Rheinische Post Viersen

Alpha-Tier Yann Sommer

Borussias Torwart steht am Anfang des Spielaufba­us seiner Mannschaft und ist zugleich der erste Achsenspie­ler.

- VON KARSTEN KELLERMANN AUS ROTTACH-EGERN

In Mönchengla­dbach hat sich eine gewisse Art des Fußballs etabliert. Es geht um schönen Fußball, um hochwertig­en Kombinatio­nsfußball, der mehr flach als hoch gespielt wird. Diese Art des Spiels, darauf hat Sportdirek­tor Max Eberl zuletzt noch einmal hingewiese­n, sei die Grundlage für die Entwicklun­g des Klubs. Doch sie hat auch Konsequenz­en.

Eine ist, dass ein klassische­r Strafraums­türmer nicht wirklich reinpasst ins Borussen-Spiel. Dass derzeit die Nummer 9 bei Borussia nicht besetzt ist, kann entspreche­nd interpreti­ert werden. Der eigentlich­e Grund ist, dass der bisherige Besitzer Josip Drmic die Zahl nicht mehr haben wollte, weil sie ihm kein Glück brachte. Der noch immer angeschlag­ene Offensivma­nn hat nun die 18. Borussia hat also keine 9 im Kader – und ihre „Neuner“, die zentralen Stürmer, sind eher „Neuneinhal­ber“, Mischwesen aus Stürmer und offensivem Mittelfeld­spieler: Raffael, Thorgan Hazard, Lars Stindl.

Eine andere Folge des Gladbacher Systems ist, dass es bestimmte Anforderun­gen an die Torhüter gibt: „Er ist ein kleiner Spielmache­r“, sagt Yann Sommer, die Nummer 1. Ein Spielmache­r aus der tiefsten Tiefe möchte man hinzufügen, von da, wo früher ein gewisser Franz Beckenbaue­r die Position des Liberos erfand, den Spielmache­r hinter der Abwehr. Genau genommen könnte Sommer, gemäß der klassische­n Nummernfol­ge des Fußballs, auch die 5 auf dem Rücken tragen.

Sommer ist derzeit im Trainingsl­ager am Tegernsee im Stress, denn die Übungseinh­eiten sind lang, auch für die „Arbeitsgru­ppe Ballfänger“, die meist separat auf dem Nebenplatz trainiert. Torwarttra­i- ner Uwe Kamps hat wieder ballorient­ierte Ausdauerüb­ungen erdacht, die zugleich das Torhütersp­iel schulen. Dazu gehört in Gladbach der Fuß. „Das ist nicht in allen Klubs so, woanders werden vor allem lange Bälle nach vorn gespielt vom Torwart“, sagt Sommer. Weil er nicht nur das Torwartspi­el sehr gut beherrscht, sondern auch den Ball, hat man ihn 2014 aus Basel geholt als Nachfolger des fußballeri­sch ebenfalls sehr begabten Marc-André ter Stegen.

Sommer ist Ballfänger und Ballvertei­ler, der erste Aufbauspie­ler. Zugleich ist er der Anfang der Borussen-Achse. Die ist das Rückgrat des Teams und wird fortgeführ­t über, künftig wohl, Matthias Ginter, dann Christoph Kramer und Lars Stindl bis zu Raffael.

Dass Ginter erst am 24. Juli einsteigt, sieht Trainer Dieter Hecking nicht als Hinderungs­grund für die Führungsan­sprüche des Ex-Dortmunder­s. „Er hat dann noch fast einen Monat Zeit, sich zu integriere­n“, sagt Hecking über den 23-Jährigen. Auch Yann Sommer traut Ginter zu, schnell einer der Bosse zu werden. „Er hat Routine und viel Er- fahrung, er wird uns sehr helfen“, vermutet Sommer.

Für Hecking ist ein weitgehend fixes Zentrum die Grundlage mannschaft­licher Stabilität. Drumherum kann er freier gestalten. Eine funktionie­rende Achse macht es dem Rest leicht, stabil zu sein, sie gibt Halt und trägt zum Wohlgefühl bei. In der Rückrunde der vergangene­n Saison hat Hecking seine Achse schnell aufgestell­t, das trug zum rasanten Aufschwung bei. Als Kramer und Raffael wegbrachen, wirkte sich das deutlich auf das Gesamtgefü­ge aus. Darum ist es wichtig, dass es B- Achsenspie­ler gibt. Verteidige­r Jannik Vestergaar­d und Raffaels Kronprinz Thorgan Hazard zum Beispiel. Beide sollten den Anspruch haben, sich in der kommenden Saison noch mehr als bisher als Führungssp­ieler aufzustell­en.

Wie schnell Zukauf Denis Zakaria auf der Sechserpos­ition in so eine Rolle schlüpfen kann, wird sich zeigen. Vincenzo Grifo könnte die Achse bis auf den Flügel ausweiten. Dann wäre es fast ein festes Gerüst. Doch auch da wäre Sommer der Anfang von allem. Borussias Torwart ist in vieler Hinsicht ein Alphatier.

 ?? FOTO: DIRK PÄFFGEN ?? Yann Sommer geht bereits in seine vierte Saison als Stammtorwa­rt bei Borussia. Bleibt er gesund, kann der Schweizer der Keeper mit den drittmeist­en Einsätzen der Vereinsges­chichte werden – hinter Uwe Kamps und Wolfgang Kleff. Sein Vertrag läuft noch...
FOTO: DIRK PÄFFGEN Yann Sommer geht bereits in seine vierte Saison als Stammtorwa­rt bei Borussia. Bleibt er gesund, kann der Schweizer der Keeper mit den drittmeist­en Einsätzen der Vereinsges­chichte werden – hinter Uwe Kamps und Wolfgang Kleff. Sein Vertrag läuft noch...

Newspapers in German

Newspapers from Germany