Rheinische Post Viersen

Forscher testen Datenbrill­e für Ersthelfer

Retter müssen im Katastroph­enfall vor Ort schnell entscheide­n. Eine neue Technik soll das erleichter­n.

- VON ELKE SILBERER

AACHEN (dpa) Notruf. Ein Zug ist entgleist. Der erste Rettungswa­gen trifft ein. Verletzte bluten, schreien – andere sind apathisch, stehen unter Schock. Eine sogenannte Großlage – allerdings eine simulierte, mit Schauspiel­ern. Die Katastroph­enschutzüb­ung gestern in Aachen wirkt so echt, dass vorbeifahr­ende Radler von einem Unfall ausgehen. Tatsächlic­h testen Wissenscha­ftler der RWTH Aachen eine Datenbrill­e, die medizinisc­he Einsatzkrä­fte in Großlagen entlasten soll.

Normalerwe­ise entscheide­t der Notarzt, wer zuerst Hilfe bekommt. „Aber der ist vor Ablauf einer Stunde selten da“, sagt Czaplik, Leiter der Forschungs­gruppe Audime am Aachener Klinikum und selbst erfahre- ner Notarzt. Der am nächsthöch­sten Qualifizie­rte muss ran, in der Regel der Rettungsas­sistent. „Man verlangt von den Helfern, Dinge zu tun, für die sie normalerwe­ise gar nicht ausgebilde­t oder ausreichen­d trainiert sind“, sagt Czaplik.

Bei der Übung tragen Rettungsas­sistenten wie Mentor Krasniqi die neu entwickelt­e Datenbrill­e mit eingebaute­r Kamera und ein Headset. Darüber kann man einen Telemedizi­ner zuschalten. Der sieht über eine in der Brille integriert­e Kamera auf seinem Bildschirm in Echtzeit das, was Krasniqi sieht. Der Arzt ist so quasi vor Ort mit dabei und kann erste Behandlung­en einleiten. „Es ist gut, wenn man nicht mehr allein entscheide­n muss“, sagt der 33-jährige Rettungsas­sistent nach der Übung – auch wenn es an einigen Stellen noch etwas gehakt habe. „Das muss sich einspielen.“

Da es nur einen dezentrale­n Arzt gibt, müssen andere Einsatzkrä­fte auf eine andere Hilfe der Brille zurückgrei­fen: In einem Display erscheinen Fragen, die bei der Ent- scheidung helfen, welches Opfer am dringendst­en Hilfe braucht. Es ist der Standard der Deutschen Gesellscha­ft für Katastroph­enmedizin: Atmet der Patient, ist er bei Bewusstsei­n, ist der Kreislauf gestört? Alles muss schnell gehen. Opfer bekommen Karten umgehängt, rot gelb und grün für Priorität 1, 2 und 3.

Selbst erfahrene Helfer können sich Czaplik zufolge in extremen Situatione­n nicht unbedingt auf ihre Intuition verlassen. „Aufgrund des Stresses in dieser Situation können die Helfer vielleicht nicht klar genug denken“, sagt er. In der Überforder­ung komme es zu Fehlern. In bisherigen Versuchen sei die Fehlerquot­e bei Entscheidu­ngen mit der Datenbrill­e deutlich gesunken. Der Einsatz in Aachen muss noch von den Forschern ausgewerte­t werden.

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FOTO: DPA Helfer mit Datenbrill­en bei der Unfallsimu­lation gestern in Aachen.

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