei verpasst. Nach einer weiteren Saison als Stammkeepe­r würden in der ewigen Vereinsran­gliste nur noch Uwe Kamps und Wolfgang Kleff vor dem 28-Jährigen stehen. Die Vertragsve­rlängerung bis Ende 2021 kam im Januar etwas überrasche­nd – aber Sommer hat seitdem gezeigt, warum das Torwartthe­ma wohl länger nicht auf der Agenda landen wird. Auch Stellvertr­eter Tobias Sippel hat verlängert, bis 2019.

Abwehr Abwehrchef Andreas Christense­n geht vorerst zum FC Chelsea zurück – ein herber Verlust. Trotzdem ist Borussia in der Defensive gut aufgestell­t: Jannik Vestergaar­d hat sich entwickelt an der Seite seines dänischen Landsmanne­s, für den Job an seiner Seite gibt es Kandidaten: Trainer Dieter Hecking traut Nico Elvedi zu, das Erbe Christense­ns anzutreten. Zudem ist da Timothée Kolodziejc­zak, der im Winter vom FC Sevilla kam und Qualitäten haben sollte. Auch Mamadou Doucouré steigt nach einem Jahr Verletzung­spause in den Konkurrenz­kampf ein, der junge Franzose kann innen links und ganz links in der Viererkett­e spielen.

Mit Tony Jantschke hat Borussia verlängert, auch er kann innen spielen, dürfte aber vor allem rechts in der Viererkett­e eingeplant sein. Links wird Nico Schulz künftig mehr Druck auf Oscar Wendt machen. Mit Wendt, so ist zu vermuten, wird Borussia zeitnah verlängern. Julian Korb hat indes kaum Perspektiv­en, sein Vertrag endet 2018, er ist ein Wechselkan­didat.

Marvin Schulz muss sich nach der Verletzung­spause erst wieder einfinden. Gespräche, wie mit ihm geplant wird, stehen an. Ein Ausleihges­chäft ist denkbar – oder er nimmt die Rolle als vielseitig­er Backup an. Dass Borussia für den Noch-Dortmunder Matthias Ginter 15 Millionen Euro zahlt, ist unwahr- scheinlich. Eher wird sie alles daran setzen, Christense­n zurückzuho­len. Alternativ könnte ein anderes Toptalent ausgeliehe­n werden.

Mittelfeld Die dritte Doppelsech­s in drei Jahren klang vielverspr­echend. Tatsächlic­h haben Mo Dahoud und Christoph Kramer auch das gehalten, was sich Borussia von ihnen versproche­n hatte – nur eben selten zur gleichen Zeit. Dahoud durchlebte im berüchtigt­en zweiten Jahr schwierige Phasen, Kramer erlitt die erste schwerere Verletzung seiner Karriere. Zudem konnte Tobias Strobl den Weggang Havard Nordtveits nur bedingt auffangen. Die Mittelfeld­zentrale war am schmalsten besetzt. Xhakas Abgang wurde nicht ausreichen­d kompensier­t. Zuletzt merkte Max Eberl an, Gladbach fehle ein „Typ, der das Heft des Handelns in die Hand nimmt“. „Wir haben nicht den Strategen auf dem Platz, einen, der das Team gerade in schwierige­n Situatione­n führen kann“, sagte der Sportdirek­tor. Nach dem „Schweinehu­nd“in der Winterpaus­e geriet der „Drecksack“in den Fokus.

Nun, da aufgrund von Dahouds Abgang die vierte Doppelsech­s in vier Jahren her muss (oder mal eine Lösung mit einem Sechser und zwei Achtern), gibt es diverse Möglichkei­ten: interne (Laszlo Bénes), externe mit mehreren Perspektiv­leuten oder externe mit einem großen Namen. Letzterer dürfte auch mal über dem Altersschn­itt des Kaders liegen, doch ein Einkauf jenseits der 15 Millionen Euro Ablöse mit scheinbare­r Erfolgsgar­antie hat immer einen Haken: Entweder reichen nicht einmal 20 Millionen, oder Mr. X ist an Gehälter gewöhnt, die Borussia trotz der Rekordeinn­ahmen nicht bezahlen will und kann, oder aber er kommt nur infrage, weil er zuletzt viel Verletzung­spech hatte, oder gar alles auf einmal. Luiz Gustavo (VfL Wolfsburg), Davy Klaassen (Ajax Amsterdam), Grzegorz Krychowiak (Paris Saint-Germain) – alles utopisch.

Dass die „Sport Bild“nun den Namen Denis Zakaria ins Spiel bringt, passt schon mehr zur Borussia, wie sie sich in den vergangene­n Jahren einen Namen gemacht hat und weiter machen muss. Der Schweizer Nationalsp­ieler ist 20 Jahre alt, hat bei den Young Boys Bern aber bereits zwei Jahre als Stammspiel­er hinter sich. Selbst so ein Mann dürfte zehn Millionen kosten. Mittlerwei­le überweist der Verein solche Summen zwar nicht mehr mit schwitzige­n Händen, aber eines der fünf größten Talente der Schweiz dürfte nicht nur in Gladbach auf dem Zettel stehen. Komfortabe­l ist dagegen die Lage auf den Außenbahne­n. Jonas Hofmann (den Hecking ebenfalls als eventuelle­n Sechser im Auge hat), Patrick Herrmann, Ibrahima Traoré und Fabian Johnson sind 24 bis 29 Jahre alt, können jeweils mehrere Positionen bekleiden und werden spätestens zur neuen Saison wohl alle langfris- tige Verträge haben. In Vincenzo Grifo (SC Freiburg) soll nach Informatio­nen unserer Redaktion einer dazustoßen, der mit einer Ablöse von sieben Millionen Euro ein Schnäppche­n wäre – und entwicklun­gsfähig. So üppig besetzt ist Borussia in keinem anderen Mannschaft­steil.

Angriff Sind Raffael und Lars Stindl fit, gibt es kaum Alternativ­en zu dem spiel- und torfreudig­en Duo. Thorgan Hazard, der klar gestellt hat, Borusse zu bleiben, wird jedoch mehr und mehr die Rolle des verletzung­sanfällig gewordenen Raffael und damit mehr Verantwort­ung übernehmen müssen. Im Gespräch mit unserer Redaktion hatte Trainer Dieter Hecking betont, verstärkt an einem „Plan B“arbeiten zu wollen, und der beinhaltet sicherlich einen Mann mit mehr Präsenz im Strafraum. André Hahn und Josip Drmic haben für die Rolle vorgespiel­t, waren einsatzfre­udig. Tore jedoch gab es zu wenige. Drmic‘ Zukunft ist nach der erneuten Knieverlet­zung fraglich und auch die von Hahn. Sind alle fit, wird er dritter oder vierter Mann vorne sein, die Aussicht dürfte ihn wenig reizen, er dürfte über eine Veränderun­g zumindest nachdenken.

Hecking braucht einen Plan-BStürmer, der verlässlic­h knipst. Die Job-Ausschreib­ung lautet weniger „klassische­r Mittelstür­mer“als vielmehr „spielender Knipser, im Strafraum zu Hause“. Nach unseren Informatio­nen könnte der Kanadier Cyle Larin (22, 1,87 Meter) ein Kandidat sein. Er hat in 67 Spielen für Orlando City 37 Tore gemacht, wurde von Borussia in New York beobachtet. Bundesliga­erfahrung hat ein anderer Nordamerik­aner: Bobby Wood. Der US-Nationalsp­ieler wäre aber wohl nur bei einem Abstieg des HSV machbar. So oder so dürfte Borussia bei den Investitio­nen nicht in Rekordsphä­ren vordringen. Interessan­t könnte ein Spieler wie Hoffenheim­s Mark Uth sein: Er hat eine gute Quote (neun in 21 Spielen, vier Assists), kann auch das Kombinatio­nsspiel mit Raffael, Stindl und Hazard und würde das Mittelstür­merGen als Mehrwert mitbringen.

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FOTO: IMAGO Soll sich für Borussia entschiede­n haben: Freiburgs Vincenzo Grifo ist in der Offensive vielseitig einsetzbar und hat eine Ausstiegsk­lausel.
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FOTO: IMAGO Denis Zakaria (20) aus Bern könnte Mo Dahoud beerben.
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FOTO: AP Cyle Larin (violettes Trikot) knipst in der Major League Soccer.

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