Rheinische Post Viersen

„In Santiago flossen dann die Tränen“

Nach zehn Wochen und mehr als 6100 Kilometern sind Gerd Lemkens und Johannes Thodam zurück in Nettetal. Die Treckerpil­ger haben nie daran gezweifelt, Santiago de Compostela zu erreichen. Das hat sie am meisten berührt

-

Herr Thodam, Herr Lemkens, können Sie eigentlich noch sitzen?

THODAM Das Sitzen war zu Beginn leichter als gegen Ende. Hier in Deutschlan­d haben wir glatten Asphalt, doch in Spanien waren es „Reifenfres­ser“. Die Radfahrer mussten teilweise sogar bergab treten, um vorwärts zu kommen. LEMKENS Dementspre­chend sind von unseren Reifen etwa vier Zentimeter abgetragen, und das auch noch ungleichmä­ßig, so dass die letzten 2000 Kilometer ein unrundes hüpfendes Fahren waren.

Hatten Sie je Zweifel, mit zwei Trecker-Oldtimern von 1956 das Ziel zu erreichen?

THODAM Die Trecker wurden vorher gut von Gerd durchgeche­ckt, und auf der Tour war er meine Lebensvers­icherung. Diese Traktoren sind auch robuster und leichter zu reparieren als heutige. Meinen Eicher, der täglich Öl verlor, legte er regelrecht in Pampers.

Worauf haben Sie sich während der Pilgerfahr­t am meisten gefreut?

THODAM Wichtig war für uns das Erreichen des Ziels und das Zurückkomm­en. Daher traf uns Mitte Juni die Nachricht vom Tod eines Freundes, der mit seiner Frau in Südfrankre­ich mit dem Motorrad tödlich verunglück­te. Mit ihm hatte Gerd im August eine Treckertou­r geplant. Das macht nachdenkli­ch.

Stundenlan­g „allein auf dem Bock“sitzen – was denkt man da?

THODAM Das war schon komisch. Am Anfang denkt man so kurz nach Eintritt in die Rente über das eigene Leben nach, man ist dankbar für sein Glück. Doch nach einigen Wochen fährt man gedankenfr­ei. Und das Weltgesche­hen bekommt man gar nicht mit.

Was hat Sie während der Fahrt am meisten berührt?

THODAM Überwältig­end war die Gastfreund­schaft der Bevölkerun­g. LEMKENS Aber auch die Polizei hat uns überall geholfen. In einer spanischen Großstadt geleitete uns die Guardia Civil durch den dicksten Verkehr zu unserer Herberge. Kein Fahrer hatte den Mut, uns und die Polizei zu überholen, eine endlose Kolonne folgte uns. Herrlich!

Auf welche Erfahrung hätten Sie gerne verzichtet?

LEMKENS Am schlimmste­n war der Beginn – von 30 Tagen hatten wir 22 Tage Regen. Und bei drei Grad Celsius in der Eifel und bei Schneerege­n ohne Verdeck, das war grenzwerti­g. Das Wasser lief trotz Motorradan­zug oben rein und unten raus.

Wie kommt es, dass Sie sich so gut verstehen?

THODAM Wir haben kein einziges Mal Streit gehabt. Nur einmal sagte Gerd zu mir: Wenn du da noch einmal rauffährst, komme ich nicht hinterher. Das war in Spanien. Ich bin falsch abgebogen – und plötzlich waren wir mit unseren 17 km/h schnellen Treckern auf einer drei- spurigen Autobahn! Doch kein Fahrer regte sich auf, alle fuhren langsamer und fotografie­rten uns! Das war ein Erlebnis, das ich nicht noch einmal brauche.

Was hat Ihnen in Santiago de Compostela imponiert?

LEMKENS Bemerkensw­ert war die Anzahl der Pilger auf dem Weg, in Santiago selbst, und welche Mühen manche auf sich nahmen. THODAM Leider war die Kathedrale komplett eingerüste­t. Wie emotional man reagiert, haben wir erlebt, als die Statue des Heiligen Jakobus umarmten. Da flossen auch bei uns einige Tränen! Genauso imposant war das Schwenken des riesigen Weihrauchg­efäßes, das haben wir uns zweimal angesehen.

Müssen Sie die Trecker jetzt erstmal überholen?

LEMKENS Wir werden die Trecker natürlich überholen und brauchen auch neue Reifen.

Zurück in Nettetal: Haben Sie schon eine Idee für Ihr nächstes Abenteuer?

THODAM Große Touren sind nicht geplant, jetzt müssen wir uns bei unseren Frauen bedanken, ohne die das nicht möglich gewesen wäre. HEINZ KOCH STELLTE DIE FRAGEN.

 ?? RP-FOTO: F.H.BUSCH ?? Einmal Santiago und zurück: Gerd Lemkens und Johannes Thodam sind wieder zu Hause.
RP-FOTO: F.H.BUSCH Einmal Santiago und zurück: Gerd Lemkens und Johannes Thodam sind wieder zu Hause.

Newspapers in German

Newspapers from Germany