„Wir sind kein Verein für Finanzinvestoren“
Borussias Geschäftsführer spricht über die Planungen für die neue Saison, die Situation in der Fanszene und neue Modelle, Geld zu generieren.
MÖNCHENGLADBACH Die Fakten der just abgelaufenen Saison liegen auf dem Tisch: Borussia ist Neunter und wird in der nächsten Saison erstmals seit 2013 nicht international spielen. Geschäftsführer Stephan Schippers spricht im Interview mit Karsten Kellermann und Jannik Sorgatz über die Lage bei Borussia.
Herr Schippers, in den vergangenen Tagen wurde mit sehr großen Summen hantiert, die Borussia auf dem Transfermarkt ausgeben könne. Warum sind keine Riesenausgaben zu erwarten?
SCHIPPERS Zum einen haben wir im Winter mit „Kolo“schon den ersten Transfer für die neue Saison getätigt, zum anderen die Verträge mit Führungsspielern wie Lars Stindl, Tony Jantschke, Ibo Traoré, Fabian Johnson und Yann Sommer verlängert. Wenn wir uns nicht international qualifizieren und keine Schulden für Spielertransfers machen wollen, dann haben wir immer noch gute Möglichkeiten – aber Dimensionen von 30 bis 40 Millionen Euro sind unrealistisch. Wir müssen genau hingucken, wie wir uns verstärken wollen. Es gilt aber auch zu bedenken: Wir haben eine sehr gute Mannschaft, hatten in dieser Saison aber ein großes Problem mit vielen und langwierigen Verletzungen.
Sie gelten als „Herr der Zahlen“bei Borussia. Müssen Sie den Leuten detaillierter als früher erklären, wo genau der Verein sein Geld investiert?
SCHIPPERS Dass alles im Hintergrund unternehmerisch geführt werden muss, um den Klub zu steuern, ist selbstredend. Aber in erster Linie ist der Fußball immer noch ein Spiel mit all seinen Emotionen. Ich bekomme in den sozialen Netzwerken mit, wie die Fans unseren Umsatz analysieren: 196 Millionen Euro im vergangenen Jahr, zum zweiten Mal Champions League, dazu der Ausnahmetransfer von Granit Xhaka. Solche Verhältnisse sind für Borussia Mönchengladbach nicht selbstverständlich, und daran lässt sich durchrechnen, wie ein normaler Umsatz ohne Europapokal aussehen wird. Da reden wir von 140 bis 150 Millionen Euro. Unter den gleichen Rahmenbedingungen haben wir 2013 übrigens 90 Millionen Umsatz gemacht. Der Fußball im Allgemeinen und Borussia im Speziellen sind einfach gewachsen, und damit die Anforderungen an den wirtschaftlichen Bereich.
Wie sehr ärgern Sie vor diesem Hintergrund die verpassten Chancen in der Liga, im DFB-Pokal und in der Europa League?
SCHIPPERS Natürlich ärgert mich das, aber wir müssen die Saison als Ganzes analysieren. Wir hatten 17 Punkte nach 17 Spielen, haben dann die zweitbeste Rückrunde der letzten zwei Jahrzehnte gespielt, sind vorher in der Champions League Gruppendritter geworden, mit Spielen gegen Barcelona und Manchester City, hatten dieses wunderbare Spiel in Florenz in der Europa League. Klar, das Ausscheiden gegen Schalke und Frankfurt war bitter, und natürlich ärgert es mich zusätzlich mit Blick aufs Finanzielle. Aber da mussten wir erst einmal hinkommen. Und schauen Sie sich an, wie eng die Liga ist. Da sind Mannschaften, mit denen niemand gerechnet hat, und die weit mehr für ihren Spielerkader ausgeben als wir, in Abstiegsnot geraten.
Bereitet das einem als Geschäftsmann Angst, wie unberechenbar alles geworden ist?
SCHIPPERS Angst ist immer der falsche Berater. Aber die Unberechenbarkeit des Sports führt eben dazu, dass man nur Dinge macht, die man vertreten kann, und solche lässt, die man nicht vertreten kann. Die Substanz im Klub muss so gesund sein, dass sie dich in schwierigen Situationen tragen kann und dass die Fans dies verstehen können.
Ist dieses Verständnis denn noch da? Der Eindruck in der abgelaufenen Saison war oft ein anderer.
SCHIPPERS Wir haben eine sehr aufgeklärte Fanszene. Daran hat sich nichts geändert. Dass die Ultras wegen der zerstörten Choreo sauer waren, ist doch verständlich. Sie haben sich enorm viel Mühe gemacht, die Choreo hat Geld gekostet. Aber deshalb würde ich das Kind jetzt nicht mit dem Bade ausschütten wollen. Wir werden die Sommerpause nutzen, um mit allen Seiten zu sprechen.
Es ging aber nicht nur um die Ultras. Gerade in den letzten beiden Heimspielen war die Unzufriedenheit auf den Rängen insgesamt sehr groß.
SCHIPPERS Unsere große Stärke im Borussia-Park war immer die Geschlossenheit unserer Fanszene, das war ein Bollwerk, das unsere Mannschaft getragen hat. In der Regel geht unsere Fangemeinde mit der Thematik Anspruchshaltung auch sehr realistisch um. Das hat uns bei der Entwicklung der letzten Jahre sehr geholfen. Wir dürfen nicht vergessen, dass wir neben Bayern und Dortmund der einzige Klub sind, der sechs Jahre in Folge einstellig geblieben ist. In der nationalen Fernsehgeldtabelle sind wir Dritter. Das heißt, in den letzten fünf Jahren waren in der Bundesliga nur die Bayern und Dortmund stabiler als wir. Natürlich sind wir dieses Jahr Neunter geworden, aber wir haben von Anfang an betont, dass das für uns völ- lig im Rahmen ist. Wir hätten am letzten Spieltag noch Siebter werden können, aber all das ist kein Selbstläufer. Nach wie vor müssen wir sehr gut aufgestellt sein und andere Klubs müssen patzen, damit wir ganz oben reinrutschen können.
Aspekte wie die Platzierung in der Fernsehtabelle scheinen den Fans aber zum einen nicht unbedingt bewusst zu sein, zum anderen werden sie vielleicht auch nicht für relevant gehalten.
SCHIPPERS Das ist auch gar nicht nötig. Wie gesagt, der Fußball ist eine emotionale Angelegenheit und lebt davon, dass am Wochenende der Ball rollt. Und wenn wir zurückblicken, wo Borussia 2010 war und wo sie heute ist, dann bin ich mir sicher, dass das unseren Fans genauso bewusst ist. Wir arbeiten mit einer großen inneren Ruhe und Konsequenz an der Zukunft des Vereins.
Selbst wenn nur zehn Prozent mit der Gesamtentwicklung Borussias unzufrieden sind, dringen die mit ihrer Kritik jedoch laut durch. Bei einem Pfeifkonzert im Stadion ist es ja auch nicht so, dass 15.000 Fans aktiv pfeifen, sondern vielleicht 1500.
SCHIPPERS Das war in den letzten beiden Heimspielen auffällig, aber wenn die Mannschaft keinen guten Fußball spielt und Chancen liegen lässt, sind Pfiffe auch mal nachvoll- ziehbar. Es geht aber nicht, dass einzelne unserer Spieler ausgepfiffen werden. Das Gesamtklima muss stimmen, und ich bin mir sicher, dass das bei unseren Fans eigentlich der Fall ist.
Unterm Strich ist es also nicht verkehrt, dass jetzt Pause ist?
SCHIPPERS Es war eine sehr lange Saison, nicht nur für die Spieler. Wir haben die meisten Spiele aller Bundesligavereine gemacht, und die Fans haben uns überall hin begleitet, haben Urlaub genommen, Geld investiert, Reisestrapazen auf sich genommen. Die Saison war auch für die Fans anstrengend. Wir lassen alles ein wenig sacken. Und dann nehmen wir die Gespräche mit den verschiedenen Fangruppierungen wieder auf, um alle zusammen wieder auf einen gemeinsamen Nenner zu kommen.
Seit ein paar Monaten schauen Sie aus Ihrem Büro auf eine Baustelle. Haben Sie das fertige Gebäude schon vor Augen?
SCHIPPERS Das bereitet uns tatsächlich großen Spaß. Wir haben vier, fünf Jahre an dem Projekt gearbeitet. Jetzt wird gebaut und inzwischen steht das komplette Erdgeschoss. Für diesen Klub ist das ein enorm wichtiger Schritt. Mittel zum Zweck, wie ich immer betone, und kein Selbstzweck. Viele reden nur von dem Hotel, aber das wird nur 44 Prozent des Gebäudes ausmachen. Ein riesiger Fanshop und unserer Fohlenwelt mit jeweils 1000 Quadratmetern Fläche kommen dort hinein. Wir werden mit unserem Rehazentrum rüberziehen und werden künftig die Mannschaftsärzte vor Ort haben. Das bedeutet noch mehr Professionalisierung. Theoretisch kann ein Gladbach-Fan bald von Freitag bis Sonntag hier den Heimspielbesuch genießen.
Was löst der Vorwurf, Borussia investiere „in Steine statt in Beine“bei Ihnen aus?
SCHIPPERS Das greift zu kurz. Würden wir nicht bauen, hätten wir kein Darlehen von der Postbank über 21 Millionen Euro erhalten, ohne den Neubau hätte diese Summe also nicht dem Profibereich zur Verfügung gestanden. Fest steht: Nach der Eröffnung im Herbst 2018 werden wir sofort Geld mit dem Gebäude verdienen. Es gibt auch noch die Komponente, dass uns das Hotel mehr Veranstaltungen abseits des Fußballs ermöglicht, weil wir mit dem Borussia-Park allein an unsere Grenzen stoßen.
Auf dem Transfermarkt investiert Borussia mehr und mehr in junge Spieler. Bieten Talente wie Mickaël Cuisance vor allem die Perspektive, sie in ein paar Jahren mit großem Gewinn weiterzuverkaufen?
SCHIPPERS Nicht in erster Linie. Sie machen den ersten Schritt in ihren Klubs, machen den zweiten mit dem Wechsel in die Bundesliga, dann kommt vielleicht noch ein dritter wie bei Granit Xhaka, der noch einmal hier verlängert hat, um dann den vierten Schritt mit einem Wechsel in die europäische Spitze zu machen. Genau das macht uns Spaß, weil solche Spieler uns in den drei bis fünf Jahren, die sie hier sind, enorm weiterhelfen. Das ist unsere Philosophie, und letzten Endes kannst du es einem Spieler nicht übel nehmen, wenn er irgendwann den nächsten Schritt machen will. Das Geld, das am Ende dabei herauskommt, ist ohnehin Teil des Systems, am wichtigsten ist der Weg dorthin.
Eine weitere Komponente beim Geldverdienen könnten in Zukunft strategische Partner sein, auch in Form von Investoren, die Anteile kaufen. Würden die Fans da mitgehen?
SCHIPPERS Ich glaube nicht, dass es heißen würde, der Verein verrate seine Ideale. Alle wissen, dass wir als Borussia ein strikter Verfechter der 50+1-Regel sind, trotzdem muss man die Augen offen halten. Es gibt gute und schlechte Beispiele innerhalb des Profifußballs. Manche Kommerzialisierungstendenzen überspannen zweifellos den Bogen. Aber ich finde, dass es Bayern München richtig clever gemacht. Die Bayern haben als Klassenprimus an drei Partner Anteile zu je 8,33 Prozent verkauft, in der Summe 24,99 Prozent. Das war für die Partner das gesellschaftsrechtliche Hinterlegen eines strategischen Sponsorings.
Wie konkret sind solche Überlegungen bei Borussia?
SCHIPPERS Ich will gar keine Diskussion anheizen, weil wir über so ein Modell momentan gar nicht nachdenken. Aber ganz sicher ist, dass wir keine Anteile an einen Investor veräußern würden, um einmalig eine große Summe zu verdienen. In dem Fall könnte ich die Fans verstehen, wenn sie da nicht mitgingen. Wir sind kein Verein für Finanzinvestoren oder private Mäzene. Perspektivisch reden wir vielleicht irgendwann einmal über drei bis fünf strategische Partner, die ihr Sponsoring gesellschaftsrechtlich unterlegen wollen.