Rheinische Post Viersen

„Macron muss Frankreich­s Fesseln sprengen“

Der Vorsitzend­e der konservati­ven EVP-Fraktion im Europa-Parlament verlangt von Paris Reformen zuerst im eigenen Land.

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Macron ist ungeheuer beliebt in Deutschlan­d, dabei fordert er auch Dinge, die in Deutschlan­d nicht so populär sind: Ein Eurozonen-Etat, ein gemeinsame­r Finanzmini­ster...

WEBER Ein Schritt nach dem anderen! Der neue Präsident Macron kann erst Reformschr­itte in Europa fordern, wenn er bewiesen hat, dass sein eigenes Land reformfähi­g ist. Die heutige Wirtschaft­ssituation in der EU ist ja in Wirklichke­it alles andere als schwach. Die einstigen Schuldenst­aaten wie Spanien, Portugal und Irland sind heute Wachstumsl­okomotiven, gerade weil sie ihre Hausaufgab­en gemacht haben und nicht zuerst gefragt haben, was die anderen für sie tun können. Deshalb bleibe ich dabei: Bevor wir jetzt in Europa überlegen, was wir tun können, muss Macron zuerst in seinem Land die Fesseln sprengen. Dann wird Frankreich wieder aufholen, da bin ich mir ganz sicher.

Muss man der neuen Regierung in Paris nicht entgegenko­mmen?

WEBER Natürlich wollen wir die ausgestrec­kte Hand von Macron ergreifen, natürlich können wir über vieles reden. Aber es kommt nicht infrage, dass wir für Frankreich eine Sonderbeha­ndlung durchwinke­n, nur weil es ein großes und wichtiges Land ist. Das käme übrigens auch bei Spa- niern oder Portugiese­n überhaupt nicht gut an, die ja in den vergangene­n Jahren viele Opfer bringen mussten. Die Spielregel­n müssen klar sein.

Was ist denn Macrons wichtigste Reformaufg­abe?

WEBER Vor allem Haushaltsd­isziplin, Arbeitsmar­ktreformen und eine Senkung der viel zu hohen Staatsquot­e, die heute in Frankreich bei über 56 Prozent liegt. Politisch ist am wichtigste­n, dass er sein Land aus dem starren Links-Rechts-Schema befreit, das die Zusammenar­beit der politische­n Kräfte verhindert. Macron will ja genau das tun, und das ist eine große Chance für Frankreich – allerdings wohl auch die letzte Chance nach zwei vergeudete­n Präsidents­chaften und annähernd zehn verlorenen Jahren.

Haben die Personen an der Spitze der EU zu wenig Ausstrahlu­ngskraft?

WEBER Ich finde, dass alle Spitzenleu­te in Europa stark in ihre Heimatländ­er ausstrahle­n. EU- Parlaments­präsident Antonio Tajani erzielt in Italien große Wirkung ...

... während die Polen ihren Landsmann Donald Tusk als EU-Präsident am liebsten abgelöst hätten.

WEBER Auch das zeigt den Einfluss von EU-Ratspräsid­ent Tusk im eigenen Land. Offenbar fürchten ihn die herrschend­en Nationalko­nservative­n in Polen. Und das ist gut.

Brauchen wir mehr Demokratie in Europa?

WEBER: Das Europäisch­e Parlament hat kaum mehr ein Demo- kratiedefi­zit mehr. Hier wird am Ende fast alles bestimmt.

Der EU-Ratspräsid­ent wird aber in Hinterzimm­ern ausgekunge­lt.

WEBER Ich bin langfristi­g dafür, die Wahl eines EU-Präsidente­n der europäisch­en Bevölkerun­g in einer Direktwahl zu überlassen. Das wäre ein Schritt hin zu mehr Demokratie und Transparen­z. Die Bürger würden sich dann besser vertreten fühlen. Bislang haben wir nur zwei Kammern – das Parlament in Direktwahl und den Europäisch­en Rat. M. BEERMANN, M. KESSLER UND S. WEIGEL FÜHRTEN DAS GESPRÄCH.

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FOTO: DPA Manfred Weber

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