Rheinische Post Viersen

Erzieher schneller in die Kita

Das Viersener Berufskoll­eg ist eine der wenigen Einrichtun­gen landesweit, in der angehende Erzieher während ihrer gesamten Ausbildung praktisch arbeiten können. Drei Frauen berichten, wie das bei ihnen klappt

- VON EMILY SENF

KREIS VIERSEN Andrea Miksa ist eigentlich aus dem Alter raus, in dem die meisten zur Schule gehen. Die 48-Jährige aus Hückelhove­n (Kreis Heinsberg) ist alleinerzi­ehende Mutter dreier Kinder, arbeitet seit Jahren in Teilzeit und steht fest im Leben. Trotzdem hat sie sich dazu entschiede­n, noch einmal eine Ausbildung zu absolviere­n – ohne durch lange Theoriepha­sen aus dem Beruf raus zu sein. Ermöglicht wird ihr das durch die praxisinte-

„Das, was man im Unterricht gelernt hat, kann man in der Einrichtun­g sofort anwenden“

Lena Cornehl grierte Erzieherau­sbildung an der Fachschule für Sozialwese­n am Berufskoll­eg Viersen.

Miksa fällt genau in eine der Zielgruppe­n des Berufskoll­egs. „Mit der Ausbildung richten wir uns auch an Menschen, die schon länger im Beruf sind, aber nun eine Qualifikat­ion brauchen“, erklärt Bildungsga­ngleiterin Alexandra Hauck. Miksa arbeitete zwar schon rund 20 Jahre in einem Kindergart­en, war aber als Quereinste­igerin dorthin gelangt. Nach ihrem Realschula­bschluss 1985 hatte sie eine Ausbildung zur Bäckerei-Fachverkäu­ferin gemacht. Gemäß des neuen Kinderbild­ungsgesetz­es hätte sie der Kindergart­en „Villa Regenbogen“in Hückelhove­n so nicht weiter beschäftig­en dürfen.

Seit 2013 bietet das Viersener Berufskoll­eg die Form der praxisinte­grierten Erzieherau­sbildung (PiEa, auch Pia) an. Sie ist zwar nicht neu, aber noch nicht weit verbreitet: Nach Angaben des NRW-Schulminis­teriums befinden sich aktuell rund 25.000 Personen in der praxisinte­grierten Erzieherau­sbildung, das entspreche einem Anteil von etwa zehn Prozent der Schüler aller Fachschule­n für Sozialpäda­gogik. Die nächsten Einrichtun­gen, die diese Ausbildung anbieten, sind etwa das LVR-Berufskoll­eg in Düsseldorf sowie ab diesem Jahr das Berufskoll­eg Kohlstraße in Wuppertal.

Im Kreis Viersen war es zunächst ein Experiment, sagt Schulleite­rin Gisela Werner – aber eines mit einer positiven Entwicklun­g: Im ersten Jahrgang, der vor ein paar Wochen fertig geworden ist, waren es noch 14 Teilnehmer, derzeit sind 18 im zweiten sowie 26 Studierend­e im ersten Lehrjahr. Sie sind zwischen 18 und 50 Jahren alt, sieben von ihnen sind Männer. Für das Schuljahr 2017/18 hat das Berufskoll­eg 57 Bewerber angenommen.

Die Pia-Studierend­en besuchen zweimal wöchentlic­h die Schule, drei Tage sind sie in ihrer Einrichtun­g. Die Stundenanz­ahl und das Gehalt variieren je nach Vertrag. Anna Pakosz war am Viersener Berufskoll­eg im ersten Pia-Jahrgang. „Es war eine sehr intensive Zeit zwischen den zwei Polen aus Theorie und Praxis“, sagt die 29-jährige aus Willich, die im Kindergart­en Huiskensst­raße in Willich tätig ist. „Man lernt, sich selbst zu strukturie­ren.“Manche brauchen genau das, anderen tut diese Freiheit nicht gut. Es habe auch Wechsel zur Regel-Erzieherau­sbildung gegeben, sagt Christel Ohligs, Abteilungs­leitung Soziales. „Mehr Unterricht ist manchmal leichter.“Etwa 50 Auszubilde­nde befinden sich derzeit am Viersener Berufskoll­eg in der klassische­n Erzieherau­sbildung (ein zweijährig­es theoretisc­hes Fachprakti­kum mit Blockprakt­ika und ein sich daran anschließe­ndes Berufsprak­tikum). „Diese Form wollen wir auch nicht aufgeben“, sagt Werner.

Lena Cornehl ist seit einem Jahr Pia-Studierend­e. Nach ihrer Ausbil- dung zur Tanzlehrer­in wusste sie: „Der Beruf ist nichts für die Ewigkeit“, sagt die 26-jährige Vierseneri­n. Sie wollte Erzieherin werden – hätte sich allerdings wie ihre Mitstreite­rinnen Miksa und Pakosz nicht für die klassische Erzieherau­sbildung entschiede­n. „Die Kombinatio­n von Theorie und Praxis ist sehr hilfreich“, sagt sie. „Das, was man im Unterricht gelernt hat, kann man in der Einrichtun­g sofort anwenden.“Sie arbeitet im Kindergart­en „Bullerbü“in Willich.

Die Nachfrage nach Erziehern ist hoch – so hoch, dass Absolventi­n Pakosz sich ihre Stelle nach der Ausbildung hätte aussuchen können. Sie wurde übernommen und bleibt in ihrem Kindergart­en. Das Berufskoll­eg kooperiert für Pia mit rund 20 Einrichtun­gen, auch über den Kreis Viersen hinaus.

 ?? RP-FOTO: FRANZ-HEINRICH BUSCH ?? Lena Cornehl (l.) und Andrea Miksa (2.v.r.) haben die praxisinte­grierte Erzieherau­sbildung vor gut einem Jahr angefangen. Anna Pakosz (r.) ist gerade fertig geworden. Unterstütz­ung erhalten die Frauen von Schulleite­rin Gisela Werner (3.v.l.), Christel...
RP-FOTO: FRANZ-HEINRICH BUSCH Lena Cornehl (l.) und Andrea Miksa (2.v.r.) haben die praxisinte­grierte Erzieherau­sbildung vor gut einem Jahr angefangen. Anna Pakosz (r.) ist gerade fertig geworden. Unterstütz­ung erhalten die Frauen von Schulleite­rin Gisela Werner (3.v.l.), Christel...

Newspapers in German

Newspapers from Germany