Fall Luca: Lebenslänglich für Martin S.
Das Landgericht Mönchengladbach sieht es als erwiesen an, dass der Viersener den fünf Jahre alten Luca tötete. Er will Revision gegen das Urteil einlegen. Die Mutter des Jungen wurde zu zwei Jahren und acht Monaten Haft verurteilt
VIERSEN Als würde er sich gelangweilt einen Film anschauen, verfolgte Martin S. die Urteilsverkündung. Beinahe regungslos saß der 27-Jährige gestern im dunkelblauen Kapuzenpullover auf der Anklagebank und sah starr Richter Lothar Beckers an, während der ihn zu lebenslanger Haft verurteilte. Frühestens nach 15 Jahren kann er auf Bewährung hoffen.
Martin S. hat im Oktober 2016 den fünf Jahre alten Luca in dessen Kinderzimmer getötet – „daran haben wir keinen Zweifel“, sagte Beckers. Indizien und die Ergebnisse der rechtsmedizinischen Untersuchung der Leiche waren für die siebte große Strafkammer am Landgericht Mönchengladbach ausschlaggebend. Der Junge hatte Blut einge-
„Was in der Nacht passiert ist, haben wir nicht vollständig ermitteln können“
Lothar Beckers
Richter
atmet und schwere innere Verletzungen. Doch daran sei der Fünfjährige nicht gestorben: „Luca ist ganz am Ende erwürgt worden“, sagte der Richter. „Was in der Nacht passiert ist, haben wir nicht vollständig ermitteln können“, räumte Beckers ein. Sicher sei: Martin S. und dessen damalige Lebensgefährtin Amanda Z., Lucas Mutter, seien zur Tatzeit die einzigen handlungsfähigen Personen in der Wohnung in Dülken gewesen. „Mit direktem Vorsatz“sei Luca getötet worden, „dafür hatte Frau Z. nach unserer Überzeugung kein Motiv – aber Herr S. hatte ein Motiv“. Das könne sadistische Lust gewesen sein, wie es der sachverständige Gutachter am vierten Prozesstag ausgeführt hatte. Auch Wut darüber, dass Luca seinen Stiefvater in der Kita und bei Ärzten beschuldigt hatte, ihn geschlagen zu haben, hält die Kammer für einen möglichen Beweggrund. Oder Eifersucht, denn: „Luca war das Bindeglied zwischen Frau Z. und dem Kindsvater“, begründete Beckers.
Martin S. habe Luca „grausam misshandelt“, sagte er, das komme einem Mord gleich. Weil aber nicht festzustellen sei, ob der Täter bereits von Beginn an die Absicht hatte, ihn zu töten, sei kein Mordmerkmal erfüllt. Deswegen wurde der Viersener wegen Totschlags verurteilt – und nicht, wie von der Staatsanwaltschaft gefordert, wegen grausamen Mordes. In besonders schweren Fällen sei dennoch eine lebenslange Strafe für dieses Vergehen anwendbar, erläuterte der Richter. „Davon haben wir Gebrauch gemacht.“Der Verteidiger des Verurteilten kündigte an, Revision einzulegen. Ob auch Amanda Z. das Urteil anfechtet, werde noch geprüft, sagte ihr Verteidiger Felix Menke: Die Kammer hat für sie zwei Jahre und acht Monate Freiheitsstrafe wegen Misshandlung von Schutzbefohlenen durch Unterlassen vorgesehen. Menke hatte Bewährung gefordert. „Wir müssen das jetzt erst mal sacken lassen“, sagte er.
Richter Beckers nannte Amanda Z. eine „schlechte Mutter“, die 25Jährige sei eigensüchtig, es sei ihr vor allem darum gegangen, ein bequemes Leben zu führen. „Sie hat Luca allein gelassen, und das ist das Schlimmste. Deshalb wird sie auch verurteilt.“Amanda Z. habe ihren Sohn nicht vor Misshandlungen geschützt, ein vom Familiengericht auferlegtes Kontaktverbot zu Martin S. ignoriert. Beckers: „Sie hätte nur, unterstützt vom Jugendamt, Herrn S. auf Abstand halten müssen.“
Der Staatsanwalt hatte fünf Jahre Haft für Amanda Z. gefordert. Davon wich die Kammer ab, auch weil die Viersenerin „soweit sie konnte“ein Geständnis abgelegt habe, begründete Beckers. Martin S. äußerte sich bis zuletzt nicht. Er bleibt weiterhin in Haft.