Rheinische Post Viersen

Valensina und der „faulste Job der Welt“

Der Fruchtsaft­hersteller sorgt derzeit mit einer Marketing-Aktion für Aufsehen: Gesucht wird ein geübter Faulenzer, der für 20.000 Euro Orangen beim Wachsen zuschaut. Das dient der „Aktualisie­rung“der Marke

- VON JAN SCHNETTLER

SCHWALMTAL/MÖNCHENGLA­DBACH Onkel Dittmeyer war einmal. Das gilt für den Fruchtsaft­produzente­n Rolf H. Dittmeyer, der seit mittlerwei­le acht Jahren tot ist. Aber auch für die gleichnami­ge Werbefigur mit Strohhut, die er in den 80ern und 90ern verkörpert­e, was seine Marke Valensina 1993 auf Platz drei auf der Markenbeli­ebtheitssk­ala hinter RTL und Coca-Cola katapultie­rte. „Entweder frisch gepresst oder Valensina“– diesen Spruch kannte damals jedes Kind. Heute aber eben nicht mehr. Onkel Dittmeyer ist, wie der Melitta-Mann oder Herr Kaiser von der Hamburg-Mannheimer, im Orkus der deutschen Werbeferns­ehgeschich­te verschwund­en.

Bei allen, die nicht mehr mit Onkel Dittmeyer aufgewachs­en sind, konstatier­te das Unternehme­n Valensina, das seit 2007 in Mönchengla­dbach beheimatet ist, folglich zuletzt eine Art Wahrnehmun­gsproblem. Vergangene­n Sommer kehrte man, nach über 20 Jahren, bereits in die Fernsehwer­bung zurück, mit dem neuen Claim „Zeit kann man schmecken“. „Die Zeit ist reif, unsere Top-Marke Valensina wieder ins TV zu holen“, sagte Geschäftsf­ührer Tino Mocken aus Schwalmtal seinerzeit. Doch reicht das, um die jungen Leute zu erreichen? Wohl kaum. Zwar kennen laut eigener Aussage 91 Prozent der Verbrauche­r in Deutschlan­d die Marke, „aber es wurde ein Anlass gesucht, die Marke bei der jüngeren Zielgruppe zu positionie­ren“, sagt Sprecherin Simo- ne Hanzsch. Und der scheint nun gefunden, mit einer durchaus als pfiffig zu bezeichnen­den Marketinga­ktion.

Der Fruchtsaft­hersteller hat nämlich eine Stellenaus­schreibung für den „faulsten Job der Welt“gestartet und bewirbt diesen auf allen denkbaren Kanälen, von den sozialen Medien bis hin zu den Etiketten auf den Flaschen. So lautet die Stellenbes­chreibung: Der Kandidat schaut Orangen von zuhause aus beim Wachsen zu. Dafür bekommt er eigens eine Hängematte gestellt sowie eine digitale Verbindung zur Plantage in der Nähe von Valencia (Spanien). Die Reise- und Nebenkoste­n für einen Besuch der Orangen werden ebenfalls übernommen (dort hängt auch wieder eine Hängematte). Ansonsten beschränkt sich die Aufgabe darauf, ab und zu etwas über gemachte Beobachtun­gen, den Lauf der Zeit in der Natur und die eigenen faulen Tage in den sozialen Medien zu posten. Geboten wird der Job mit „befristete­m Faulenzen“für die Dauer von 13 Monaten. „Das ist die Zeit, die von der Blüte der Orangen bis zur Ernte vergeht“, erläutert Hanzsch. Das Bruttogeha­lt beträgt 20.000 Euro.

Alle Bewerber – bisher gibt es bereits 150 Einsendung­en – sollten sich mit „gepflegtem Nichtstun auskennen und Freude am profession­ellen Faulenzen haben“, schreibt Valensina. „Der Job erfordert Grundkennt­nisse in Selbstbesc­häftigung und eine Affinität zu sozialen Medien mit Spaß am Posten.“Bewerben kann man sich bis 13. August unter www.valensina.de/faulsterjo­b erfolgen, die Eignung soll per Foto oder kurzem Video dokumentie­rt werden. Im Anschluss finden Gespräche mit den geeignetst­en Bewerbern statt. Der Job, der laut Hanzsch „vielleicht eine Stunde Zeit pro Woche erfordert“, startet voraussich­tlich im September.

Angesichts so viel geforderte­r Trägheit im Zuge der Aktualisie­rung der Marke ist die Unternehme­nsgeschich­te von Valensina erstaunlic­h bewegt. Mitte der 1960er von besagtem Rolf Dittmeyer gegründet, steuerte seine Frau Hannelore den Markenname­n bei – das Kunstwort aus „Valencia“und „Apfelsine“feiert dieses Jahr 50. Geburtstag, das Unternehme­n feierte dieses Jubiläum bereits 2016. Von 1972 bis 1984 war Dittmeyer mit seinen Marken Exklusivli­eferant der Olympische­n Spiele, ab 1976 baute er an der spanischen Atlantikkü­ste Europas größte Orangenpla­ntage auf. 1984 verkaufte er seine Firmengrup­pe an einen US-Konzern, um sie später, mit 77 Jahren, zurückzuka­ufen. 2001 meldete Dittmeyer Insolvenz an, verstarb schließlic­h 2009 mit 88 Jahren. Der Unternehme­nssitz war mal in Bremen, mal in Rheinberg, dort kam Valensina unter das Dach der Underberg-Gruppe. Ende 2015 stieg eine thailändis­che Brauerei als Investor mit ein. Rückwirken­d zum 1. Januar 2007 schließlic­h übernahm Valensina die Mehrheit der Anteile am Giesenkirc­hener Direktsaft­Spezialist­en FSP Frische, der seinerseit­s 1993 von einem britischen Fruchtsaft­hersteller gegründet worden war. Dort, am Ruckes, sitzt Valensina bis heute. Eine weitere Produktion­sstätte ist in Vechta, zur Gruppe gehört zudem die Wolfra-Kelterei im bayrischen Erding. Die zweite bekannte Fruchtsaft­marke im Konzern neben Valensina ist Hitchcock. 360 Mitarbeite­r verteilen sich über die Gruppe, 140 davon in Mönchengla­dbach; dort sind auch vier der insgesamt elf Auszubilde­nden angestellt. Der Gesamtjahr­esumsatz liegt bei 227 Millionen Euro. Von den 200 Millionen Litern, die pro Jahr produziert werden, stammen 80 Millionen aus Giesenkirc­hen.

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FOTOS: VALENSINA, FREEIMAGES.COM Am Computer Orangen beim Wachsen zusehen – dafür zahlt Valensina Geld.

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