Rheinische Post Viersen

Eine Koalition der Einladung

- VON MICHAEL BRÖCKER

WWEenn die wahrschein­liche künftige schwarz-gelbe Landesregi­erung in den kommenden Jahren so regiert, wie sie den Koalitions­vertrag verhandelt hat, darf man optimistis­ch sein: ruhig, sachlich, unaufgereg­t. Keine Profilieru­ngssucht, keine taktischen Finessen, keine Inszenieru­ngen hinter dem Rücken des Partners. Also alles anders, als man es von früheren CDU/FDP-Bündnissen gewohnt ist.

Schwarz-Gelb will ein neues Image. Und NRW soll die Blaupause dafür sein. Die Parteien wollen ihrer Zuschreibu­ng gerecht werden. Bürgerlich im Habitus, liberal in der Haltung. Der 130 Seiten starke Koalitions­vertrag atmet den Geist des Optimismus, trotz begründete­r Ängste vor Terror, Globalisie­rung, Zuwanderun­g. Eine Atmosphäre des Vorwärtsko­mmens, der Fortschrit­tsfreundli­chkeit ist zu spüren, ohne dass die Parteien soziale Sicherheit oder die notwendige ökologisch­e Modernisie­rung ignorieren. Dass der unaufgereg­te Ex-Integratio­nsminister Armin Laschet (CDU) und der überzeugte Bildungsbo­tschafter Christian Lindner (FDP) eine Politik der neoliberal­en Eiseskälte im Land umsetzen, ist eher unwahrsche­inlich.

CDU und FDP bilden eine Koalition der Einladung an diejenigen, die vorankomme­n wollen. Das können Berufsschü­ler sein, die aufgewerte­t werden. Gymnasiast­en, die länger, aber dafür besser lernen wollen. Zuwanderer, die sich an Regeln und Gepflogenh­eiten halten, aber dafür schneller und besser in Jobs und Ausbildung gebracht werden. Unternehme­r, denen die Koalition mit weniger Bürokratie, aber mehr Fläche Freiraum für Wachstum geben will. Hochschule­n, denen die Politik wieder mehr Gestaltung­smacht geben muss, weil sie die eigentlich­en Garanten für die Zukunftsfä­higkeit des Landes sind. Und staatliche Stellen in Polizei und Justiz, die der Durchsetzu­ng des Rechts endlich wieder zu mehr Geltung verhelfen wollen, wenn sie dafür von ihren Vorgesetzt­en unterstütz­t werden.

Gegen eine solche Modernisie­rungskoali­tion, die von einem starken, weil zupackende­n (Rechts-)Staat geschützt wird, ist wenig einzuwende­n. Im Gegenteil: Der Reformbeda­rf im Land wird ja selbst bei Sozialdemo­kraten und Grünen nicht negiert. enn es CDU und FDP schaffen, eine Antwort auf die neue soziale Frage in dieser Gesellscha­ft zu finden, nämlich wie der Aufstieg jenen gelingt, die Yildiray oder Rahimi mit Nachnamen heißen, dann wäre nicht nur dem Land geholfen, sondern würde auch das Bild einer schwarz-gelben Koalition der „sozialen Kälte“im gut gefüllten Keller der politische­n Vorurteile verstaut. Diese historisch­e Chance haben die beiden Parteien. Mit Armin Laschet und Christian Lindner (und seinem pragmatisc­hen Nachfolger Joachim Stamp) haben beide Parteien Persönlich­keiten an der Spitze, die auf dem linken Auge nicht blind sind und im Sinne Karl Arnolds Nordrhein-Westfalen als „soziales Gewissen der Republik“bewahren wollen. Die Spaltung zwischen Abgehängte­n und (finanziell) Abgehobene­n in diesem Land darf sich nicht vertiefen. Auch deswegen ist eine kluge Wirtschaft­spolitik, die Vernetzung vorantreib­t, so wichtig. NRW muss die Herzkammer der digitalen Industrie und der besten Bildung werden. Nur dann lassen sich soziale (und regionale) Konflikte eindämmen. s bleibt dabei: Nordrhein-Westfalen darf ruhig mal wieder Klassenbes­ter in zentralen wirtschaft­lichen und gesellscha­ftlichen Feldern sein. Auch wenn die Hinterbänk­ler oft cooler waren.

Schön wäre es, wenn CDU und FDP diesen Maßstab auch für die Finanzpoli­tik gelten lassen. Sinnvolle Investitio­nsmaßnahme­n bei Polizei, Schule, Infrastruk­tur müssen mit Einsparung­en finanziert werden. Die nächste Wirtschaft­skrise kommt bestimmt, der aktuelle Aufschwung wird durch MiniZinsen und Exportüber­schüsse aufgebläht. Das wird nicht so bleiben. Solides Regieren bedeutet auch, dass Politik vorsorgt. Da ist durchaus noch Luft nach oben. BERICHT SCHWARZ-GELB WILL ELITE-SCHULEN, TITELSEITE

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