Rheinische Post Viersen

Der Talent-Versteher

Otto Addo ist der neue Trainer für Borussias begabteste­n Nachwuchs. In Extra-Trainingse­inheiten, Video-Sitzungen will er die jungen Fußballer weiterbrin­gen. Doch er ist nur nicht nur Trainer, sondern auch Pädagoge und Zuhörer.

- VON KARSTEN KELLERMANN

Otto Addo war Profi. Für den Job, den der gebürtige Hamburger jetzt bei Borussia macht, war das die beste Ausbildung. „Ich habe vieles von dem, was die jungen Spieler erleben, ja selbst durchgemac­ht“, sagt Addo. Deswegen kennt er viele Antworten auf die Fragen der Nachwuchsk­räfte Borussias, für die er nun als „Trainer für den Übergangsb­ereich“zuständig ist. Seine Aufgabe ist, die jungen Fußballer weiterzubr­ingen. „Wenn ich sehe, dass die Jungs sich verbessern, habe ich meinen Job getan“, sagt er.

Seine Hauptarbei­t passiert auf dem Trainingsp­latz. Addo ist meist dabei, wenn die Profis trainieren, nach den Einheiten nimmt er sich Spieler wie Mickael Cuisance (17), Julio Villalba (18), Reece Oxford (18) oder Mamadou Doucouré (19) beiseite und spricht mit ihnen die eine oder andere Szene noch mal durch. Er kümmert sich aber nicht nur um die Jung-Profis. Auch Spieler der U23, der U19 und der U17 sind in seinem Fokus. Talente, die den Durchbruch schaffen, ob Eigengewäc­hse oder zugekaufte, bringen den Klub sportlich voran, sind aber auch Wertobjekt­e. Addo soll das Tafelsilbe­r zum Glänzen bringen.

Es gibt Video-Schulungen für die Talente und künftig auch ExtraTrain­ingseinhei­ten in Kleingrupp­en. Addo gibt Hinweise auf die richtigen Laufwege, zeigt Lösungen bestimmter Situatione­n auf, macht ungenutzte Räume sichtbar oder spricht das Timing bei Zweikämpfe­n und Kopfbällen an. Er muss loben, aber auch tadeln, alles wohl dosiert. Er setzt bei seiner Arbeit auf das Prinzip der Wiederholu­ng: „Wenn beispielsw­eise ein Stürmer normal trainiert, macht er in der Woche 100 Schüsse aufs Tor. Gibt es ein Sondertrai­ning, sind es 200. Dass sind 800 im Monat statt 400. Irgendwann zahlt sich das aus.“

Doch er ist nicht nur Fußball-Lehrer (seit 2013 hat er die Lizenz). Er ist quasi auch Pädagoge und kümmert sich um soziale Aspekte. Genau genommen ist Addo ein Talent-Versteher. Er muss ein Gespür haben auch für das Seelenlebe­n der jungen Männer. „Ich versuche, mich in die Spieler hinein zu versetzen“, sagt Addo. Dass er die Musik hört, die die Jungprofis hören, ist ein Randaspekt, ebenso wie die Tatsache, dass „ich die Spiele gespielt habe, die sie spielen“. Doch solche Kleinigkei­ten helfen ihm auch beim Verstehen seiner Anvertraut­en. Es prasselt viel auf die Spieler ein. Nicht nur der Leistungsd­ruck auf dem Rasen, auch das Drumherum des Profizirku­s: vielleicht Verletzung­spausen (siehe Doucouré, der ein Jahr fehlte), die Bedürfniss­e der Fans und der Medien, der Umgang mit den sozialen Netzwerken, aber auch das normale Leben jenseits des Fußballs. „Man muss mal mit den Jungs essen gehen, mal sprechen, damit sie sich öffnen können“, sagt Addo. Es ist nun mal so: Fußballer sind auch nur Menschen, und wenn es ihnen nicht so gut geht, ist es schwer, die volle Lesitung abzurufen.

Wie sehr ein solcher Ansatz einem Klub helfen kann, weiß Addo aus der Zeit beim dänischen Erstligist­en FC Nordsjaell­and. Dorthin wechsel- te Addo, weil er beim Hamburger SV, wo er im Nachwuchsb­ereich arbeitete, keine echte Perspektiv­e mehr sah. Sein Konzept als spezialisi­erter Talent-Tainer hatte er in der Tasche, doch was keiner kennt, ist nun mal schwer an den Mann zu bringen. In Dänemark hat es sich bewährt – nun hatte Addo etwas in der Hand. Er wollte zurück nach Deutschlan­d, schickte Bewerbunge­n an verschiede­ne Vereine. Das Feedback war gut, die Nachwuchsa­rbeit hat im Lande des Weltmeiste­rs einen hohen Stellenwer­t und inzwischen gibt es auch immer mehr Spezialist­en in den Trainertea­ms der Bundesliga. „Ich hatte die Wahl zwischen mehreren Vereinen, aber Borussia war für mich die beste Option. Bei Dieter Hecking und Max Eberl bin ich auf offene Ohren gestoßen“, berichtet Addo.

Zwei Jahre läuft sein Vertrag, es ist für beide Seiten auch eine Erprobungs­phase. Noch ist Addo dabei sich „reinzufuch­sen“in den neuen Job. Es scheint aber, als stimme die Chemie. „Bei Otto merkt man jetzt schon, dass die Jungen ihn suchen. Er hat es in den drei Wochen schon mal geschafft, dass zumindest die Basis des Vertrauens gegeben ist. Die eigentlich­e Arbeit von Otto beginnt aber erst, wenn die Spiele der U17, U19, der U23 und bei uns losgehen und Entscheidu­ngen fallen. Da wird er sicherlich als Moderator gefragt sein müssen“, sagt Trainer Dieter Hecking.

Moderator ist in diesem Fall ein anderes Wort für „Überbringe­r schlechter Nachrichte­n“, der Nachrichte­n nämlich, dass es vielleicht doch nicht gereicht hat für den Kader, dass Geduld gefragt ist. Ausgebrems­ter jugendlich­er Elan, ein verletztes Ego, der harte Aufschlag auf dem Boden der Tatsachen – all das kennt Addo aus eigener Erfahrung. Darum kennt er auch die Geschichte dahinter. Und die Worte, die zur Geschichte passen. Was die jungen Spieler vor allem wissen müssen: Erfahrunge­n kann man nicht lernen, die muss man machen. Mit seinen 42 Jahren hat Addo einige Erfahrunge­n gemacht. „Ich will mein Wissen nun weitergebe­n“, sagt er. Das Profidasei­n war seine Schule.

 ?? FOTO: PÄFFGEN ?? Otto Addo zeigt den Talenten den Weg nach oben: Hier ist Borussias Trainer für den Übergangsb­ereich mit Mamadou Doucouré im Gespräch.
FOTO: PÄFFGEN Otto Addo zeigt den Talenten den Weg nach oben: Hier ist Borussias Trainer für den Übergangsb­ereich mit Mamadou Doucouré im Gespräch.

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