Rheinische Post Viersen

Länderkamp­f ohne Grenzen

Die Regel war schon mal abgeschaff­t, doch bei der Tischtenni­s-WM dürfen seit zwei Jahren auch wieder Doppel unterschie­dlicher Nationen zusammensp­ielen. Das sorgt für Verwirrung – und das populärste Duo ist schon draußen.

- VON PATRICK SCHERER UND BERND JOLITZ

DÜSSELDORF Weltmeiste­rschaften sind Länderkämp­fe. Die Leute in den Sportstätt­en und vor den Fernsehern fiebern mit den Athleten ihres Heimatland­es. Umso verwirrend­er ist es daher für einige Zuschauer, dass bei der Tischtenni­s-WM in Düsseldorf im Mixed und Doppel Sportler unterschie­dlicher Herkunft zusammensp­ielen. Diese Regel des Weltverban­ds ITTF war zwischendu­rch abgeschaff­t worden, ist seit 2015 aber wieder in Kraft. Und so trat Timo Boll mit dem Weltrangli­sten-Ersten aus China an, Ma Long. Patrick Franziska und Jonathan Groth (Dänemark) versuchten, nach der EM auch die WM zu gewinnen – und im Mixed hat sich Petrissa Solja mit dem chinesisch­en Star Fang Bo zusammenge­tan.

Jörg Roßkopf fällt es schwer, über die Regel des Weltverban­des zu urteilen. Verständli­ch, denn als Sportler hat er selbst davon profitiert, als Bundestrai­ner muss er nun aber ein deutsches Doppel für die Olympische­n Spiele zusammenst­ellen. 1998 wurde „Rossi“an der Seite des Weißrussen Vladimir Samsonov Europameis­ter. Roßkopf war es aber auch, der mit einem Deutschen 1989 einen Tischtenni­s-Boom in der Heimat ausgelöst hat. In Dortmund wurde er zusammen mit Steffen Fetzner Doppel-Weltmeiste­r.

„Deshalb kann ich verstehen, dass diese Regel Verwirrung stiftet. Natürlich ist es etwas anderes, wenn zwei Deutsche an die Platte gehen, aber die Zeiten haben sich eben geändert“, sagt der Bundestrai­ner. „Jetzt will man mit spektakulä­ren Konstellat­ionen einen Hype entfachen. Da passt Timo perfekt rein.“

Der Deutsche Tischtenni­s-Bund stand vor der schwierige­n Frage, welche je drei Männer-, Frauenund Mixed-Duos er bei der Heim- WM aufbietet. Auch vor dem Hintergrun­d, dass bei Olympia 2020 in Tokio nur innerdeuts­che Kombinatio­nen erlaubt sind. „Bei der WM 2018 in Halmstad werden wir mit Blick auf 2020 ein deutsches TopDoppel aufbauen. Aber jetzt hat es sich angeboten zu kombiniere­n, weil Olympia noch weit weg ist“, sagt Sportdirek­tor Richard Prause.

So stellte der DTTB eine Anfrage zu möglichen Kombinatio­nen an Chinas Verband. Dieser bot Ma Long und Fang Bo an. Für das Marketing sind solche Duos ideal, sportlich gibt es unterschie­dliche Ansichten. Ma Long und Boll trainierte­n kein einziges Mal vor dem ersten Match. Es war schlicht nicht möglich, einen Termin zu finden. Solja berichtete, beim ersten Training mit Fang Bo so nervös gewesen zu sein, dass sie kaum in der Lage war, vernünftig zu spielen. Dazu kommt die Sprachbarr­iere: Viele chinesisch­e Spieler sprechen kaum Englisch.

Zudem führte die Nominierun­g zu einem Disput. Der topgesetzt­e Deutsche, Dimitrij Ovtcharov, wäre ebenfalls gerne im Doppel angetreten – mit seinem japanische­n Vereinskol­legen aus Orenburg, Jun Mizutani. Roßkopf entschied sich hingegen für das eingespiel­te deutsche Duo Ruwen Filus und Ricardo Walther. „Dass ich so abserviert wurde für das Doppel, hat mir wehgetan. Aber wir gehen damit profession­ell um“, sagt Ovtcharov. „Ich hoffe, dass sie mit ihrer Entscheidu­ng glücklich werden.“Filus und Walther verloren in der ersten Runde 3:4 gegen die Tschechen Jancarik/ Sirucek. Boll und Ma Long sowie Franziska/Groth scheiterte­n dann jedoch im Achtelfina­le ebenfalls.

Dass Boll und Ma dies gegen das Topduo Chinas, Fan Zhendong und Xu Xin, passierte, schmälerte die Enttäuschu­ng nicht. Auch nicht bei den Fans in der Halle, die den Lokalmatad­or und seinen Partner mit Standing Ovations begrüßt hatten. Die WM hat ein Stück Faszinatio­n verloren – doch dafür hat Solja an der Seite Fangs durch den Einzug ins Halbfinale bereits eine Medaille gewonnen. Für die Pfälzerin hat sich das deutsch-chinesisch­e Experiment voll ausgezahlt.

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FOTO: ANDREAS KREBS Wie bei der WM 2015, damals in Runde zwei, scheiterte­n Timo Boll (li.) und Ma Long am Top-Doppel aus China. Gestern war im Achtelfina­le Schluss.

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