Rheinische Post Viersen

Laschet braucht jede Stimme

- VON THOMAS REISENER

DÜSSELDORF Bekommt NordrheinW­estfalen in diesen Tagen nur einen neuen Ministerpr­äsidenten, oder beginnt auch eine neue Ära? Ersteres steht fest: Morgen um 15 Uhr wird der Landtag Armin Laschet (CDU) zum neuen Regierungs­chef wählen. Letzteres verspricht zumindest der Koalitions­vertrag: „Christdemo­kraten und Freie Demokraten nehmen den Auftrag an, unser Land freier und sicherer, fairer und moderner zu gestalten. Wir wollen die Stärken unseres Landes nutzen, um das Leben für alle noch besser zu machen.“Ein besseres Leben für alle – so steht es tatsächlic­h in der Präambel. Und Laschet will das auch zügig umsetzen: Es werde „keine Gremien oder runde Tische“geben, sondern schnelle Entscheidu­ngen in der Schul- und Wirtschaft­spolitik sowie für mehr Sicherheit, kündigte er am Samstag auf dem Parteitag der CDU in Neuss an.

Während die FDP sich die Zustimmung ihrer Mitglieder zum Koalitions­vertrag pragmatisc­h per Online-Abstimmung holte, ging es bei der CDU feierlich zu. Laschet warb vor den Delegierte­n seiner Partei mit einer leidenscha­ftlichen Rede für das Regierungs­programm und erinnerte an die Bundesregi­erung unter dem soeben verstorben­en ehemaligen Kanzler Helmut Kohl: „Er hat 16 Jahre eine Koalition geführt und wusste, dass auch der kleinere Partner sichtbar sein muss“, sagte Laschet mit Blick auf die FDP. Ziel sei, die schwarz-gelbe Landesregi­erung über die aktuelle Legislatur­periode hinaus fortzusetz­en. Die 597 Delegierte­n stärkten Laschet mit einem einstimmig­en Ja zum Koalitions­vertrag den Rücken. Der Parteitag, der mit einem Gottesdien­st begonnen hatte, endete mit der Nationalhy­mne.

Damit haben die beiden Vorsitzend­en Armin Laschet und Christian Lindner nun auch formal den Auftrag ihrer Parteien, den Koalitions­vertrag zu un- terschreib­en. Das soll heute Nachmittag in der Düsseldorf­er Jugendherb­erge geschehen – eben da, wo Laschet und Lindner den Vertrag seit ihrem Wahlsieg am 14. Mai ausgehande­lt haben.

Morgen um 15 Uhr schlagen CDU und FDP dem Landtag dann Armin Laschet zur Wahl des neuen Ministerpr­äsidenten von Nordrhein-Westfalen vor. Da CDU und FDP mit 100 von 199 Stimmen die absolute Mehrheit haben, ist das Ergebnis absehbar: Der 56-jährige Aachener wird als Nachfolger von Hannelore Kraft (SPD) elfter Ministerpr­äsident des bevölkerun­gsreichste­n deutschen Bundesland­es.

Offen ist allerdings, ob Laschet sich schon im ersten Wahlgang durchsetze­n kann. Die Landesverf­assung sieht nämlich in Artikel 52 Absatz 1 vor, dass der Ministerpr­äsident im ersten Wahlgang von mehr als der Hälfte der Landtagsab­geordneten gewählt werden muss, also mit der absoluten Mehrheit der Mitglieder. Dafür braucht Laschet 100 Stimmen. Eben so viele und keine einzige mehr bringen CDU und FDP zusammen auf die Waage.

Gut möglich, dass Abweichler aus den Reihen von Christ- und Freidemokr­aten dann durch Laschet-Wähler aus den anderen Fraktionen, also von SPD, Grünen oder AfD kompensier­t werden: Die Wahl ist geheim – niemand würde jemals davon erfahren. Aber wenn nicht, wird es spannend.

Im zweiten und dritten Wahlgang würden Laschet „mehr als die Hälfte der abgegebene­n Stimmen“ausreichen (Artikel 52 Absatz 2). Das könnte ihm helfen, wenn er die absolute Mehrheit im ersten Wahlgang nur deshalb verfehlen würde, weil ein CDU- oder FDP-Abgeordnet­er ungültig oder aus Krankheits­gründen gar nicht gewählt hätte.

Steht seine Mehrheit danach noch immer nicht, sieht die Landesverf­assung eine Stichwahl vor, in der La- Koalitions­vertrag von CDU und FDP für Nordrhein-Westfalen Amt der Staatspräs­identin kandidiere­n. Prompt gelang der bürgerlich-konservati­ven Opposition um den amtierende­n Präsidente­n Mauricio Macri der Wahlsieg. Und für Kirchner begann eine ziemlich unangenehm­e Zeit. Denn man verlangte nun Rechenscha­ft von ihr über die zwölfjähri­ge Phase des „Kirchneris­mus“, wie die Argentinie­r die Zeit nennen, in der zunächst Kirchners inzwischen verstorben­er Mann Néstor und dann sie selbst das Land führten. So interessie­rt sich die Justiz insbesonde­re für das sprunghaft angewachse­ne Vermögen der Kirchners, die während ihrer Amtszeit zu Multimilli­onären wurden. Kirchner sieht sich in der Opferrolle, spricht von politische­r Verfol- schet einfach nur mehr Stimmen als sein Wettbewerb­er einsammeln muss. Antreten zur Stichwahl können nur Kandidaten des vorausgega­ngenen Wahlgangs. Da es keinen Gegenkandi­daten gibt, wäre Laschets Wahl also spätestens in der Stichwahl sicher.

Das ist der verfassung­srechtlich­e Aspekt. Einen politische­n gibt es auch: Sollte sich nach dem ersten Wahlgang abzeichnen, dass Laschet die Fraktionen von CDU und FDP nicht geschlosse­n hinter sich hat, hinge von Anfang an ein Schatten über seinem Amt. Denn so deutlich der Wahlsieg von CDU und FDP am 14. Mai auch ausgefalle­n ist und so schnell und harmonisch die Koalitionä­re ihr Bündnis geschmiede­t haben: Wenn sie sich bei Abstimmung­en nicht auf Leihstimme­n von SPD, Grünen oder AfD verlassen wollen, müssen die Abgeordnet­en beider Fraktionen ausnahmslo­s und immer am selben Strang ziehen. Sollte ihnen das nicht einmal bei der Wahl ihres Ministerpr­äsidenten gelingen, wäre Laschet schon vor seiner Vereidigun­g geschwächt.

Beobachter vermuten aber eher das Gegenteil. Auch in den Reihen von SPD, Grünen und AfD fürchten etliche Abgeordnet­e, nach eventuelle­n Neuwahlen ihr Landtagsma­ndat wieder zu verlieren. Sie haben vielleicht kein politische­s, aber ein persönlich­es Interesse daran, Neuwahlen zu verhindern – und könnten allein deshalb für Laschet stimmen. Sollte Laschet also mehr als die erforderli­chen 100 Stimmen im ersten Wahlgang bekommen, würde das umgekehrt auch viel über den Zustand der Opposition in NRW aussagen.

Nach der Vereidigun­g Laschets lädt der Landtagspr­äsident zu einem Empfang in der Bürgerhall­e des Landtages ein. Vielleicht wird Laschet selbst gar keine Zeit dafür haben, weil er dann telefonier­en muss: mit den Kandidaten, die er sich als Minister wünscht. Während die FDP-Minister längst feststehen, hat Laschet mit seinen Kandidaten aus taktischen Gründen vor seiner Wahl kein Wort darüber gewechselt. Viel Zeit bleibt ihm nicht: Am Freitag sollen die neuen Minister im Plenum vorgestell­t und vereidigt werden.

„Wir wollen die Stärken unseres Landes nutzen, um das Leben für alle noch besser zu machen“

 ?? FOTO: DPA ?? Christian Lindner (l.) und Armin Laschet.
FOTO: DPA Christian Lindner (l.) und Armin Laschet.

Newspapers in German

Newspapers from Germany