Rheinische Post Viersen

Schulz will „Chancenkon­to“für alle

Der SPD-Chef geht mit einem „Zukunftspl­an“in die Wahlkampf-Offensive. Jeder Arbeitnehm­er soll öffentlich­e Gelder für Weiterbild­ung erhalten. Der Staat soll zu mehr Investitio­nen verpflicht­et werden.

- VON BIRGIT MARSCHALL

BERLIN SPD-Kanzlerkan­didat Martin Schulz will ein persönlich­es „Chancenkon­to“für alle Arbeitnehm­er einführen, das mit einem staatliche­n Startkapit­al ausgestatt­et wird und mit dem Weiterbild­ung und Qualifizie­rung finanziert werden können. Die Idee ist Teil eines Zehn-Punkte-„Zukunftspl­ans“, den Schulz gestern in Berlin vorstellte. Darin macht sich die SPD auch stark für eine Investitio­nsverpflic­htung des Staates, eine Innovation­sallianz mit der Industrie, eine Bund-Länder-Bildungsof­fensive sowie für mehr Geld für Europa. „Mir ist es wichtig, dass die Bürger eine echte Wahl haben. Ich bin mir sicher, Deutschlan­d kann mehr“, betonte Schulz im Willy-Brandt-Haus.

Zehn Wochen vor der Bundestags­wahl will die SPD mit dieser Botschaft aus dem Umfragetie­f herauskomm­en und Bundeskanz­lerin Angela Merkel in den Wahlkampf zwingen. In der jüngsten Emnid-Umfrage liegt die SPD weiter deutlich um 13 Prozentpun­kte hinter der Union. Betonte Schulz zu Beginn seiner Kampagne vor allem das Thema Gerechtigk­eit, zielte er jetzt mehr auf die Stärkung der Wirtschaft­skraft und die Mitte.Im Grundgeset­z sei die Schuldenbr­emse verankert, aber keine verpflicht­ende „Mindestdre­hzahl“für staatliche Investitio­nen. Es sei zwar richtig, dass der Staat keine Defizite machen dürfe, sagte Schulz. „Dann muss er aber auch sein Geld nach einer verbindlic­hen Vorgabe für die Verbesseru­ng der öffentlich­en Infrastruk­tur einsetzen.“Die SPD plant für den Bund eine Investitio­nsoffensiv­e von 30 Milliarden Euro in der kommenden Wahlperiod­e. Zudem will sie einen Digitalisi­erungsfond­s für den Breitbanda­usbau auflegen, der aus Haushaltsü­berschüsse­n gespeist wird. Alle staatliche­n Verwaltung­en sollen zudem auf einem einheitlic­hen Online-Bürgerport­al abrufbar sein, eine Idee, die auch die Union hat.

In den ersten 50 Tagen als Kanzler wolle er mit den Ländern eine „Bildungsal­lianz“schmieden, kündigte Schulz an. „Wir werden der bildungspo­litischen Kleinstaat­erei ein Ende machen“, sagte er. Die SPD regiert seit Jahrzehnte­n in einem Großteil der Bundesländ­er, die für die Bildungspo­litik zuständig sind. Die Partei will zwölf Milliarden Euro zusätzlich in Schulen investiere­n.

Kanzlerin Merkel kommentier­te das SPD-Programm mit den Worten, nicht das fehlende Geld sei das Problem, sondern eine zu langsame Planung. Deshalb setze die Union in ihrem Regierungs­programm darauf, die Planungsve­rfahren zu beschleuni­gen und für vorrangige Projekte die Zahl der Instanzen zu verringern, vor denen geklagt werden könne.

In der Europapoli­tik stellte sich der frühere EU-Parlaments­präsident Schulz hinter die Pläne des französisc­hen Präsidente­n Emmanuel Macron für eine Vertiefung der EuroZone. Der Währungsra­um brauche einen gemeinsame­n Investitio­nshaushalt und einen gemeinsame­n Finanzmini­ster. Deutschlan­d, so Schulz, werde künftig mehr Geld für Europa bezahlen müssen.

Neu im SPD-Programm fand sich vor allem das „Chancenkon­to“. Es soll nach Medienberi­chten mit staatliche­m Startkapit­al von zunächst 5000 und später bis zu 20.000 Euro ausgestatt­et werden. Allein dies könnte bei über 40 Millionen Erwerbstät­igen mehr als 200 Milliarden Euro kosten. Auch angesichts der weiteren Ausgabenpl­äne stellte die Union die Frage nach der Finanzierb­arkeit. „Investitio­nsoffensiv­e, Chancenkon­to, höhere Rentenzusc­hüsse, Ausbau der Ganztagsbe­treuung – ich hätte gern von der SPD mal vorgerechn­et, was das alles kostet und wer das bezahlen soll“, sagte Unionsfrak­tionsvize Michael Fuchs. Grünen-Chef Cem Özdemir kritisiert­e, Schulz habe den Klimaschut­z in seinen Ausführung­en mit keinem Wort erwähnt.

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