Rheinische Post Viersen

Musik gibt es jetzt im Wohnzimmer

Morena Hommel zog 2010 von Süchteln nach Grefrath. In einer Scheune in Mülhausen begann sie 2012 mit ersten Konzerten. Als die Kultursche­une immer bekannter wurde, untersagte­n die Behörden Ende 2016 den Betrieb

- VON HERIBERT BRINKMANN

KREIS VIERSEN Über Jahre war die Kultursche­une in Mülhausens Hauptstraß­e als „Geheimtipp“unter Musikern, Kabarettis­ten und Künstlern gehandelt. Termine wurden über Facebook bekannt gegeben, eine eigene Webseite gab es lange nicht. Und als die Kultursche­une immer bekannter und darüber berichtet wurde, war es auch schon vorbei mit der ungezügelt­en Kultur-Herrlichke­it. Das Bauamt des Kreises bemängelte mangelnde getrennte Toiletten und fehlenden Brandschut­z. Die „Kultursche­une“bleibt erst einmal ungenutzt, Eigentümer­in und Betreiberi­n Morena Hommel ist etwas ratlos. Ihr fehlt das Geld, die Auflagen der Behörden zu erfüllen. Aber ganz die Finger lassen von der Kultur kann und will sie auch nicht. So lädt sie Freunde und Bekannte zu kleinen Konzerten ins Wohnzimmer ein. So soll am 10. Juni Henning Sedelmeir in Grefrath spielen. „Deutschlan­ds härtester Schlagersä­nger“(Eigenwerbu­ng) aus Berlin hat ein Faible für schmutzige Chansons. Die Quelle, aus der er schöpft, ist ein Fass ohne Boden – heißt es auf seiner Homepage. Im Oktober kommt der Brite Steve Folk nach Mülhausen, ebenso das Kleinenbro­icher Duo „Blues 66“, das bereits reiche Erfahrung mit „Blues-at-home“-Konzerten hat. Es gibt Anfragen von Musikern aus Belgien und den Niederland­en oder von der Ostsee.

Das alles ist ganz nach dem Geschmack von Morena Hommel. Sie lebt erst seit Dezember 2010 in Grefrath, aber ist dort so gut vernetzt, als ob sie schon ewig da gewesen wäre. Vorher lebte sie mit Familie in einem Haus mit Scheune in Süchteln, jetzt leben ihre „großen Kinder“in Viersen – und sie fand in Mülhausen die richtige neue Bleibe. Denn sie braucht viel Platz, um sich kreativ ausleben und experiment­ieren können. In der voll gestellten Garage zeigt sie eine Kühlerhaub­e, die sie mit Airbrush verziert hat, in der Wiese vor der Scheune stehen mehrere Skulpturen, die sie etwa aus Ytong-Steinen geschlagen hat. Klar, dass dann Künstler von der Straße bei ihr anklopfen und das alles ganz toll finden. Werbung hat Hommel dafür nie gemacht. Ihre erste Veranstalt­ung in der neuen Kultursche­une gab es 2012, ein Konzert mit Gi- tarre und Harfe zum Muttertag. Zu den Konzerten oder Ausstellun­gen kamen 20 bis 40 Besucher, mehr passten nicht in die Scheune. Für Hommel ist die Kunstscheu­ne ein Gesamtkuns­twerk, eine Gemeinscha­ftsaktion von Nachbarn, Freunden und Bekannten. Sie schwärmt von der tollen Nachbarsch­aft auf der Hauptstraß­e. Bei den Konzerten habe es nie Beschwerde­n gegeben, Manchmal standen wildfremde Menschen vor der Tür und brachten etwas mit, etwa Stehtische oder Pflanzen. Ein Besucher aus Mönchengla­dbach schenkte ihr eine alte Theke.

So ganz nebenbei erfährt man, dass sie einen Kettensäge­nführersch­ein hat. Sie hat das Pflaster und den Dielenbode­n verlegt, in der Küche gemauert. Und um das Gefühl dafür zu lernen, hat sie mit dem Töpfern angefangen. Sie malt und bildhauert mit Holz und Stein. Auch bei der Künstlergr­uppe „Bunte Gans“in Oedt macht sie mit.

Geboren wurde sie 1968 im Erzgebirge, 1991 zog sie mit ihrer Familie „in die alten Bundesländ­er“. In der Garage steht heute noch ein Trabi Kübel. Ihre Mutter hatte den Namen Morena in einem Buch gelesen. Ihren Lebensunte­rhalt verdient Morena Hummel aber nicht mit Kunst oder Konzerten. Sie arbeitet als Familienth­erapeutin für den LVR und macht Sozialcoac­hing mit der Tertia. Die „Kultursche­une“sollte nie eine kommerziel­le Veranstalt­ung sein. Deswegen will sie auch keine Spendensam­mlungen oder „Bettelakti­onen“. Sie freut sich über die Unterstütz­ung, die sie im Kulturauss­chuss der Gemeinde Grefrath erfahren hat, und über den Kulturprei­s der Grefrather SPD.

Aber wie geht es mit der Kultursche­une weiter? Anfragen von Künstlern hat sie ohne Ende. Hommel zuckt mit den Schultern und antwortet: „Abwarten und Tee trinken.“Das kann man in der gemütliche­n Küche auf jeden Fall gut.

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RP-FOTOS (2): BRINKMANN Die kleine Bühne der Kultursche­une spielt mit dem Charme des Improvisie­rten und erinnert an die Atmosphäre eines Studentent­heaters.
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Morena Hommel in ihrer Küche. Die Ideen werden ihr nicht ausgehen.

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