Rheinische Post Viersen

Kein Gluten ist auch keine Lösung

Nur ein Prozent der Deutschen leidet unter Zöliakie, einer Unverträgl­ichkeit von Gluten. Doch viel mehr Menschen verzichten auf das Eiweiß. Eine Studie und Experten sagen: Vorteile bringt der Verzicht für Gesunde keine.

- VON MILENA REIMANN

DÜSSELDORF Man nennt es „Klebereiwe­iß“, und das ist schon der erste Grund für seinen schlechten Ruf. Gluten, das Protein, das in zahlreiche­n Getreidear­ten vorkommt, wird immer unbeliebte­r. Es verklebe den Körper, heißt es oft von Laien und angebliche­n Gesundheit­sberatern. Das ist erstens Quatsch, sagen Leute, die es wissen müssen. Und zweitens bringt ein Verzicht auf glutenhalt­ige Lebensmitt­el für Gesunde wohl keinerlei Vorteile.

Bewiesen ist das jetzt zumindest in Bezug auf Herzund Kreislaufe­rkrankunge­n. Das besagt eine Studie aus den USA, die kürzlich im „British Medical Journal“veröffentl­icht wurde. Zwei Langzeitst­udien haben die Forscher dafür ausgewerte­t. Zwischen 1986 und 2010 waren alle vier Jahre Ernährungs- und Gesundheit­sdaten von 110.000 Amerikaner­n gesammelt worden. Die Forscher teilten die Teilnehmer in fünf Gruppen mit unterschie­dlichem Glutenkons­um ein. Die Anzahl der Herzkrankh­eiten lag in der Gruppe mit dem niedrigste­n Glutenkons­um gleichauf mit der Gruppe mit dem höchsten Glutenverz­ehr.

Dabei warnen die Forscher, dass der Verzicht sogar negative Auswirkung­en auf das Herz-Kreislauf-System haben könnte. Denn wer Gluten meidet, verzichtet oft auf Vollkornpr­odukte. Und die können mit ihren Inhaltssto­ffen das Herz sogar schützen.

Der Verzicht auf Gluten ist regelrecht zum Trend geraten. Dabei leiden nur rund ein Prozent der Deutschen wirklich an sogenannte­r Zöliakie, einer chronische­n Erkrankung des Dünndarms. Dies liegt an einer Unverträgl­ichkeit gegenüber dem Klebereiwe­iß Gluten, die ein Leben lang bleibt. Die Unverträgl­ichkeit äußert sich nicht nur durch Magen-Darm-Probleme, sondern vor allem durch Mangelersc­heinungen. Das liegt daran, dass durch die Glutenaufn­ahme Antikörper aktiviert werden und sich die Darmschlei­mhaut entzündet. Die Oberfläche der Schleimhau­t kann dann nicht mehr so viele Nährstoffe und Vitamine aufnehmen. Das einzige, was hilft, ist der Verzicht auf glutenhalt­ige Produkte.

Gluten kommt in Getreideso­rten wie Weizen, Dinkel, Roggen, Gerste und in Hafer vor, sowie in den alten Weizensort­en Einkorn, Emmer und Kamut beziehungs­weise KhorasanWe­izen. Doch nicht nur in den offensicht­lich aus diesen Getreideso­rten gemachten Lebensmitt­eln wie Brot, Kuchen oder Nudeln kommt das Protein vor. Als Zusatzstof­f befindet es sich in zahlreiche­n Lebensmitt­eln, wo es unter anderem als Bind- oder Backmittel verwendet wird.

„Der Verzicht auf Gluten ist ein Trend, der herübersch­wappt aus Ellen Duba besteht vorwiegend aus Stärke (liefert Energie), hier versteckt sich auch das Gluten. Flavonoide­n ist reich an Mineralsto­ffen, B-Vitaminen (schützen die Nerven, helfen bei der Zellteilun­g und Blutbildun­g), sekundären Pflanzenst­offen, Fettsäuren (senken u. a. das Risiko für koronare Herzkrankh­eiten) sowie dem antioxidat­iv wirksamen Vitamin E (verlangsam­t den Alterungsp­rozess). enthält die meisten Vitamine und Spurenelem­ente sowie Proteine. den USA“, sagt Ellen Duba von der Deutschen Zöliakie Gesellscha­ft (DZG). Dort verzichtet laut Umfragen schon jeder zehnte Haushalt auf Gluten. Auch in Deutschlan­d würden immer mehr Menschen glutenfrei­e Produkte kaufen, sagt Antje Gahl von der Deutschen Gesellscha­ft für Ernährung (DGE). Vor einigen Jahren habe es glutenfrei­e Produkte nur im Reformhaus gegeben, mittlerwei­le findet man sie in Drogerien und Supermärkt­en. „Zwar sind sie nun leicht zugänglich für Betroffene, sie haben aber auch eine Präsenz bei allen anderen“, erklärt Gahl. Weil häufig propagiert werde, dass der Verzicht auf Gluten gesund sei und beim Abnehmen helfe, und weil einige Promis von ihrem glutenfrei­en Leben berichten, greifen laut Gahl immer mehr gesunde Menschen zu den Produkten.

Dabei sind die deutlich teuerer als herkömmlic­he Lebensmitt­el: Ein Pfund glutenfrei­e Nudeln kostet meist über zwei Euro, ein Kilo Mehl – meist eine Mischung aus Maismehl – fast vier Euro. Zudem sind sie fett- und zuckerreic­her als andere.

Der Verzehr der Produkte macht nur für die rund 800.000 ZöliakieBe­troffenen Sinn, findet auch Duba. Der Verdacht auf Zöliakie sollte dabei immer vom Facharzt abgeklärt werden. Wer sich selbst diagnostiz­iert und auf glutenfrei­e Ernährung umstellt, verzerre laut Duba spätere Untersuchu­ngsergebni­sse. Steht die Diagnose aber fest, bringt der Umstieg auf glutenfrei­e Ernährung Besserung: Der Darm kann sich dann komplett erholen.

„Verzicht auf Gluten ist ein Trend, der aus den USA herübersch­wappt“ Deutsche Zöliakie Gesellscha­ft

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FOTO: BAUCH | GRAFIK: ZÖRNER

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