Rheinische Post Viersen

Auf dem Trainerkar­ussell sitzen jetzt die Jungen

Die Nachwuchs-Coaches sind nicht unbedingt erfolgreic­her, aber sie etablieren eine andere Arbeitswei­se.

- VON TOM TRILGES

DÜSSELDORF Die TSG 1899 Hoffenheim könnte in der Spielzeit 2017/ 18 erstmals an der Champions League teilnehmen. Der Trainer, der die erfolgreic­hste Phase der Vereinsges­chichte verantwort­et, heißt Julian Nagelsmann und ist mit knapp 30 Jahren der jüngste Bundesliga­Cheftraine­r aller Zeiten. Der FC Schalke 04 strebt mit dem 31-jährigen Bundesliga-Frischling Domenico Tedesco zurück in die Königsklas­se. Ältere Kollegen wie Bremens Meistertra­iner aus dem Jahr 2004, Thomas Schaaf, befinden sich dagegen auf Vereinssuc­he.

Das Duo Thomas Schaaf/Klaus Allofs stand jahrelang für Erfolg. Werder Bremen landete zwischen 2004 und 2008 fünf Mal in Folge unter den besten drei Teams der Bundesliga. Im November 2012 verabschie­dete sich Manager Allofs zum VfL Wolfsburg, wenige Monate spä- ter war für Schaaf nach 14 Jahren auf der Werder-Bank Schluss. Die Ergebnisse hatten nach 2008 nicht mehr gestimmt. In Frankfurt lief es 2014/15 zumindest ordentlich, ab Dezember 2015 scheiterte Schaaf als „Feuerwehrm­ann“bei Hannover 96. Heute ist er Spielebeob­achter für die Uefa, liebäugelt mit einer Rückkehr in den Trainerjob.

Vom Meistercoa­ch zum Jobsuchend­en – diesen Weg ging auch Armin Veh. 18 Monate nach dem Sensations-Titel mit dem VfB Stuttgart 2007 musste der Trainer seinen Hut nehmen. Seither gelang ihm nur zwischen 2011 und 2014 bei Eintracht Frankfurt eine überzeugen­de Amtsperiod­e. Seit März 2016 trainiert Veh keine Mannschaft mehr, fungiert als „Doppelpass“-Experte auf Sport 1. Stuttgarts ehemaliger Coach gestand Ende 2016 in der „Augsburger Allgemeine­n“: „Als Trainer aber brauchst du Leidenscha­ft. Die ist noch wichtiger als Er- fahrung. Die Leidenscha­ft hat mir irgendwann gefehlt, weil ich mein ursprüngli­ches Vorhaben, zu pausieren, nicht durchgezog­en habe.“

Es hat sich offenbar etwas geändert auf dem Markt, das Pendel schlägt von Erfahrung hin zur Leidenscha­ft. Die Klubs setzen zunehmend auf sogenannte „Konzepttra­iner“, die jünger sind und sich in der Regel durch überzeugen­de Resultate im Nachwuchsb­ereich empfehlen. Nur jeder dritte Bundesliga­Trainer hat das 50. Lebensjahr vollendet, sechs sind unter 40. Die Ausgangsla­ge für die beiden 56-jährigen Schaaf und Veh stellt sich bescheiden dar. Nicht nur für sie. Auch für Bruno Labbadia (51), Jos Luhukay (54), Michael Frontzeck (53), Bernd Schuster (57), Peter Neururer (62), und, und, und. Aber bedeutet jünger automatisc­h besser? Rein statistisc­h gesehen nicht. Die Bundesliga-Coaches aus der unteren Tabellenhä­lfte waren 2016/17 im Schnitt etwas jünger als die auf den vorderen Plätzen.

Möglicherw­eise schätzen die Klubbosse aber vielmehr die Herangehen­sweise der neuen Trainer-Generation. Christian Heidel, Sportvorst­and des FC Schalke 04, begründete seine Entscheidu­ng für Domenico Tedesco: „Wir wollten einen Trainer verpflicht­en, der taktisch sehr versiert ist. Der bewiesen hat, dass er eine Mannschaft taktisch voranbring­en kann. Ich habe mich mit Domenico schon vor längerer Zeit befasst. Er hat auch eine hohe soziale Kompetenz und große Kommunikat­ionsbereit­schaft. Das sind die drei wichtigste­n Dinge, die wir uns auf Schalke wünschen.“Im Trend liegen sogenannte „Laptoptrai­ner“, die Spiel- und Trainingsd­aten computerge­stützt analysiere­n. „Digital Natives“(mit der digitalen Welt Aufgewachs­ene) wie Nagelsmann und Tedesco haben dabei Vorteile gegenüber älteren Kollegen. Hoffenheim profitiert­e außerdem in der öffentlich­en Wahrnehmun­g von Nagelsmann­s dynamische­r Art.

Unter dem Strich bleibt die Erkenntnis: Erfolg ist faktisch keine Frage des Alters und der Erfahrung. Einen Vorteil auf dem Trainermar­kt für gestandene Coaches scheint es anders als vor wenigen Jahren nicht mehr zu geben.

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FOTO: DPA Domenico Tedesco (31), Trainer von Schalke 04.

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