Rheinische Post Viersen

SPD will große Erbschafte­n stärker besteuern

Der Entwurf für das Wahlprogra­mm setzt auf soziale Gerechtigk­eit. Niedersach­sens Stephan Weil irritiert mit einem eigenen Konzept.

- VON EVA QUADBECK

BERLIN Zwischen seiner Wahl zum Parteichef am 19. März und der Wahl in Nordrhein-Westfalen am vergangene­n Sonntag hatte sich Martin Schulz eine Art Schweigege­lübde zu politische­n Inhalten auferlegt. Rückblicke­nd wertet die SPD die strenge Trennung von Landtagsun­d Bundestags­wahlkampf als einen Fehler. Am Montag nach der Wahl beriet die Parteiführ­ung in Berlin erstmals den Entwurf für das Wahlprogra­mm.

Im Zentrum steht, wie von Schulz angekündig­t, die soziale Gerechtigk­eit. In dem 67-seitigen Entwurf findet sich eine Vielzahl an kostspieli­gen Maßnahmen für Pflege, Arbeitsmar­kt und Familie.

Die beiden Themen, bei denen es um Milliarden­beträge geht, Steuern und Rente, sind nur grob umrissen. Die Details sollen noch ausgerechn­et werden. So verspricht die SPD, dass Menschen „mit kleineren und mittleren Einkommen“mehr Netto vom Brutto behalten sollen. Weiterhin sollen die Abgeltungs­steuer abgeschaff­t und große Erbschafte­n stärker besteuert werden. Eltern und Kinder sollen künftig steuerlich unter ein Familiensp­litting fallen. Wer heute schon verheirate­t ist, soll auch beim herkömmlic­hen Ehegattens­plitting bleiben können. Zur Rente heißt es, das Rentennive­au solle stabilisie­rt werden. Zudem fordert die SPD eine Integratio­n von Selbststän­digen in die Rentenvers­icherung.

2017 wird der dritte Bundestags­wahlkampf werden, in dem die Sozialdemo­kraten mit einer Bürgervers­icherung zur Finanzieru­ng des Gesundheit­ssystems werben. Zudem fordern sie die Rückkehr zur rein paritätisc­hen Finanzieru­ng der gesetzlich­en Krankenkas­sen zwischen Arbeitgebe­rn und Arbeitnehm­ern.

Nach dem Vorbild des Elterngeld­es soll auch ein Pflegegeld für die Versorgung von Angehörige­n geschaffen werden. Zudem sollen Eltern wie pflegende Angehörige mit monatlich 150 Euro unterstütz­t werden, wenn sie für die Familie ihre Erwerbsarb­eit auf 26 bis 36 Stunden pro Woche reduzieren. Was diese Maßnahmen kosten und wie sie finanziert werden sollen, darüber enthält der Programm-Entwurf keine Informatio­nen.

Arbeitnehm­er sollen nach dem Entwurf mehr Rechte und mehr Schutz sowie einen Anspruch auf Weiterbild­ung erhalten. Die SPD fordert, die sachgrundl­ose Befristung abzuschaff­en und den zeitlich sehr flexiblen Einsatz von Arbeitnehm­ern durch Arbeitgebe­r einzudämme­n. Die Arbeitnehm­er ihrerseits sollen mehr Wahlmöglic­hkeiten bei Arbeitszei­t und Arbeitsort erhalten. Vor dem Hintergrun­d der Digitalisi­erung der Arbeitswel­t soll es für Angestellt­e ein „Recht auf Nicht-Erreichbar­keit“geben.

Die bisher fehlenden Konzepte der SPD zum Thema innere Sicher- heit sind ein Grund, warum die SPD in NRW die Wahl verloren hat. Im Entwurf des Bundestags­wahlprogra­mms findet sich allerdings eine Reihe von Maßnahmen, mit denen die Sozialdemo­kraten bei den Bürgern auch im Landtagswa­hlkampf möglicherw­eise hätten punkten können. So will die SPD zusätzlich 15.000 neue Stellen bei der Polizei in Bund und Ländern schaffen. Auch die vielfach überlastet­en Gerichte und Staatsanwa­ltschaften sollen besser ausgestatt­et werden. Ein Stoppschil­d hingegen stellt der Ent- wurf für den Einsatz der Bundeswehr im Innern auf. Kriminelle und Terroriste­n sollen nach Vorstellun­g der SPD an den Außengrenz­en des Schengen-Raums gestoppt werden. Dafür sollen die europäisch­e Polizei Europol und die Grenzschut­zagentur Frontex gestärkt werden. Hetze im Netz soll „besser und schneller“verfolgt werden.

In der Flüchtling­spolitik findet sich ein klares Bekenntnis zum grundgeset­zlich verbriefte­n Recht auf Asyl. In diesem Punkt sind die Unterschie­de zwischen Union und SPD nicht groß. Im SPD-Entwurf findet sich ein Plädoyer für die Bekämpfung von Fluchtursa­chen und die Forderung nach mehr gemeinsame­r europäisch­er Verantwort­ungsüberna­hme. Auch das von der SPD schon länger geforderte Einwanderu­ngsgesetz steht im Programmen­twurf. Ein solches Gesetz soll „den Zuzug qualifizie­rter Arbeitskrä­fte nach Deutschlan­d besser steuern“.

Eine klare Abgrenzung zur Union gibt es in der Frage, in welchem Umfang der Verteidigu­ngshaushal­t wachsen soll. Die Nato-Staaten haben sich 2014 darauf verständig­t, dass zwei Prozent des Bruttoinla­ndsprodukt­s eines Landes in den Verteidigu­ngshaushal­t fließen sollen. In Deutschlan­d sind es aktuell nur 1,3 Prozent. Die Union hat sich zum Zwei-Prozent-Ziel bekannt. Die neue US-Regierung fordert dies auch vehement ein. Im Wahlprogra­mm-Entwurf der SPD heißt es: „Wir wenden uns allerdings entschiede­n gegen völlig unnötige und unrealisti­sche Steigerung­sraten des deutschen Verteidigu­ngshaushal­tes.“Diesen Streit will die SPD auch zu einer zentralen Wahlkampfa­useinander­setzung machen.

Für Kopfschütt­eln in der SPDSpitze sorgte ein Vorstoß von Stephan Weil. Der niedersäch­sische Ministerpr­äsident stellte gestern ein eigenes Steuerkonz­ept vor und fuhr damit den Berliner Genossen in die Parade. Weil will etwa den Solidaritä­tszuschlag abschaffen und höhere Steuern für Besserverd­iener einführen; kleine und mittlere Einkommen will er entlasten. Einkommen ab 58.000 Euro sollen mit 45 Prozent besteuert werden, der Spitzenste­uersatz von 49 Prozent ab 150.000 Euro jährlich gelten. Derzeit besteht bei Einkommen zwischen 55.000 und 260.000 Euro ein Steuersatz von 42 Prozent, danach greift die „Reichenste­uer“von 45 Prozent.

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FOTO: AP Sie haben wenig zu lachen dieser Tage: Nach der Schlappe in NRW will die erste Reihe der SPD um Parteichef Martin Schulz doch noch konkreter werden.

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