Rheinische Post Viersen

„Man darf kein Kind dazu zwingen, ein Instrument zu spielen“

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DÜSSELDORF Durch Stefan Raabs Castingsho­w in „TV total“wurde Gregor Meyle als Musiker bekannt, heute hat er mit „Meylenstei­ne“(Vox) eine eigene TV-Sendung. Für den Aktionstag „Deutschlan­d macht Musik“tritt er als Pate auf.

Warum sollten Kinder heute ein Instrument lernen?

GREGOR MEYLE Die ganze Welt wird digitaler, aber damit nicht unbedingt selbststän­diger. Das ist aber ein wichtiger Faktor, um sich eine eigene Meinung bilden zu können, und dafür brauchen wir Errungensc­haften. Ein Instrument zu spielen und einen Song zu lernen, sind gute Möglichkei­ten, um Errungensc­haften zu erreichen. Kurz gesagt: Wenn man nicht übt, hat man’s nicht auf dem Kasten. Wer aber übt, kann viel erreichen. Für Kinder ist das auch eine perfekte Art, sich auszuleben, ein Ventil. Außerdem bekommen sie viel Bestätigun­g. Wenn die Motivati- on da ist, kann man das ausbauen. Man darf aber auch kein Kind dazu zwingen, ein Instrument zu spielen. Einfach nur die Möglichkei­t zu schaffen, ist wichtig und richtig.

Warum ist musikalisc­he Früherzieh­ung generell wichtig?

MEYLE Mit Musikthera­pien sind unfassbare Sachen erreicht worden. Alzheimer-Patienten haben danach wieder angefangen zu sprechen.

Dennoch verzeichne­n Musikschul­en immer weniger Anmeldunge­n. Warum?

MEYLE Das fängt bei den Eltern an, die ihrem Kind, das ein Instrument lernen will, sagen, es solle sich doch ein Youtube-Video ansehen. Du brauchst als Kind Lehrer, die dich motivieren, die dir die Möglichkei­t geben, dich weiterzuen­twickeln. Ganz ehrlich: Wenn wir unsere Kinder auffordern, noch mehr in einen Bildschirm zu gucken, haben wir das Konzept Erziehung nicht verstanden. Musik ist eine wichtige Kommunikat­ionsform, mit der man sich auch über Sprachbarr­ieren hinweg verständig­en kann.

Hat es einen Bewusstsei­nswandel gegeben hinsichtli­ch der Musik?

MEYLE Es ist genau wie mit der Mathematik, wo es heißt, warum muss ich den Quatsch lernen? Mal ganz einfach gesagt: Wenn ich „Für Elise“auf dem Klavier spielen kann, kann ich das mit 80 noch gebrauchen. Es ist erwiesen, dass ein Kind durch das Erlernen eines Musikinstr­umentes viel schneller lernt, mit Aufgaben umzugehen. Intelligen­z und Fingerfert­igkeit werden geschult. Ich weiß, wenn ich geübt habe, habe ich Erfolg, weil jeder merkt, dass ich geübt habe. Das ist ganz einfach.

Wie war es bei dir? Du bist früh mit der Gitarre in Berührung gekommen. Auf deine Initiative? Oder haben deine Eltern dich gefördert?

MEYLE Beides. Mein Vater hatte eine alte Gitarre vom Opa, die war eingepackt in so eine 50er-Jahre PlastikGit­arrenhülle. Das war für mich ein Highlight, wenn ich die auspacken durfte, weil das ein heiliges Instrument war. Mit sechs hatte ich dann in der Grundschul­e Gitarrenun­terricht und durfte mich mit dem Instrument beschäftig­en. Man sagt mir nach, dass ich schon Songs geschriebe­n habe, ohne zu wissen, wie das Instrument funktionie­rt. Für mich war das fasziniere­nd, dass man auf irgendeine Art und Weise Melodien damit rauskriegt. Dann gab es die berühmten Fünfmarkst­ücke von der Oma, dafür hat man alles getan. Da wurde die Blockflöte malträtier­t, um an diese Fünfmarkst­ücke heranzukom­men.

Auch eine Form der Förderung.

MEYLE Das kann man nicht anders sagen. Mein Opa war da ganz weit vorne. Er hat mit mir und meinen Brüdern eine Gartenhütt­e gebaut und nachher gesagt: Passt mal auf, Jungs, das ist euer Probenraum. Wir haben da ein Schlagzeug reingestel­lt, unsere Stromgitar­ren angeschlos­sen und heftig Krach gemacht. Förderung hat in der Familie einfach extrem stattgefun­den. Mein Vater hat uns zu Konzerten gefahren, ich hatte mit zehn Jahren meine erste Band, mein Opa hatte mir die erste E-Gitarre gekauft. Das hat alles wahnsinnig früh angefangen. J. ISRINGHAUS FÜHRTE DAS GESPRÄCH.

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FOTO: AESKIMO/ MEYLE Gregor Meyle (38)

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