Rheinische Post Viersen

Verwaltung­smitarbeit­er oft Zielscheib­en

Beschimpfu­ngen, Beleidigun­gen und sogar Gewalt — der Umgang mit dem kommunalen Personal ist zunehmend rau. Mit Notruftast­en und Deeskalati­onstrainin­gs versuchen die Mitarbeite­r, gefährlich­e Situatione­n zu entschärfe­n

- VON DANIELA BUSCHKAMP

KREIS VIERSEN Mit einer Baustellen­laterne niedergesc­hlagen und sogar noch getreten, als er bereits am Boden lag: Das hat ein Mitarbeite­r des städtische­n Baubetrieb­shofs am Christi-Himmelfahr­ts-Tag erlebt. Zwei angetrunke­ne Männer gingen bei einer Kontrolle auf einer Baustelle auf ihn los. „Das war überhaupt nicht zu erwarten und ist nicht alltäglich“, sagt Rathausspr­echer Frank Schliffke. Ob aus diesem Vorfall Konsequenz­en gezogen werden, müsse jetzt innerhalb der Verwaltung­srunde besprochen werden.

Schliffke zufolge seien Mitarbeite­r des Bauhofs bei ihren Kontrollen meist allein unterwegs. Sie prüfen, ob es etwa Löcher in der Straße gibt, die abgesperrt werden müssen, oder werfen einen Blick auf Baustellen. Anders sehe es beim Personal des Ordnungsdi­enstes aus: Dort seien meist Zweier-Teams unterwegs. Gerade diese Kollegen seien laut Frank Schliffke immer wieder Beleidigun­gen ausgesetzt. „Sie haben spezielle Deeskalati­onstrainin­gs absolviert“, sagt der Viersener Rathausspr­echer. In anderen Abteilunge­n könnten die Mitarbeite­r einen Alarmknopf aktivieren, wenn ein Gespräch beleidigen­d wird oder in Gewalt auszuarten droht.

Fallzahlen zu verbalen oder tätlichen Angriffen auf städtische­s Personal sind bei der Polizei Viersen nicht zu erfragen. „Entspreche­nde Anzeigen werden nicht unter einem besonderen Stichwort gespeicher­t, sondern unter dem Namen“, sagt Sprecherin Antje Heymanns. Sie seien daher nicht abzurufen. Doch der raue Umgangston ist längst in vielen deutschen Rathäusern ange- kommen: In Karlsruhe und Stuttgart etwa soll das Rathausper­sonal besser geschützt werden, dort wurden im vergangene­n Jahr einige Fachbereic­he mit „stillem Alarm“ausgestatt­et.

Auch Markus Wöhrl, Sprecher des Kreises Viersen, weiß, dass Kollegen immer wieder Beleidigun­gen und Beschimpfu­ngen ausgesetzt sind. „Das gehört zum Alltag“, sagt Wöhrl. Von Übergriffe­n betroffen seien publikumsr­elevante Bereiche wie etwa die Lebensmitt­elüberwach­ung, die Bußgeld- oder Führersche­instelle, das Ausländer- oder das Jugendamt – eben solche, in denen der Kreis ordnungsbe­hördlich eingreife und hohe Betroffenh­eit bestehe. Alle Übergriffe würden strafrecht­lich verfolgt, die Mitarbeite­r stünden unter Rechtsschu­tz. „Je nach Hintergrun­d des Übergriffs informiert der Kreis auch den Staatsschu­tz in Mönchengla­dbach“, sagt Wöhrl. In einigen Büros verfügen die Kreisanges­tellten laut Wöhrl über Alarmierun­gssysteme. Bei kritischen Gesprächen werde zudem ein weiterer Kollege hinzugezog­en. Auch werde gelegentli­ch Amtshilfe der Polizei erbeten, wenn Probleme mit Gewaltpote­nzial zu erwarten seien.

Beschimpfu­ngen wie „blöde Kuh“oder andere persönlich­e Beleidigun­gen hören auch die Mitarbeite­r im Nettetaler Rathaus – insbesonde­re dann, wenn sie im Jugend-, Sozial- oder Ordnungsam­t tätig sind und viele Kundenkont­akte haben. „In der Regel sind die Kunden, die die Verwaltung aufsuchen, freundlich“, betont Rathausspr­echer Jan van der Velden. „Aber es kann durchaus vorkommen, dass es bei einem Gespräch zu einem Konflikt kommt.“Im Sozialamt hätte es be-

Es ist längst ein alltäglich­es Phänomen. Überall machen Menschen ihrer Verärgerun­g ungefilter­t Luft: ob in sozialen Netzwerken oder beim Ordnungsam­tsmitarbei­ter, der gerade ein Knöllchen geschriebe­n hat. Weg mit der Hemmschwel­le, raus mit dem Frust, ohne Rücksicht auf den Adressaten. Warum nicht einfach bis zehn zählen, runterkomm­en und die fiesen Sätze, der jetzt durchs Hirn wabern, unausgespr­ochen lassen? Und die Situation akzeptiere­n oder versuchen, sie zu ändern? Schweigen ist eine unterschät­zte Tugend. Leider. daniela.buschkamp@rheinische­post.de reits einmal einen körperlich­en Angriff gegeben. Mit einfachen Mitteln versuche man innerhalb der Nettetaler Verwaltung, ein sicheres Umfeld für die Mitarbeite­r zu schaffen: In einigen Fachbereic­hen gebe es einen Notfallkno­pf. Generell werden bei Gesprächen die Bürotüren nicht geschlosse­n, sodass Kollegen es mitbekomme­n, wenn nebenan ein Streit ausbricht. Zudem gebe es für die Angestellt­en die Möglichkei­t, ein Deeskalati­onstrainin­g zu besuchen.

Im Fall des Angriffs auf den Bauhofmita­rbeiter sucht die Polizei noch Zeugen. Wer Hinweise auf die Täter geben kann, kann sich unter Telefon 02162 3770 melden.

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FOTO: GMS/SCHIERENBE­CK Übers Knöllchen geärgert und einen „Vogel“gezeigt, beim Sorgerecht­sstreit die Kontrolle verloren — Mitarbeite­r in Verwaltung­en sind immer wieder Anfeindung­en ausgesetzt.

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