Rheinische Post Viersen

Wie Dieter Hecking den richtigen Ton trifft

Pragmatisc­h, direkt, unaufgereg­t – Borussias Trainer weiß nach mehr als einem Jahrzehnt Bundesliga, wie er Ziele mit Worten erreicht.

- VON JANNIK SORGATZ

Dieter Hecking ist zu lange dabei, um sich von Testspiele­rgebnissen aus der Ruhe bringen zu lassen. Missfallen hatten ihm die beiden Niederlage­n im Trainingsl­ager dennoch. „Da hat uns die letzte Gier gefehlt, nicht zu verlieren, sondern wenigstens 1:1 zu spielen“, sagte Hecking nach dem 1:2 gegen Lucien Favres Nizza und bemängelte in gewisser Weise die Einstellun­g seines Teams. Ähnliche Worte gab es ein paar Tage später nach dem 1:2 gegen Nürnberg. Heckings Schlussfol­gerung: „Es müssen sich Typen entwickeln, die sich dann dagegen stemmen.“Das taten die Borussen prompt gegen Málaga und gaben diesmal keine Führung aus der Hand, sondern drehten selbst einen Rückstand in der Schlusspha­se. Das untermauer­te den Eindruck, dass der Trainer verblüffen­d häufig den richtigen Ton trifft – wie so oft in sieben Monaten bei Borussia.

14. Januar: „Wenn die Mannschaft mir nochmal ihr zweites Gesicht zeigen wollte, dann hat sie das gut gemacht.“

Nach zwei schwachem Auftritten beim Telekom Cup in Düsseldorf, unmittelba­r nach dem gelungenen Trainingsl­ager in Marbella, verteilt Hecking den ersten Rüffel – sarkastisc­h und treffend, nicht polternd.

28. Januar: „Natürlich sind wir sehr begeistert von unserem Auftritt, aber: Gemach, gemach!“

Christoph Kramer spricht nach dem ersten Sieg, dem furiosen 3:2 in Leverkusen, regelrecht beseelt über den neuen Trainer. Doch der drückt sanft auf die Euphoriebr­emse.

23. Februar: „In der Halbzeit haben wir uns gesagt: Wir haben noch ein Viertel der 180 Minuten, das müssen wir klar für uns entscheide­n.“

Seine pragmatisc­he Seite zeigt Hecking in Florenz in der Europa League. Die Mannschaft gehorcht und entscheide­t die zweite Halbzeit mit 3:0 für sich – ziemlich „klar“also.

28. Februar: „Für mich zählt das Thema Müdigkeit nicht. Es gibt nichts Schöneres, als alle drei Tage zu spielen.“

Ein Schleifer der alten Schule ist Borussias Trainer nun wirklich nicht, er laviert nur nicht gerne. Als „klare Kante“ist das in den vergangene­n Monaten oft beschriebe­n worden. 15. März: „Das Spiel habe ich mir angeguckt, sie haben es verdient gewonnen – mehr aber auch nicht.“

Vor dem Europa-League-Rückspiel gegen Schalke sorgt Hecking durchaus für große Augen. Es geht um Schalkes 3:0-Sieg gegen Augsburg. Lucien Favre sagte einst vor einem Pokalspiel in Offenbach: „Sie haben das Freundscha­ftsspiel gegen Wormatia Worms 1:0 gewonnen. Sie werden für uns bereit sein, das ist keine Frage.“

17. März: „Es gehört zum Fußball dazu, dass man Niederlage­n schnell verarbeite­n muss. Wenn wir gegen Bayern die Enttäuschu­ng noch mit uns herumtrage­n, dann wird es kein einfacher Nachmittag.“

So beeindruck­end tritt Schalke beim 2:2 in Gladbach dann wirklich nicht auf, aber Borussias Durchhänge­r, ein Platzfehle­r und ein umstritten­er Handelfmet­er sorgen dennoch für das erste kleine Trauma der Saison. Doch Hecking betont nur die eigenen Unzulängli­chkeiten, also die Dinge, auf die er Einfluss hat – und zeigt Empathie.

15. April: „Es ist schade, wenn man in so einem Spiel als Verlierer vom Platz geht. Aber es war ein toller Fußball-Nachmittag, und ich bin stolz, wie meine Mannschaft hier agiert hat.“

Es ist Platz für Grautöne. Wobei die begeistert­en Worte nach dem 3:5 gegen Hoffenheim fast schon ro- sarot waren. Aber Recht hatte er: Es war eines der attraktivs­ten Bundesliga­spiele der vergangene­n Saison.

20. April: „Die, die nicht da im Bus gesessen haben, können das nicht beurteilen, wie schwer das ist. Ich möchte da kein Urteil zu abgeben wollen.“

Bundesliga­trainer müssen häufig mehr kommentier­en als das Geschehen rund um die eigene Mannschaft. Nach dem Anschlag auf den BVB ist Hecking aber mal der Meinung, dass ihm das nicht zusteht.

13. Mai: „Wenn mir Anfang Januar jemand gesagt hätte, dass wir am letzten Spieltag noch die Chance haben auf Europa, hätte ich sofort eingeschla­gen.“

Nach dem 1:1 in Wolfsburg relativier­t Hecking die Enttäuschu­ng, das Zitat geht jedoch einher mit seinen Worten eine Woche später nach dem 2:2 gegen Darmstadt:

20. Mai: „Europa war zu Beginn unserer Zusammenar­beit gar nicht so das Ziel, aber es ist immer ärgerlich, wenn man am Ende sieht, was noch hätte kommen können.“

Heckings Kommentare ähneln oft einer Liste mit Plus- und Minuspunkt­en, unterm Strich kommt ein gemäßigtes Urteil heraus. Das kühlt die Aufgeregth­eit des Geschäfts gerne mal um ein paar Grad ab.

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FOTO: IMAGO Satt getroffen: Borussias Coach Dieter Hecking, hier im Trainingsl­ager am Tegernsee, weiß immer noch, wo der Ball hingehört.

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