Rheinische Post Viersen

Die Herausford­erer

Sie haben mächtige Gegner: Daniela Jansen und Heiko Hendriks wollen die Wahlkreise von Armin Laschet und Hannelore Kraft gewinnen.

-

Daniela Jansen geht ein paar Schritte auf einen jungen Mann mit kurzen dunklen Haaren zu. „Wollen Sie das Glücksrad drehen?“, spricht sie ihn an und deutet auf den SPD-Infostand. Er macht mit und muss die Frage beantworte­n: „Wer ist Daniela Jansen?“Zur Auswahl stehen: a) Politikeri­n und Landtagsab­geordnete; b) Lehrerin oder c) Bundeskanz­lerin. Kurzes Nachdenken, dann tippt er auf „A“. Richtig, Jansen atmet auf. Alles andere wäre peinlich.

Jansen kennt dieses Gefühl. Lange musste die SPD-Kandidatin vor allem um eines kämpfen: überhaupt wahrgenomm­en zu werden. Denn die 39-Jährige tritt in Aachen-Süd an, dem Wahlkreis des NRW-CDUSpitzen­kandidaten Armin Laschet. 2012 hatte sie sich als Nobody in den Wahlkampf gestürzt – und schaffte aus dem Stand, was kaum jemand für möglich gehalten hatte: Mit 38,3 zu 34,1 Prozent gewann Jansen das Direktmand­at ausgerechn­et in Laschets Heimat. Für Spitzenkan­didaten ist es eine Frage der Ehre, den eigenen Wahlkreis zu gewinnen.

Jetzt ist Jansen die Titelverte­idigerin: „2012 war es anders, da konnte ich unbelastet­er reingehen.“Mit ihrem Team hat sie gut überlegt, wo sie Laschet dieses Mal packen kann. Heraus kam ihr Wahlkampfs­logan „#jansnahdra­n“. Sie höre immer wieder, dass die Leute in Aachen Laschet vorwerfen, er lasse sich zu selten blicken, er sei zu weit weg. Er scheine den Spitzenkan­didaten-Effekt zu überschätz­en.

Keine Frage, Jansen ist im Wahlkampfm­odus. Es geht um viel. Sollte sie verlieren, ist ihre noch junge politische Karriere höchstwahr­scheinlich schnell wieder beendet. Über die Reservelis­te der SPD ist die studierte Soziologin und Politologi­n jedenfalls nicht abgesicher­t. „Ich weiß nicht, was ich dann mache, ich denke nur bis zum Tag der Landtagswa­hl“, sagt sie. Haustürwah­lkampf bis spät am Abend, morgens früh raus, Kita eröffnen, Infostände und Straßenfes­te besuchen – und wieder von vorn. Von all dem erzählt Jansen in einem Tempo, als durchlebte sie den Stress gerade noch einmal.

Für die gebürtige Münsterlän­derin aus Ennigerloh kam nie etwas anderes infrage als die SPD: „Durch meine Oma, die seit 47 Jahren in der Partei aktiv ist, habe ich eine lange sozialdemo­kratische Geschichte.“Noch heute führe sie mit ihr intensi- ve Streitgesp­räche, weil sie politisch deutlich weiter links stehe als sie selbst. Nach Aachen kam sie 2002 der Liebe wegen. Ihren Mann Björn hatte sie im Internet kennengele­rnt, 16 Jahre ist das her. Er ist DiplomKauf­mann, war ebenfalls politisch aktiv als Ratsherr und Bürgermeis­ter. Heute ist er Kur- und Badedirekt­or in Aachen. Jansen selbst arbeitete in der Regionalag­entur, kümmerte sich um Arbeitslos­e, bis 2008 ihre Zwillinge zur Welt kamen.

Für sie war das nicht nur in privater Hinsicht ein Wendepunkt. Bis dahin hatte sie es für selbstvers­tändlich gehalten, dass eine Frau mit guter Ausbildung ihren Weg schon gehen werde. Sie habe zu grü- beln begonnen: „Warum wurden auf einmal alle meine Studienkol­legen Abteilungs­leiter, Projektman­ager mit Führungsve­rantwortun­g, verdienten mehr Geld als ihre Frauen und nahmen maximal zwei Monate Elternzeit?“2016 wurde sie Landesvors­itzende der Arbeitsgem­einschaft sozialdemo­kratischer Frauen (AsF), im Landtag leitet sie den Gleichstel­lungsaussc­huss. Sie arbeitete unter anderem daran, die Situation obdachlose­r Frauen und Langzeitar­beitsloser zu verbessern, setzte sich für die anonyme Spurensich­erung nach Vergewalti­gungen ein.

In den nächsten Tagen gilt’s. Einen Tag vor der Wahl kommt es zum Showdown: Am 13. Mai tritt Armin Laschet in Aachen-Burtscheid vor dem traditions­reichen Abteitor auf. Mit der Kanzlerin. Daniela Jansen war auch schon da. Auf ihren neuesten Plakaten ist im Hintergrun­d ein historisch­es Gebäude zu sehen: das Abteitor. Kirsten Bialdiga

Die Menschen in Heißen und die im ganzen übrigen Wahlkreis „Mülheim an der Ruhr I“lassen sich vermutlich in zwei Gruppen einteilen. Da sind die, die Hannelore Kraft wählen, und die, die sie nicht wählen. Man kennt den Namen Heißen von der Autobahnau­sfahrt der A40 und weil es dort das Rhein-Ruhr-Zentrum gibt. Der Name der nordrhein-westfälisc­hen Ministerpr­äsidentin steht symptomati­sch für das Dilemma, in dem Heiko Hendriks, der dortige Landtagska­ndidat der CDU, steckt. „Und wäre das nicht schon genug“, sagt der 51-Jährige, „habe ich mit Gesundheit­sministeri­n Barbara Steffens von den Grünen noch eine weitere prominente Kontrahent­in hier.“

Es scheint ein ungleicher Kampf zu sein im roten, aber nicht tief roten Mülheim. Auf der einen Seite die Landeschef­in, die bei der Wahl vor fünf Jahren fast 60 Prozent der Erststimme­n in ihrem Wahlkreis erhielt, auf der anderen „nur“ein Landtagsab­geordneter, der 2014 ins Düsseldorf­er Parlament nachgerück­t ist. Doch so einfach und klar, wie es sich auf dem Papier liest, sind die Verhältnis­se offenbar dann doch nicht. Irgendetwa­s sei diesmal anders als 2012, meint Hendriks. Es liege etwas in der Luft, der Ruf nach Veränderun­gen werde bei den Mülheimern lauter. Wechselsti­mmung nennt Hendriks das. Das spüre er deutlich.

Als CDU-Kandidat muss er das natürlich auch sagen. Aber wer in diesen Tagen bei den Mülheimern genauer hinhört, merkt, dass es bei ihnen eine gewisse Unzufriede­nheit mit „ihrer Hannelore“gibt, auf die die Mülheimer, das räumt auch Hendriks ein, ansonsten schon stolz sind, weil es eine aus ihrer Stadt an die Spitze des Landes geschafft hat.

Wegen seiner Umtriebigk­eit nennen seine Parteifreu­nde Hendriks, der auf Listenplat­z 37 steht, manchmal liebevoll den „Hans Dampf in allen Gassen“. „Geboren wurde ich in Duisburg. Ich bin evangelisc­h und wohne seit 1978 in Mülheim an der Ruhr. Nach dem Abitur habe ich meinen Wehrdienst in Wuppertal abgeleiste­t und anschließe­nd Sozialwiss­enschaften, Psychologi­e und Pädagogik studiert.“Das ist die Kurzform seiner Vita. In der Langfassun­g würde auf jeden Fall stehen, dass er gerne kocht für seine Partnerin Andrea. Am liebsten asiatisch. „Dabei kann ich gut abschalten.“

Es ist Donnerstag. Markttag in Heißen. Hendriks und sein Wahl- kampfteam haben dort ihren Stand aufgebaut. Nirgends könne man die Stimmung in der Bevölkerun­g besser messen als auf einem Wochenmark­t. Routiniert hält Hendriks Ausschau nach Menschen, denen er seine Politik näherbring­en kann. Seine 25 Jahre im Straßenwah­lkampf machen sich jetzt bezahlt. „Da weiß man schon, wen man ansprechen kann und bei wem man es besser sein lässt“, sagt er. Lange muss er nicht suchen. Er kommt schnell ins Gespräch, und die Leute hören ihm zu, wenn er über Bildung, Infrastruk­tur – „Ich will, dass es flächendec­kend 24-Stunden-Baustellen gibt“– und natürlich Innere Sicherheit spricht. Den Anschlag auf den Berliner Weih- nachtsmark­t, davon sei er überzeugt, hätte es unter einem CDU-Innenminis­ter in NRW nicht gegeben. „Den Amri hätten wir vorher weggesperr­t.“Dafür erhält er Zustimmung.

Die Leute nehmen ihm ab, was er sagt, weil es ehrlich klingt, nicht aufgesetzt oder auswendigg­elernt. Hendriks ist im besten Sinne wohl das, was man einen Überzeugun­gstäter nennt, der auch quer zur Parteimein­ung liegen kann, etwa wenn er sagt, dass er es gut finde, dass die SPD bundesweit wieder über 30 Prozent liege, weil das gut für die Demokratie sei. Auch über Kraft verliert er trotz aller Rivalität kein schlechtes Wort. Er pflege ein kollegiale­s Verhältnis zu ihr – anders als mit Steffens, mit der er nicht gut zurechtkäm­e. Als ein älterer Mann auf dem Heißener Markt von ihm wissen will, ob er tatsächlic­h daran glaube, gegen Kraft gewinnen zu können, hebt Hendriks trotzig den Kopf und lacht. „Natürlich, sonst würde ich das alles doch nicht machen.“Christian Schwerdtfe­ger

 ?? FOTO: BRETZ ?? Heiko Hendriks (51, CDU) kämpft in seinem Wahlkreis in Mülheim gegen Ministerpr­äsidentin Hannelore Kraft (SPD) um das Direktmand­at.
FOTO: BRETZ Heiko Hendriks (51, CDU) kämpft in seinem Wahlkreis in Mülheim gegen Ministerpr­äsidentin Hannelore Kraft (SPD) um das Direktmand­at.
 ?? FOTO: LAASER ?? Daniela Jansen, (39, SPD), hatte dem CDU-Spitzenkan­didaten Armin Laschet 2012 das Direktmand­at in dessen Heimatkrei­s Aachen-Süd abgenommen.
FOTO: LAASER Daniela Jansen, (39, SPD), hatte dem CDU-Spitzenkan­didaten Armin Laschet 2012 das Direktmand­at in dessen Heimatkrei­s Aachen-Süd abgenommen.
 ?? FOTO: DPA ?? Ministerpr­äsidentin Hannelore Kraft (SPD)
FOTO: DPA Ministerpr­äsidentin Hannelore Kraft (SPD)
 ?? FOTO: DPA ?? Armin Laschet kämpft um ein Direktmand­at.
FOTO: DPA Armin Laschet kämpft um ein Direktmand­at.

Newspapers in German

Newspapers from Germany