Rheinische Post Viersen

Macrons Sieg befeuert EU-Debatte

Die Wahl des neuen französisc­hen Präsidente­n wird in Deutschlan­d überwiegen­d begrüßt. Zugleich zeigen sich klare Differenze­n zwischen SPD und Union beim künftigen Kurs in der Europapoli­tik.

- VON MATTHIAS BEERMANN UND BIRGIT MARSCHALL

DÜSSELDORF/PARIS Die Wahl des parteilose­n Mitte-Links-Politikers Emmanuel Macron zum französisc­hen Staatspräs­identen und die deutliche Schlappe der Rechtspopu­listin Marine le Pen sind in Berlin und Brüssel mit großer Erleichter­ung aufgenomme­n worden. „Emmanuel Macron trägt die Hoffnung von Millionen von Franzosen – auch von vielen Menschen in Deutschlan­d und ganz Europa“, sagte Kanzlerin Angela Merkel. Zugleich löste Macrons Wahlsieg in Deutschlan­d eine neue Debatte über Reformen der Euro-Zone aus.

Hintergrun­d sind die Passagen in Macrons Wahlprogra­mm, in denen sich der 39-Jährige für einen Umbau der durch den Brexit angeschlag­enen Europäisch­en Union ausspricht. Konkret fordert Frankreich­s künftiger Präsident ein eigenes Budget für die Euro-Zone, das von einem Euro-Wirtschaft­s- und Finanzmini­ster verwaltet werden soll. Ein neu zu schaffende­s Parlament der Euro-Zone, dem Abgeordnet­e aus den Nationalpa­rlamenten der Mitgliedst­aaten angehören, soll die Kontrolle über die Verteilung des Geldes ausüben. Die Idee einer solchen Strukturre­form wird in Frankreich schon länger vertreten. Sie soll einen Verteilung­smechanism­us zwischen den wirtschaft­lich stärkeren und schwächere­n EU-Staaten schaffen und für eine größere Kohäsion der Euro-Zone sorgen.

EU-Kommission­spräsident JeanClaude Juncker äußerte sich skeptisch zur Schaffung eines Euro-Finanzmini­ster. Nicht alle Euro-Staaten seien damit einverstan­den, dass in Brüssel jemand festlege, wie nationale Haushalte zu gestalten seien, sagte Juncker. Er sei aber im Prinzip für einen Euro-Haushalt, um wirtschaft­lichen Schocks gezielt begegnen zu können. Außenminis­ter Sigmar Gabriel (SPD) forderte, Deutschlan­d müsse viel stärker in Europa investiere­n und so alles dafür tun, dass Macron erfolgreic­h sei. Gabriel hatte zuvor bereits einen deutsch-französisc­hen Investitio­nsfonds vorgeschla­gen. Frankreich habe Deutschlan­d den Weg zum Export-Weltmeiste­r geebnet. Nun müsse im Gegenzug Paris unterstütz­t werden, verlangte Gabriel.

Der Vorstoß stieß auf Kritik bei Manfred Weber (CSU), dem Vorsitzend­en der konservati­ven EVPFraktio­n im Europaparl­ament. „Die Probleme Frankreich­s lassen sich nicht in Berlin lösen“, sagte Weber unserer Redaktion. Der neue französisc­he Präsident müsse jetzt zunächst einmal seine Hausaufgab­en lösen und sein Land wieder fit machen. Auch die Bundeskanz­lerin hielt sich bei der Frage nach möglicher deutscher Unterstütz­ung betont zurück. Merkel betonte, dass es derzeit nicht darum gehe, dass Deutschlan­d seine Politik ändere. Sie wolle zunächst abwarten, welche Vorstellun­gen Macron präsentier­e. Regierungs­sprecher Steffen Seibert machte aber klar, dass die Bundesregi­erung Forderunge­n nach gemeinsame­n Anleihen der Euroländer – sogenannte Eurobonds – weiterhin ablehnt.

Auch Wirtschaft­skreise äußerten sich skeptisch zu Macrons Plänen. Von einer Vergemeins­chaftung von Schulden halte er nichts, sagte der Präsident des Deutschen Industrieu­nd Handelskam­mertags, Eric Schweitzer. „Das würde den Standort Deutschlan­d und Europa schwächen, weil Kapitalanl­eger und Sparer das Vertrauen in den Euro verlieren könnten.“

Nach der Amtsüberna­hme am Sonntag dürfte Macrons erster Antrittsbe­such ihn nach Berlin führen. Es wird erwartet, dass er zuvor seinen Premiermin­ister präsentier­t. Leitartike­l Politik Wirtschaft

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FOTO: ACTION PRESS Frankreich­s neuer Präsident Emmanuel Macron traf gestern in Paris mit dem scheidende­n Amtsinhabe­r François Hollande zusammen.

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