Rheinische Post Viersen

Mehr Solidaritä­t, Genossen!

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Es war ein würdiger Rücktritt. Als Hannelore Kraft keine 20 Minuten nach der historisch­en Wahlnieder­lage der SPD in Nordrhein-Westfalen von ihren Parteiämte­rn zurücktrat, bewies sie Größe. Sie übernahm damit die Verantwort­ung in einer Konsequenz, wie es auch in Demokratie­n nicht immer selbstvers­tändlich ist. Selbst Kritiker in den eigenen Reihen rechneten ihr das hoch an. Es hätte der stilbilden­de Rückzug einer Politikeri­n werden können, die immerhin sieben Jahre lang die Geschicke Nordrhein-Westfalens bestimmte und die Bundespoli­tik zeitweise stark beeinfluss­te.

Doch Kraft zog sich eben nicht komplett zurück. Sie entschied zum einen, ihr Abgeordnet­en-Mandat im Landtag zu behalten. Zum anderen mischte sie dem Vernehmen nach hinter den Kulissen kräftig mit, als es in den Tagen nach der Wahl darum ging, einen Nachfolger an der Partei-

Mit ihrem schnellen Rücktritt hätte Hannelore Kraft stilbilden­d sein können. Doch ihr Verhalten in den Tagen danach wirft Fragen auf. Und auch die Partei tut sich schwer mit ihrer langjährig­en Ikone.

spitze zu finden. Damit stellte sich bei vielen in der Partei der Eindruck ein, sie könne eben doch nicht so einfach von der Macht lassen. Rätselhaft ist auch, warum sie sich dann wiederum aus den sozialen Netzwerken im Internet zurückzog und ihre Konten nicht einfach ruhen ließ, anstatt sie zu löschen.

Welche politische Rolle will die bisherige Ministerpr­äsidentin also künftig spielen? Strippenzi­eherin oder Hinterbänk­lerin?

Vollends irritieren­d aber ist, dass Kraft dem Landespart­eitag am Wochenende fernblieb, der über ihren Nachfolger entschied und über den Neuanfang beriet. Sie ließ den Genossen lediglich herzliche Grüße ausrichten, beim nächsten Parteitag sei sie wieder dabei. Wenn es ihr wirklich um die Sache ginge, um die Lehren aus der Wahlnieder­lage und um die Zukunft der Sozialdemo­kratie in Nordrhein-Westfalen, dann hätte sie den Genossen jetzt zumin-

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