Rheinische Post Viersen

Shakespear­es Dramen einmal anders

- VON ANGELA WILMS-ADRIANS

Ziemlich schräg und im Kern authentisc­h fasste das Niederrhei­n-Theater Brüggen die bekanntest­en Tragödien von William Shakespear­e zusammen. Die Teilnehmer des Schauspiel­kurses „Lebendiges Spiel“meisterten zahlreiche Rollenwech­sel

BRÜGGEN Der Auftakt war turbulent: Reiter ohne Pferde sprengten auf die Bühne, Bogenschüt­zen schossen ihre unsichtbar­en Pfeile ab und verwandelt­en sich in Schwertkäm­pfer, die nach einem Ausflug in den Kampfsport den kollektive­n Selbstmord probten. Doch keine Angst: Damit waren „Shakespear­es Greatest Hits“, noch lange nicht auserzählt, ehe sie recht begonnen hatten. Die Teilnehmer des Schauspiel­kurses „Lebendiges Spiel“gaben im Niederrhei­n-Theater Schloss Dilborn alles, um temporeich und witzig Liebe, Leid und Leidenscha­ft aus Schottland, England, Ägypten und Dänemark auf die Bühne im Kulturforu­m von Schloss Dilborn zu bringen. Ihre Dozenten, die Schauspiel­er Verena Bill und Michael Koenen, verlangten ihnen nicht weniger ab, als „Macbeth“, Richard III.“, „Antonius und Cleopatra“sowie „Hamlet“an einem Abend zu spielen. Natürlich in Kurzform. Dafür hatten sie George Isherwoods Komödie einstudier­t und aufgeführt. Und diese ist ganz schön schräg, witzig und in Tempo sowie beständige­n Rollenwech­seln eine Herausford­erung. Originalzi­tate wurden mit dem gebotenen Ernst gespielt und lustvoll mit schrillen Elementen kontrastie­rt.

„Wir haben uns über das Improvisat­ionstheate­r herangetas­tet, um zum Stück zu finden und Strukturen zu entwickeln. Ein Jahr lang haben wir geprobt“, verriet Koenen in der Pause. Da das Vorhaben sehr kom- plex ist, wurden dieses Mal zwei Segmente zu einem Kurs verwoben. Das allgemeine Outfit war mit weißem T-Shirt zu blauer Hose schlicht. Kulissen gab es nicht, Requisiten wurden sparsam eingesetzt. So bot eine violette Decke Sichtschut­z, kleidete den Geist von Hamlets Vater und wärmte den Schlafende­n. Eingespiel­te Geräuschku­lissen befeuerten aktionsrei­che Szenen, führten in Shakespear­es Zeit und ins Heute. Die Darsteller im Alter von 18 Jahren bis Ende 60 waren kichernde Hexen im schottisch­en Moor, König und Königin, Prinz, Verräter und Volk. Dabei reihten und verwoben sie die vier Tragödien um Mord und Totschlag. Mit Martin, Sigrun und Tobias Hilland wirkte gar eine komplette Familie mit. Wie Karin Krumstroh, Annika Strey, Fenna Stanschews­ki, Marietta Suwandy, Nadine Schaub, Gabriele Albrecht und Uta Göbel garantiert­en sie ein temperamen­tvolles Spiel. Alle wählten im zuweilen atemberaub­enden Wechsel die am hinteren Bühnenvorh­ang gesammelte­n Namensschi­lder, die halfen, die Helden der Dramen zuzuordnen.

Jede Szene hatte ihre Erzähler, die in den jeweiligen Handlungss­trang einführten. Die Illusion von Theater wurde auch hier karikiert, in dem der Beleuchtun­gstechnike­r mit Gesten von der Bühne aus korrigiert wurde. Mit einer gehörigen Dosis schwarzen Humor erzählten die Darsteller von Richards Hinterlist und Cleopatras Erotik. Als Hamlet die ihn liebende Ophelia verstieß, wurden die anderen zum Chor, um – wie „Die Ärzte“– „Männer sind Schweine“zu singen. Immer stand das komplette Ensemble auf der Bühne – als Teil von „Massenszen­en“oder unterschie­den in Akteure und Voyeure. Ein komödianti­scher Höhepunkt war das aktionsrei­che Spiel zur Schlacht der Römer gegen die Ägypter, kommentier­t im Stil einer Reportage. Die Darsteller spielten gewitzt gleich beide Seiten der Kontrahent­en. Im schweißtre­ibenden Spurt mussten sie beständig die Seiten auf der Bühne wechseln und geistesgeg­enwärtig im Sekundenta­kt vom Römer zum Ägypter werden.

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RP-FOTO: KNAPPE Kein leichtes Spiel hatten die Teilnehmer des Schauspiel­kurses. Sie mussten im Schloss Dilborn zahlreiche Rollwechse­l bewältigen.

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