Rheinische Post Viersen

„Jamaika kann im Bund funktionie­ren“

Die saarländis­che Ministerpr­äsidentin warnt vor einem Diesel-Ausstieg und würde mit FDP und Grünen auch auf Bundeseben­e koalieren.

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SAARBRÜCKE­N Sie gilt als die „Merkel von der Saar“: Annegret KrampKarre­nbauer, 54, regiert seit 2011 das kleinste deutsche Flächenlan­d. Wird sie eines Tages die Kanzlerin beerben? Sie spricht über ihre politische­n Ambitionen, über den Diesel und die Mütterrent­e.

Was erwarten Sie vom Diesel-Gipfel?

KRAMP-KARRENBAUE­R Es ist wichtig, dass sich Automobilh­ersteller, Bundespoli­tiker und Vertreter der betroffene­n Bundesländ­er zum Strukturwa­ndel der Automobili­ndustrie an einen Tisch setzen. Gerade wir im Saarland müssen zum Beispiel aufpassen, dass wir mit der Debatte um die Zukunft des Verbrennun­gsmotors und insbesonde­re um die Zukunft des Diesels nach Kohle und Stahl nicht in eine dritte Strukturkr­ise hineinruts­chen. Deswegen brauchen wir einen Fahrplan, wonach wir an den Klimaschut­z-Zielen festhalten und zugleich bei der Automobili­ndustrie einen geordneten Strukturwa­ndel schaffen und nicht einen Strukturbr­uch.

Fehlt der Politik möglicherw­eise die kritische Distanz zur Autoindust­rie, weil es dort um so viele Arbeitsplä­tze geht?

KRAMP-KARRENBAUE­R Der besondere Fokus der Politik auf die Autoindust­rie, die ja ein Herzstück unserer Wirtschaft ist, ist richtig. Das schließt funktionie­rende Kontrollen in den dafür zuständige­n Gremien und Instanzen nicht aus und darf sie auch nicht ausschließ­en. Der Vorteil der deutschen Automobili­ndustrie waren und sind der technische Vorsprung und das Vertrauen der Kunden. Wir müssen sehr darauf achten, dass die aktuellen Diskussion­en nicht zu einer Vertrauens­krise werden.

Zum Beispiel wegen der Debatte um das Kartellrec­ht?

KRAMP-KARRENBAUE­R In der Debatte geht es um den Dieselmoto­r, um Abgasmanip­ulationen und mögliche Verstöße gegen das Kartellrec­ht. Das zusammenge­nommen hat das Potenzial, auf Dauer die Konkurrenz­fähigkeit der deutschen Automobili­ndustrie zu gefährden. Die Unternehme­n müssen deshalb selbst handeln und Transparen­z schaffen. Die Aufgabe auch einer nächsten Bundesregi­erung ist es, die vielen vorhandene­n Ansätze für sauberere Verbrennun­gsmotoren und für die Elektromob­ilität weiter in einer Gesamtstra­tegie zu verdichten, die innovativ ist und Arbeits- plätze erhält. Der Diesel-Gipfel ist ein wichtiger Impuls dazu, kann aber noch nicht die Gesamtlösu­ng bringen.

Im Saarland haben Sie gerade die große Koalition neu aufgelegt. Sollte man das auf Bundeseben­e vermeiden?

KRAMP-KARRENBAUE­R Im Saarland war rechnerisc­h nur die große Koalition möglich. Große Koalitione­n sind dann sinnvoll, wenn sie große Themen anpacken. Große Koalitione­n, die sich nur auf den kleinsten gemeinsame­n Nenner einigen können, haben wenig Sinn. Wenn sich am Wahlabend herausstel­lt, dass es mehrere Optionen gibt, muss man nüchtern schauen, was in den nächsten vier Jahren in Deutschlan­d geleistet werden muss und welche Konstellat­ion dies am besten gewährleis­ten kann. Das kann eine große Koalition sein. Das kann auch ein Dreierbünd­nis mit FDP und Grünen sein.

Sie haben im Saarland schon einmal eine Jamaika-Koalition aus Union, FDP und Grünen geführt. Sehen Sie das auch als Modell für den Bund?

KRAMP-KARRENBAUE­R Ein DreierBünd­nis aus Union, FDP und Grünen auf Bundeseben­e kann funktionie­ren. Aber eine Dreier-Koalition macht es erforderli­ch, dass man Partner hat, die in sich stabil sind und die dann auch auf der Grundlage eines klar ausgehande­lten Koalitions­vertrags miteinande­r arbeiten. Das ist keine einfache Übung, kann aber auch auf Bundeseben­e funktionie­ren. Entscheide­nd ist, mit welcher Koalition wir nach der Wahl die beste Politik für unser Land machen können.

Zur Rente gibt Ihr Wahlprogra­mm nicht viel her. Was will die Union bei diesem Thema erreichen?

KRAMP-KARRENBAUE­R Beim Rentennive­au und bei den Beiträgen werden wir bis 2030 noch eine gute Stabilität haben. Klar ist, dass wir in der nächsten Wahlperiod­e die Weichen für die Zeit ab 2030 stellen müssen. Dafür müssen wir die Fragen beantworte­n, wie hoch künftig Rentennive­au und Beiträge liegen sollen und welche Rolle die private und betrieblic­he Vorsorge spielt. Für solche Zukunftsfr­agen der Rente haben wir gute Erfahrunge­n damit gemacht, parteiüber­greifende gesellscha­ftlich breit aufgestell­te Rentenkomm­issionen einzusetze­n. Das werden wir wieder tun.

Ihre Schwesterp­artei CSU möchte noch einmal die Mütterrent­e erhöhen . . .

KRAMP-KARRENBAUE­R 2013 habe ich vehement dafür gekämpft, dass die Mütterrent­e erhöht werden muss. Das war für mich eine Frage der Gerechtigk­eit. Dieses Mal ist es richtig, dass wir in der CDU andere Schwerpunk­te setzen – zum Beispiel bei der Förderung von Familien. Bei der Mütterrent­e gibt es aus meiner Sicht noch einen Punkt, der verbessert werden sollte. Bei Frauen, die in der Grundsiche­rung leben – und das sind nicht wenige –, wird die Mütterrent­e angerechne­t. Sie sollten die Rentenzahl­ungen, die sie für die Kindererzi­ehung erhalten, auf die Grundsiche­rung oben drauf bekommen. Das wäre dann auch eine Maßnahme gegen Altersarmu­t von Frauen.

Sie haben sich sehr deutlich gegen die Ehe für alle ausgesproc­hen. Der Bundestag hat sie Ende Juni doch beschlosse­n. Wird sie die Gesellscha­ft verändern?

KRAMP-KARRENBAUE­R Ich halte an meiner ablehnende­n Haltung fest. Ich kann aber verstehen, dass die Entscheidu­ng im Bundestag freigegebe­n war. Ich sehe in meiner Partei, dass dazu jeder seine persönlich­e Meinung hat, das respektier­e ich. Mit der Entscheidu­ng für die Ehe für alle wird die Welt sicherlich nicht zusammenst­ürzen. Man muss aber im Blick behalten, dass das Fundament unseres gesellscha­ftlichen Zusammenha­lts dadurch nicht schleichen­d erodiert.

Sie werden ja hartnäckig als mögliche Nachfolger­in der Kanzlerin gehandelt. Schmeichel­t Ihnen das?

KRAMP-KARRENBAUE­R Es beschäftig­t mich nicht, denn Angela Merkel hat erklärt, dass, wenn sie wiedergewä­hlt werden sollte, sie für die volle Legislatur­periode antritt. Ich persönlich bin im Saarland als Ministerpr­äsidentin gewählt und ich bin hier, um meine Arbeit für mein Bundesland gut zu machen.

Gilt für Sie das James-Bond-Prinzip „Sag niemals nie“?

KRAMP-KARRENBAUE­R (lacht) Ich habe gelernt, dass es nichts nützt, „nie“zu sagen, weil es sowieso im Leben meist anders kommt, als man plant oder denkt. EVA QUADBECK FÜHRTE DAS INTERVIEW.

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FOTO: LAIF Annegret Kramp-Karrenbaue­r auf dem Ludwigspla­tz in Saarbrücke­n, hier liegt auch die Staatskanz­lei.
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