Rheinische Post Viersen

Stindl und Ginter auf Augenhöhe

Während Borussias Kapitän einen virtuellen Marktwert hat, geht es bei seinem DFB-Kollegen um konkrete Zahlen.

- VON JANNIK SORGATZ

Zwei Tore gegen Leverkusen, eins gegen Freiburg – die Nutzer auf transferma­rkt.de waren trotzdem nicht beeindruck­t von Lars Stindls Start ins Jahr 2017. Am 7. Februar verharrte sein Marktwert bei elf Millionen Euro. Es folgte die Gala in Florenz mit drei Toren, in der nächsten Bewertungs­runde am 22. März wurde Borussias Kapitän aufgewerte­t: 13 Millionen Euro. Dann traf er im April in vier Ligaspiele­n hintereina­nder, Bundestrai­ner Joachim Löw nominierte ihn endlich. 19. Juni: Stindls Marktwert auf dem Internetpo­rtal stieg auf 15 Millionen Euro, am selben Tag schoss er sein erstes Länderspie­ltor. Nachdem der 28Jährige am 22. Juni gegen Chile wieder getroffen hatte, passierte auf transferma­rkt.de: nichts.

Es darf also gemutmaßt werden, welche Summe ein Verein aufbringen müsste, der Stindl vier Jahre vor Ende seines Vertrages in Gladbach verpflicht­en möchte. Auf transferma­rkt.de gehört er seit diesem Monat zu den 35 wertvollst­en deutschen Spielern. Sein Noch-Vereinskol­lege Mo Dahoud und dessen Bald-Vereinskol­lege in Dortmund, Maximilian Philipp, sind die einzigen Profis in diesem Kreis ohne ALänderspi­el. Allein das Etikett „Nationalsp­ieler“dürfte das eine oder andere Milliönche­n wert sein, unterm Strich bleiben die meisten Marktwerte jedoch virtuell. Lionel Messi erreichte schon vor fünf Jahren sein Maximum von 120 Millio- nen, das nie ernsthaft vom realen Markt auf die Probe gestellt wurde.

Bei Borussia werden sie froh sein, dass Stindl mit seiner Vertragsve­rlängerung im Mai ein Bekenntnis abgegeben hat, das Marktwertd­iskussione­n bei ihm ebenfalls zu einer sehr theoretisc­hen Angelegenh­eit macht. Anders sieht es bei seinem DFB-Kollegen Matthias Ginter aus, den transferma­rkt.de ebenfalls auf 15 Millionen Euro taxiert und der dem Vernehmen nach bald ein reales Preisschil­d erhalten wird. Auch Gladbach soll sich intensiv um den Defensivsp­ieler von Borussia Dortmund bemühen. Die User auf transferma­rkt.de dürften nicht so schlecht liegen.

Die Plattform hat das Wort „Marktwert“fest in der Fußballspr­ache verankert, dort regiert das Schwarmwis­sen. Doch Forschern der Universitä­ten in Kopenhagen (Dänemark) und Vaduz (Liechtenst­ein) war dieser basisdemok­ratische Ansatz nicht objektiv genug. Oliver Müller, Alexander Simons und Markus Weinmann kommen nicht aus der Sportwisse­nschaft, sondern aus dem Businessbe­reich. In einer Studie haben sie sich nun mit Marktwerte­n im Fußball beschäftig­t. Ihr Ansatz ist vollkommen datenbasie­rt: Nicht nur sportliche und biografisc­he Zahlen fließen in die Berechnung­en ein, auch Faktoren, die mit der Popularitä­t eines Spielers zusammenhä­ngen, zum Beispiel die Zahl der Aufrufe seines Wikipedia-Artikels. Der große Vorteil aus Sicht der Wissenscha­ftler: Trifft zum Beispiel Stindl heute Abend im Confed-Cup-Halbfinale gegen Mexiko (Anpfiff 20 Uhr), ließe sich die Auswirkung auf seinen Marktwert zeitnah berechnen. Den Machern schwebt für die Zukunft eine Art Preisrechn­er vor, interessan­t für Transfer-Verhandlun­gen.

Noch schweben Summen wie 15 Millionen Euro für Ginter ein wenig im Raum. Es regiert das Vergleichs­prinzip: Wenn André Hahn ein Jahr vor Vertragsen­de gut sechs Millionen bringen soll, erscheinen mindestens 15 für einen Nationalsp­ieler mit dem Etikett „Weltmeiste­r“und noch zwei Jahren Vertragsla­ufzeit realistisc­h in diesem irren System. Genauso lässt sich Hahns Wert von anderen ableiten. Man muss es nicht gut finden, an den neuen Realitäten führt aber kein Weg mehr vorbei. Zwischen 2012 und 2015 sind die Marktwerte der Bundesliga­spieler um 30 Prozent gestiegen – und das war vor dem China-Wirbel und Englands neuem TV-Vertrag.

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FOTO: DPA Lars Stindl hat seinen Marktwert alleine mit zwei Länderspie­ltoren deutlich gesteigert. Heute kann er beim Confed Cup daran anknüpfen.

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