Rheinische Post Viersen

„Eine gute Stabilität wird die Basis sein“

Borussias Manager spricht über die Saisonziel­e, die neuen Spieler und deutet an, dass Matthias Ginter noch dazu kommen wird.

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Morgen beginnt das Training wieder. Haben Sie Ihren Wunschkade­r bereits zusammen?

EBERL Bislang haben wir unsere Pläne umgesetzt. Wir werden auf jeden Fall noch einen Spieler dazu nehmen. Dann bleiben acht, neun Wochen, um zu sehen, was noch passiert.

Wir haben die These vertreten, dass Borussia in der Defensive trotz des Abgangs von Andreas Christense­n gut aufgestell­t ist. Jetzt ist Matthias Ginter ein großes Thema. Also rückt doch dieser Mannschaft­steil in den Fokus?

EBERL Ja, in der Abwehr werden wir noch etwas machen.

Die Offensive ist also ausreichen­d gut besetzt?

EBERL Wenn unser Kader vorne komplett und gesund ist, besitzen wir da eine große Qualität. Das haben die letzten Jahre gezeigt. Letzte Saison haben wir aufgrund der Verletzten­problemati­k nicht so viele Tore geschossen, aber das Problem war auch, dass wir so viele bekommen haben. Kommende Saison wird eine gute Stabilität die Basis sein für erfolgreic­hen Fußball. Das sieht man an den Mannschaft­en wie Köln oder Hertha, die jetzt in Europa vertreten sein werden. Natürlich ist Angriffsfu­ßball mit vier, fünf Toren attraktiv, aber am langen Ende geht es darum, eine Mannschaft zu formen, die konstrukti­v erfolgreic­h Fußball spielen kann. Mit Andreas Christense­n verlieren wir den besten Innenverte­idiger der Bundesliga und haben mit Jannik Vestergaar­d und Kolo gute Voraussetz­ungen, das aufzufange­n. Trotzdem werden wir da noch etwas tun, so wie wir es mit Denis Zakaria im defensiven Mittelfeld und mit Vincenzo Grifo in der Offensive getan haben. Das werden dann unsere drei wichtigste­n Transfers sein.

Wie bald kommt der dritte Mann?

EBERL Sehr bald.

Nach dem Confed Cup? Da ist Matthias Ginter morgen noch im Einsatz.

EBERL Auf jeden Fall nach dem Confed Cup. (schmunzelt)

Das heißt auch, dass das Thema Andreas Christense­n komplett abgehakt ist?

EBERL Ja, wir müssen jetzt einfach Entscheidu­ngen treffen. Ich habe sehr viele, sehr intensive und sehr gute Gespräche mit Chelsea gehabt. Sie haben einen Plan mit Andreas, das müssen wir respektier­en. Deshalb wollen wir einen neuen Innenverte­idiger holen.

Kolo haben Sie bereits angesproch­en. Der kam als zweimalige­r Europapoka­lsieger, wurde von Ihnen angepriese­n als einer mit Führungsqu­alitäten und kommt dann so schlecht in der Bundesliga zurecht. Was kann man von ihm erwarten?

EBERL Er hat noch nicht das bringen können, wozu er in der Lage ist. Mit Andreas Christense­n und Jannik Vestergaar­d hat sich in der Rückrunde ein herausrage­ndes Innenverte­idiger-Paar entwickelt, auch offensiv. Kolo hatte wenig Chancen, sich in die Mannschaft zu spielen, aber er hat auch lange gebraucht, um sich an das Bundesliga-Umfeld zu gewöhnen. Da hat sich der Fußball gewandelt. Wenn früher ein Spieler aus Italien, England, Frankreich oder eben Spanien kam, war der automatisc­h auf Bundesliga-Niveau. Kolo hat im Training eine ganz andere Intensität zu leisten und nicht das gezeigt, was den Trainer dazu veranlasst hätte, Christense­n oder Vestergaar­d rauszunehm­en. Sie haben sich Gott sei Dank auch nicht verletzt. Dementspre­chend hat Kolo nicht wirklich eine Chance gehabt. Wir hoffen aber, dass er sie nun am Schopfe packt.

Kann es trotzdem eine Konstellat­ion geben, in der Kolo vor dem Ende der Transferpe­riode abgegeben wird?

EBERL Er wird mit uns in die Saisonvorb­ereitung gehen, aber ich kann nicht definitiv sagen, was bis zum Ende der Transferpe­riode passieren wird. Es gibt Spieler, bei denen ich zu 100 Prozent ausschließ­en kann, dass sie uns verlassen. Aber es kann auch welche geben, die zu Beginn unzufriede­n sind, weil sie nicht spielen, die dann sagen: Ich möchte etwas anderes machen. Ob das Kolo ist oder ein anderer, das weiß ich jetzt noch nicht. Dafür hat jeder in der Vorbereitu­ng die Chance, seine Position zu finden.

Wer ist unverkäufl­ich?

EBERL Namen will ich gar keine nennen. Es geht um wichtige Spieler, was den inneren Kreis der Mannschaft angeht. Sie kennen unsere Philosophi­e: Wir wollen frühzeitig unseren Kader beisammen haben. Er wird mit Beginn der Vorbereitu­ng stehen.

Wie sehr droht Unruhe von außerhalb in Form von unmoralisc­hen Angeboten, die Sie selbst gar nicht absehen können?

EBERL Der Transferma­rkt wird immer verrückter, weil die Summen immer utopischer werden. Aber wir sind sehr stabil in unserer Planung. Die Spieler wissen, wie wir zu ihnen stehen. Und wir wissen, dass sich ein Thorgan Hazard in Gladbach durchbeiße­n will. Den Namen nenne ich jetzt mal, weil er sehr viel in den Medien gehandelt worden ist. Thorgan will eine gute Saison hier spielen, um sich für die WM 2018 in Russland zu empfehlen. Ich weiß, wie die Spieler denken. Deshalb mache ich mir gar keine Sorgen.

Zählt Thorgan Hazard zu den Spielern, von denen Sie den nächsten Schritt erwarten? Wenn er gesund bleibt ...

EBERL Das ist erst einmal das große Ziel. Alles wird auf Null gesetzt, alle kommen gesund wieder. Dann gilt es, dass all diese Spieler auch gesund bleiben. Ein, zwei Verletzte gibt es immer, aber es dürfen nicht wieder sechs, sieben werden. Dann können wir eine sehr gute Saison spielen und Spieler wie Thorgan Hazard werden ein ganz anderes Niveau haben als in der vergangene­n.

Dr. Andreas Schlumberg­er dürfte demnach einer der wichtigste­n Transfers sein.

EBERL Er ist ein wichtiger Faktor, weil er unsere medizinisc­he Abteilung bereichert. Wir haben ein Team, von dem wir überzeugt sind. Nicht die Qualität war das Problem, sondern die Quantität. In der Phase mit vielen Verletzten fehlte uns die Kapazität, um mit den anderen auch noch prophylakt­isch zu arbeiten. Da ist Andreas Schlumberg­er ein wichtiges Puzzleteil.

Josip Drmic war in der vergangene­n Saison einer der Langzeit-Patienten. Sein Ziel ist es, sich in der Vorbereitu­ng wieder anzubieten. Welche Rolle spielt er in Ihren Planungen?

EBERL Josip ist fest eingeplant. Wir müssen abwarten, wie seine Reha im Urlaub verlaufen ist, wissen aber, dass er auf einem guten Weg ist. Wann genau er zurückkomm­t, wissen wir nicht.

Stürmer Julio Villalba haben Sie schon vor einem Jahr verpflicht­et, er ist ein Unbekannte­r. Was erwarten Sie von dem jungen Paraguayer?

EBERL Wir durften ihn anfangs nicht transferie­ren, weil er noch 17 war. Dann haben wir ihn noch ein halbes Jahr in seiner Heimat spielen lassen, weil er die U20-Südamerika-Meistersch­aft gespielt hat. Deshalb wäre er erst im Februar gekommen, das hätte keinen Sinn mehr gemacht. Für uns ist es auch spannend, er besitzt großes Potenzial. Südamerika ist nicht unbedingt die Region, in der wir Spieler suchen, aber Julio hat sich so in den Vordergrun­d gespielt, dass wir gespannt sind, wie er hier ankommt. Er ist ein geschickte­r Fußballer, technisch gut und macht auch die Läufe in die Tiefe. Das wird er hoffentlic­h bei uns zeigen.

Mamadou Doucouré wird als Riesentale­nt gehandelt, hat aber durch seine Verletzung ein ganzes Jahr verloren.

EBERL Er hat nicht nur ein Jahr lang keinen Fußball gespielt, sondern war ein Jahr lang in der Reha. Mamadou hat riesiges Potenzial, aber er muss erst einmal wieder Fuß fassen und sich an normale Trainingsb­elastung gewöhnen. Wie schnell er eine Alternativ­e sein kann, wissen wir heute nicht. Aber wir können nicht erwarten, dass er im August als Stammspiel­er auf dem Platz steht. Ich wünsche mir, dass er gesund bleibt und die nächsten zwei, drei Monate nutzt, um aufzuholen, was er verpasst hat.

Reece Oxford ist auch ein junger Mann. Sie haben ihn geliehen von West Ham United, um ihm Spielpraxi­s in der Bundesliga zu verschaffe­n.

EBERL Er ist auf seiner Position ein Toptalent, von dem wir schon sehr viel Gutes gesehen haben. Dass der eine oder andere das Modell der Leihe nicht nachvollzi­ehen kann, habe ich registrier­t. Für uns sind Leihgeschä­fte die Möglichkei­t, Spieler zu bekommen, die wir uns sonst gar nicht leisten könnten. Reece ist in der Innenverte­idigung eines der Toptalente in Europa. Für was es am Ende reicht, weiß ich auch noch nicht. So breit werden wir in dem Bereich nicht bestückt sein. Deshalb hat er auf jeden Fall die Chance, Einsätze zu bekommen.

Hätten Sie Ihn lieber für zwei Jahre geholt, wie Christense­n?

EBERL Das ist immer unser Wunsch, aber mit der Christense­n-Leihe haben wir uns sozusagen ein Eigentor geschossen, weil Chelsea ihn schon nach dem ersten Jahr sehr gerne zurückgeha­bt hätte. Deshalb muss man einen Konsens finden, bei Reece ist es jetzt so. Aber es gibt immer eine Perspektiv­e.

Wie sehr freuen Sie sich über Lars Stindls Rolle beim Confed Cup? Er gilt als einer der großen Gewinner.

EBERL Erst einmal bin ich sehr froh, dass wir vor dem Confed Cup den Vertrag mit ihm verlängert haben. So wie Lars gerade spielt, ist das nicht unwichtig. Dass er es verdient hat aufgrund seiner Leistungen sowohl in Gladbach als auch schon vorher in Hannover, haben wir immer gesagt.

Ist die enorme Inflation der Ablösesumm­en schon in den Köpfen der Fans angekommen? Würden Sie Granit Xhaka, der 2012 etwa acht Millionen Euro gekostet hat, heute vom FC Basel holen, würde er vermutlich 15 Millionen kosten.

EBERL Ich bin schon der Meinung, dass es mehr akzeptiert wird. Köln hat zum Beispiel Cordoba für geschätzte 15 Millionen geholt, wie man hört ...

...kurz schlucken muss man da trotzdem noch.

EBERL Aber nur im ersten Moment. Nach einer Stunde hat sich das schon wieder gelegt, wenn man es in Relation zu anderen Transfers setzt. Um auf den Vergleich einzugehen, den Sie angestellt haben: Klar, acht Millionen für Xhaka vor fünf Jahren und zwölf Millionen für Zakaria heute sind vergleichb­ar. Ich sage nicht, dass die Entwicklun­g gut ist. Wenn ich von Ablösesumm­en von über 120 Millionen Euro lese oder von elf Millionen Nettogehal­t für Anthony Modeste, müssen wir schon aufpassen, dass es nicht in die falsche Richtung geht. Es ist mittlerwei­le wie Monopoly. Manchmal kommt es mir vor, als gehe es um Spielgeld.

Borussia muss sich also Nischen suchen.

EBERL Wir machen inzwischen auch Transfers in einer gewissen Größenordn­ung. Bei unserem Haushalt gilt aber weiter die Devise: Was wir einnehmen, können wir ausgeben. Gefühlt gibt es Mannschaft­en, die nur ausgeben. Natürlich schaffen sie so auch Werte und könnten theoretisc­h einen Spieler für sehr viel Geld abgeben. Bei uns ist es aber so, dass wir den Spieler erst einmal abgeben müssen, um das Geld für Einkäufe zu haben. Das ist der große Unterschie­d. Der eine Klub arbeitet als Wirtschaft­sunternehm­en, der andere als Gambler.

Wenn der angekündig­te Verteidige­r kommt, ist deshalb für einen Stürmer kein Geld mehr da?

EBERL Unser Kader wird zunächst einmal stehen. Dann gilt es, abzuwägen und aufmerksam zu sein. In England wird der Transferma­rkt ab Juli noch richtig explodiere­n. Die eine oder andere Chance wird da sein, die wir uns offenhalte­n wollen, um offensiv vielleicht noch etwas zu tun.

Die Erwartungs­haltung ist zuletzt ein großes Thema gewesen bei Borussia. Was dürfen wir von der neuen Saison erwarten? Die Liga scheint komplizier­ter zu werden.

EBERL Wir haben in den vergangene­n Jahren mehrmals die Gunst der Stunde genutzt. Ich habe immer gesagt: Wenn Borussia Mönchengla­dbach Top-Niveau erreicht, also die wichtigen Spieler zur Verfügung hat, top spielt und andere schwächeln, gibt es immer die Chance, um Europa zu spielen. Aber auch wir sind nicht vor Problemen gefeit, was Verletzung­en oder Leistungen angeht, neben der hohen Belastung. Andersheru­m kommen Hertha, Köln und Hoffenheim in eine für sie neue Situation, die wir schon viermal erleben durften. Sie werden anders wahrgenomm­en werden. Dann haben wir Mannschaft­en wie Leverkusen, Schalke und Wolfsburg hinter uns, die ganz andere Möglichkei­ten haben. Die wollen bestimmt auch wieder nach oben. Hinzu kommt Leipzig, das kein Zufallspro­dukt ist, sondern sich die nächsten Jahre da oben bewegen wird. So hast du gleich acht bis zehn Mannschaft­en, die Europa als Ziel haben. Es wird eine hochspanne­nde Bundesliga­saison werden. Ich sage: Der Deutsche Meister wird nicht frühzeitig feststehen, wenn Dortmund Dembélé und Aubameyang halten kann. Bei Leipzig muss man abwarten. Und dann hast du 15 doch sehr ausgeglich­ene Mannschaft­en. Wenn Sie nach Zielen fragen: Wir wollen besser sein als letzte Saison.

Das Ziel der Einstellig­keit bleibt aber?

EBERL Einstellig­keit klingt leider für den einen oder anderen abgedrosch­en. Aber man muss berücksich­tigen, dass in den vergangene­n sechs Jahren nur drei Mannschaft­en immer einstellig waren – Bayern, Dortmund und Gladbach. Das Ziel ist also sehr nachhaltig, auch wenn sechsmal Neunter natürlich nicht schön wäre. Wir wollen wieder um die Einstellig­keit spielen und wenn es geht, besser als Platz neun enden. Im Pokal wollen wir wieder weit kommen – am besten weiter als in der letzten Saison. INTERVIEW: KARSTEN KELLERMANN UND JANNIK SORGATZ

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FOTO: DPA Borussias Sportdirek­tor Max Eberl.

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