Nach dem Radkauf das Schloss knacken
Zum Fundsachenverkauf der Stadt kamen die Schnäppchenjäger ins Rathaus. Handys, Schmuckstücke und Fahrräder wurden zum kleinen Preis abgegeben — insbesondere die Drahtesel hatten es den Besuchern angetan
LOBBERICH Schon um 9.45 Uhr stehen die ersten Schnäppchenjäger vor dem Rathaus am Doerkesplatz. Durch die große Glastür können sie einen Blick hineinwerfen. Im Foyer stehen aufgereiht hintereinander Fahrräder, an den Gepäckträgern hängen gelbe Zettel. Darauf steht der Preis, auch weitere Angaben zum Fundort und -datum sind darauf zu lesen. Über ein halbes Jahr haben die Fahrräder im Keller der Stadtverwaltung gestanden, denn so lange hätte der Besitzer Zeit, sich zu melden. Einige Räder sind verstaubt, andere haben einen Platten, einen lockeren Sattel. Das Schloss ist entweder noch verschlossen oder aufgebrochen. An anderen bröckelt der Lack. Doch es sind auch Drahtesel dabei, die kaum Macken haben – und damit ein richtiges Schnäppchen sind.
Michaela Mevissen aus Lobberich ist unter den Besuchern, die zur Fundsachenverkauf ins Rathaus gekommen sind. Sie hat vier Kinder und erzählt: „Eines der Räder hat immer was, sei es ein platter Reifen, was mit der Gangschaltung oder was anderes.“Beim Reingehen hat sie zunächst geschaut, welches das teuerste Rad ist, und sich den Zettel direkt vom Gepäckträger abgenommen. Erst dann gehört es ihr. „Ich hatte schon Angst, weil Leute sich das vor mir angesehen haben, aber den Zettel hatten sie nicht abgenommen“, sagt Mevissen.
Ihr Glück, denn das von ihr gewählte ist eines der „besten Räder“beim diesjährigen Fundsachenverkauf, sagt Olaf Fleddermann von der Stadt Nettetal. Unterstützung bei der Preisschätzung hat er von einem Lobbericher Fahrradhändler bekommen, der die Räder nach ver- schiedenen Kriterien schätzte. An der Kasse hat die Verwaltung auch noch weitere Fundsachen aufgestellt: Brillen, unzählige Handys, darunter auch teure Smartphones, Sporttaschen, eine alte Wanduhr, ein Einkaufskorb, ein Damenhut aus Samt mit Blumen, Ringe, Ketten und Armbänder. Ein Anhänger, verziert mit dem Namen „Annette“, steht für vier Euro zum Verkauf. Jedes Stück hat eine Geschichte. Es könnte verloren gegangen oder gestohlen worden sein. Oder es handelt sich um eine Erinnerung, die man unbedingt loswerden wollte. Zumindest bei den Schmuckstücken.
Jedes Jahr sind Fahrräder „der Renner“. Die meisten Besucher brauchen ein Zweitrad – oder ihr altes Rad wurde ihnen gestohlen. Wouter arbeitet in Lobberich und braucht dringend einen neuen Drahtesel. Der Zwei-Meter-Mann hat andere Kriterien als die meisten anderen: „Bei mir war die Größe entscheidend – und es sollte ein Herrenrad sein und auch eine Gangschaltung haben“, sagt der Mönchengladbacher. Er hat Glück: Ein Herrenrad der Marke Barta kann er für 70 Euro ergattern und ist voll zufrieden. „Das ist ein Schnäppchen und super in Schuss“, findet Wouter.
Manchmal kommen auch Händler und wollen die Ware dann mit Gewinn weiterverkaufen. Heute nicht. Zwei Stunden sind für den Verkauf angesetzt. Nach zwanzig Minuten ist der Ansturm vorbei. „Ich denke nicht, dass jetzt noch groß was kommt“, weiß Olaf Fleddermann aus Erfahrung. Martina Sprenger hat es ein blaues Damenrad angetan, ebenfalls für 70 Euro. Sie kauft es für ihren Mann. „Ich habe ein Rad, das habe ich neu gekauft für 450 Euro und da ist schon was kaputt“, sagt die Lobbericherin. Auch der fünfjährige Lukas ergattert ein Kinderrad für zehn Euro für die Aufenthalte bei der Oma.
Ein Geldspielautomat oder ein Kanu waren dieses Jahr nicht dabei. „Diese skurrilen Dinge hatten wir aber auch mal“, sagt Fleddermann und lacht. Am Ende hat die Stadt neun Räder, drei Schmuckstücke und ein Handy verkauft. Die restlichen Dinge verschwinden wieder im Fundus – für den Fundsachenverkauf im kommenden Jahr.