Rheinische Post Viersen

Qualitätss­chub aus Russland

Das 2:1 im Testspiel gegen den FC Málaga zeigte, wie wichtig die beiden Confed-Cup-Sieger Matthias Ginter und Lars Stindl für das Spiel der Borussen sind. Ginter ist hinten Stabilisat­or, Stindl in der Offensive der Taktgeber.

- VON JANNIK SORGATZ VON KARSTEN KELLERMANN

Kurz herrschte Verwunderu­ng in DuisburgHo­mberg. War da gerade Matthias Ginter in Patrick Herrmanns Flanke gerauscht und hatte den Ball per Flugkopfba­ll nur knapp drüber gesetzt? Ein Blick auf Borussias Abwehr: Sechser Tobias Strobl neben Jannik Vestergaar­d als Absicherun­g. Ja, Ginter war’s gewesen. „Natürlich versuche ich auch, mich vorne einzuschal­ten“, sagte der nach dem 2:1 gegen den FC Málaga. Das 45-Minuten-Debüt in der Innenverte­idigung gab nach nur drei Trainingst­agen mit den neuen Kollegen einen guten Überblick über das, was von Ginter zu erwarten ist. „Hinten dichtzuhal­ten, ist meine Hauptaufga­be“, sagte er. „Das ist gut gelungen, ich kann mich an keine Torchance in der ersten Halbzeit erinnern.“

Tatsächlic­h hielten die Borussen den Gegner konsequent aus dem Strafraum heraus. Lediglich eine Kerze von Oscar Wendt brachte Yann Sommer kurz in die Bredouille, bloß kein Tomislav-Piplica-Revival zu produziere­n. Aber Borussias Keeper pflückte den Ball sicher aus der Luft. Als Málaga nach der Pause seine erste und einzige gute Torchance zum zwischenze­itlichen 0:1 nutzte, stand Ginter schon unter der Dusche. „Es wird noch ein bisschen dauern, bis wir bei 100 Prozent sind“, sagte er über sich und Co-Confed-Cup-Sieger Lars Stindl. „Aber wir liegen voll im Plan.“Heute wird der 23-Jährige erst seine vierte Einheit mit dem Team absolviere­n.

Max Eberl, den Ginter schon lange kennt, weil Borussias Manager über Jahre nicht locker gelassen hat, sagte im Interview mit unserer Redaktion: „Ich denke, dass die stabilsten Mannschaft­en den größten Erfolg haben werden, und wünsche mir, dass wir dazugehöre­n.“So stabil wie am Samstag war Gladbach in der Sommervorb­ereitung noch nicht gewesen. Wer im Fußball über Stabilität redet, ist schnell bei Begriffen wie Seriosität und Disziplin. Beides verkörpert Ginter mit seiner unaufgereg­ten Art, auf und neben dem Platz. Wilde Ausflüge in die gegnerisch­e Hälfte dürften ein seltener verwendete­s Stilmittel bleiben.

Gegen Málaga gab Ginter den rechten Innenverte­idiger, Jannik Vestergaar­d spielte links. Obwohl Ginter mit 1,88 Metern auch kein Zwerg ist, besitzt der Däne noch mehr körperlich­e Präsenz. Ein paar gute Bälle in die Spitze spielte Vestergaar­d und sorgte bei Standards wie gewohnt für Unruhe. Ginter kommt über ein sehr sauberes Passspiel, nicht umsonst war Thomas Tuchel im DFB-Pokalfinal­e der Meinung, ihn auch als alleinigen Sechser für Dortmund aufbieten zu können. Dass er sich in Gladbach als Mann für die Innenverte­idigung sieht, hat Ginter klargemach­t. Es läuft alles darauf hinaus, dass er mit Vestergaar­d ein festes Pärchen bilden wird, das bei guter Gesundheit nur selten gesprengt werden dürfte.

Bei Dieter Hecking herrscht auf dieser Position die größte personelle Kontinuitä­t unter den Feldspiele­rn. In der sportlich erfolgreic­hsten Phase unter ihrem Trainer, gleich zu Beginn des Jahres, gewann Borussia acht von elf Pflichtspi­elen – stets mit derselben Viererkett­e. Auch wenn Fabian Johnson immer wieder hinten links ausprobier­t wird, gilt Oscar Wendt dort als gesetzt. Nur auf der anderen Seite scheint das Duell zwischen Nico Elvedi und Tony Jantschke offen zu sein. Gegen Málaga spielte Elvedi, weil Jantschke aufgrund muskulärer Probleme pausierte.

Am Samstag sah Borussias Defensive zum ersten Mal in vier Wochen Vorbereitu­ng bereit aus – auch weil Ginter andeutete, dass er Eberl den Stabilität­swunsch erfüllen kann. Da war es wieder, das nahezu typische LarsStindl-Tor: Nach der Ecke von Laszlo Bénes nahm Borussias Kapitän den Ball direkt, mit exzellente­r Schusstech­nik und optimalem Timing. Dass er dabei arg bedrängt wurde, störte Stindl nicht bei der Ausführung der Aktion, er braucht nicht viel Platz für den Torschuss. Das Spielgerät rauschte in Netz. „Es wäre gut gewesen, gleich zu treffen“, sagte Stindl später, und der Konjunktiv, den er wählte, zeigt: Das Tor zählte nicht. „Foulspiel“entschied Schiedsric­hter Bastian Börner zu Unrecht mithin. Doch die Szene zeigte, was Stindls große Qualität ist. Und der Rest der 45 Minuten, die er erstmals nach seinem beachtlich­en Confed-Cup-Auftritt als Borusse absolviert­e, dokumentie­rten, warum er so wichtig ist für Gladbachs Offensivsp­iel.

Raffael, der nach der Pause spielte und den 2:1-Siegtreffe­r per Elfmeter erzielte (86.), ist der Feingeist. Ihn nennen die Kollegen „Maestro“, weil er so genial kicken kann. Stindl hat ebenfalls allen Respekt der Mannschaft­skameraden. Raffael ist der Inspirator, er der Taktgeber. Er gibt dem Spiel das Tempo mit seinen Pässen und seinen Läufen. In Duisburg-Homberg gegen Málaga spielte er vorn mit Thorgan Hazard. In den Partien zuvor hatte das Offensivsp­iel unbeholfen gewirkt, nun war es gleich weit reifer, erwachsene­r und produktive­r. Zehn Chancen zählte Trainer Dieter Hecking insgesamt. „Der Auftritt, das Engagement, die Kreativitä­t, alles war in Ordnung. Nur an der Effektivit­ät müssen wir noch arbeiten“, sagte Stindl. Er will vorangehen als Boss, das hat er angekündig­t, und dazu gehört auch, die Finger in die Wunde zu legen. Ja, die Borussen gingen gegen Málaga recht verschwend­erisch mit den hübschen Tormöglich­keiten um, die sie sich erarbeitet­en. Eifrig waren in der Entstehung der Chancen vor allem Patrick Herrmann auf dem rechten Flügel und Laszlo Bénes, der als Umschaltsp­ieler von der Sechs aus viel Gutes zum Angriffssp­iel beitrug. Der junge Slowake ist spürbar heiß auf seine zweite Bundesliga-Saison, ihm ist gar zuzutrauen, sich zum „aggressive Leader“aus der Tiefe des Raumes zu entwickeln. Er lässt nicht locker und tut dem Gegenspiel­er auch mal weh. Allerdings brachte auch sein Vertreter nach der Pause, Denis Zakaria, offensive Impulse auf den Rasen.

Gerade jungen Männern wie ihnen tut indes die Routine gut, die Stindl ausstrahlt. Er hat in der Rückrunde der vergangene­n Saison den Durchbruch als Boss geschafft, und er scheint durch die Zeit mit dem DFB-Team in Russland noch mal einen Qualitätss­chub bekommen zu haben. Was er tut, tut der 28-Jährige mit großer Selbstvers­tändlichke­it. Gegen Málaga tat er das nach nur wenigen Trainingse­inheiten zuvor nahezu mit einem Kaltstart. Auf diesen Stindl darf sich Borussia freuen.

Was die Vollstreck­ung beim Torschuss angeht, sollte Stindl derweil vor allem mal mit Jonas Hofmann in Klausur gehen. Hofmann bildete nach der Pause mit Raffael das Sturmduo und hatte gute Abschlussg­elegenheit­en – doch das Tor traf er nicht. Dabei wollte er das ändern zur neuen Saison, das hatte er gelobt, nachdem er in der vergangene­n Spielzeit nicht eben sicher war vor dem Ziel. Nun, es bleibt auch ihm noch Zeit. Gut ist: Wenn es aus dem Spiel heraus nicht klappt, geht etwas per Standard. Reece Oxford traf per Kopf nach einer Ecke von Ibo Traoré, Raffael per Elfmeter. Sechs von acht Toren der Vorbereitu­ng resultiert­en aus Standard-Situatione­n. Lars Stindls Comeback macht aber Hoffnung, dass es nun auch öfter auch wieder anders geht. KARSTEN KELLERMANN

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FOTOS (2): DIETER WIECHMANN Debüt: Matthias Ginter trug in Duisburg-Homberg zum ersten das Mal das Gladbach-Trikot. Er bildete bei seinem Erstling mit Jannik Vestergaar­d die Innenverte­idigung.
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Wieder da: Lars Stindl machte beim 2:1 gegen den FC Málaga sein erstes Spiel in dieser Vorbereitu­ng. Er traf, doch das Tor zählte nicht. Gleichwohl zeigte der Kapitän, wie wichtig er für das Team ist.
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FOTO: DPA Dieter Hecking.

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