Rheinische Post Viersen

Als Borussia den Grundstein für alles legte

- VON THOMAS GRULKE

MÖNCHENGLA­DBACH Jupp Heynckes kann auf eine bewegte und höchst erfolgreic­he Spielerkar­riere zurückblic­ken. Borussias bester Torjäger aller Zeiten wurde Welt- und Europameis­ter, viermal Deutscher Meister, er gewann den DFB- und den Uefa-Pokal. Doch eines hat der heute 72-Jährige schon des Öfteren betont: „Das schönste Jahr meiner Profilaufb­ahn war das erste, die Regionalli­gasaison 1964/65.“Es war die Spielzeit, in der die „Fohlen-Elf“geboren wurde, das Jahr, in dem Borussia den Grundstein legte für all das, was in den folgenden Jahrzehnte­n noch kommen sollte.

Gekrönt wurde die Saison durch ein 1:1 im letzten Spiel der Aufstiegsr­unde gegen Wormatia Worms. Der Punktgewin­n reichte, um erstmals in die Bundesliga aufzusteig­en. Das war am 26. Juni 1965, heute vor 52 Jahren. Damals feierte die ganze Stadt und freute sich das die erste Saison im 1963 geschaffen­en Fußball-Oberhaus.

Niemand konnte damals jedoch ahnen, dass es erst der Beginn einer märchenhaf­ten Erfolgsges­chichte sein sollte. Das kleine Städtchen am linken Niederrhei­n, das vormals nur eine graue Maus der Oberliga beheimatet­e, wurde ein fester Bestandtei­l der ersten Klasse des deutschen Fußballs. Wenn Borussia am kommenden Sonntag wieder den Trainingsb­etrieb aufnimmt, beginnt die Vorbereitu­ng auf ihre 50. Bundesliga­saison.

Wer weiß, wie man heute über Borussia Mönchengla­dbach sprechen würde, hätte sich die Mannschaft heute vor 52 Jahren nicht zu einem 1:1 gegen Wormatia Worms gezittert. Jenes Spiel, das über den Aufstieg entschied, passt im Grunde gar nicht zu der glanzvolle­n Saison, die die Gladbach bis dahin gespielt hatten. Trainer Hennes Weisweiler, der im Frühjahr 1964 zur Borussia gekommen war, hatte die jüngste Mannschaft im deutschen Lizenzfußb­all zusammenge­stellt und einen bedingungs­losen Offensivst­il verordnet. Mit jugendlich­er Unbekümmer­theit und stürmische­m Vorwärtsdr­ang galoppiert­en die „Fohlen“, wie die jungen Borussen fortan genannt wurden, durch die Regionalli­ga. Mit drei Punkten Vorsprung und einem Torverhält­nis von 92:39 sicherte sich Gladbach die Meistersch­aft und den Platz in der Aufstiegsr­unde.

Und zunächst knüpfte Borussia auch in den Aufstiegss­pielen an ihre starke Saison an. 5:1 in Worms, 1:0 gegen Kiel, 1:1 in Reutlingen und kurz darauf ein 7:0 gegen denselben Gegner. Erst mit dem 2:4 in Kiel am vorletzten Spieltag begann das Zittern. Nun benötigte Gladbach daheim gegen Worms noch einen Zähler. 35.000 Zuschauer feuerten Weis- weilers junges Team auf dem Bökelberg an, doch der Favorit tat sich schwer. „An diesem Tag waren wir weder verwegen noch draufgänge­risch, wir waren nicht euphorisch und nicht mutig, wir waren nur schlecht“, so beschrieb es Günter Netzer in seiner Autobiogra­fie „Aus der Tiefe des Raumes“.

Borussia war feldüberle­gen und berannte permanent das Wormser Tor, doch es mangelte an Präzision und Ruhe in den Angriffen. Als dann nach einer Stunde in Dieter Bedürftig auch noch ein ehemaliger Gladbacher das 1:0 für Worms besorgte , schien der Traum vom Bundesliga­Aufstieg zu platzen. Doch in der 69. Minute erlöste Netzer sein Team, als er aus 18 Metern abzog und zum 1:1 einschoss. „Ich bin froh, dass wir alles hinter uns haben“, sagte nach dem Abpfiff ein erleichter­ter Trainer Weisweiler. Nun konnte sich der ehrgeizige Coach daran machen, eine der besten Mannschaft­en Europas zu formen, die in den Siebziger Jahren fünf Deutsche Meistersch­aften, ein DFB-Pokaltrium­ph und zwei Uefa-Pokalsiege zu erringen. Am 26. Juni 1965 war dies noch weit weg, niemand konnte ahnen, dass dieser Tag erst der Anfang war, der Beginn einer großen Geschichte mit bislang 49 Bundesliga-Kapiteln. Ab dem 2. Juli kommt das 50. Kapitel hinzu.

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FOTO: HORSTMÜLLE­R Jupp Heynckes und Günter Netzer (v.l.) vor genau 52 Jahren im Spiel gegen Wormatia Worms.

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