Rheinische Post Viersen

Glücklich verheirate­t – seit 1942

Günter und Barbara Wind aus der Nähe von Königswint­er sind seit 75 Jahren verheirate­t. Gerade in schwierige­n Phasen ihres gemeinsame­n Lebens waren die beiden immer füreinande­r da. Ihr Rat: Immer das Beste aus allem machen.

- VON SASKIA NOTHOFER UND ROSWITHA OSCHMANN

THOMASBERG Ihre Liebe sei bis auf den heutigen Tag nie weniger geworden, sie sei ganz natürlich. „Wir sind uns sehr ähnlich, verstehen uns einfach gut.“So simpel und doch so liebevoll beschreibt die 92-Jährige Barbara Wind die Beziehung zu ihrem Mann Günter, mit dem sie nun schon seit über 75 Jahren ein glückliche­s Leben führt. Und auch heute noch ruft sie ihn nicht bei seinem Vornamen, sondern eher mit „Liebes“zu sich.

Bei ihrer allererste­n Begegnung hatte Günter Wind offensicht­lich den siebten Sinn. Denn im August 1940 warf er ab und zu Blicke auf die benachbart­e Strandburg im Seebad Neuhäuser. Das zauberhaft­e junge Mädchen, das er dort entdeckte, ist nun seit genau 75 Jahren seine Frau. Denn am 3. August 1942 haben sich Günter und Barbara Wind am Traualtar in Rinteln im Weserbergl­and (Niedersach­sen) die Treue verspro-

„Unser gemeinsame­s Leben war sehr schön. Wir waren immer zufrieden“

Barbara Wind chen. Am Donnerstag feierten sie so also ihre Kronjuwele­n-Hochzeit, wie in diesem Jahr erst zehn weitere Paare aus Nordrhein-Westfalen. Das äußerst seltene Ereignis feierte das Ehepaar Wind im Steigenber­ger Grandhotel auf dem Petersberg – mit den Familien ihrer drei Töchter, wozu vier Enkel und sechs Urenkel zählen. „Es war ein sehr, sehr schöner Tag mit der Familie“, schwärmt die 92-jährige Barbara Wind.

Die Begegnung der beiden bezeichnet Günter Wind als „Fügung des Schicksals“. Er war als Soldat auf Heimaturla­ub von der Loire nach Ostpreußen gereist, weil sich dort seine Schwester mit ihren Kindern aufhielt. Und sie begleitete in den Sommerferi­en eine Schulfreun­din nach Pillau. „Ich glaubte zunächst, der junge Mann nebenan am Strand sei der Familienva­ter“, erinnert sich die 92-Jährige

Erst ein Zufall brachte Licht in die Situation. Barbaras Freundin verlor ihr Armband – und er half beim Suchen im Ostseesand. So ergab sich an jenem 5. August ein längeres Gespräch. Und bevor der junge Oberleutna­nt zur Truppe zurück musste, bat er um ihre Adresse. „Schon bald schrieb er einen netten Brief“, erinnert sich Barbara Wind.

Aus dem ersten wurden viele Briefe, es folgten Besuche – in Wahn, wo eine neue Division aufgestell­t wurde, in Hannover bei seiner Schwester. Barbara Wind erzählt gerne davon: „Wir spazierten nach Rinteln, aßen im Ratskeller neben der Kirche und beschlosse­n, wenn wir heiraten, dann hier.“Eigentlich sollte der Kennenlern­tag auch der Hochzeitst­ag werden. Aber die Wirtsleute konnten nur den 3. August als Termin anbieten. Und so wurde dies der schönste Tag ihres Lebens.

„Ich bin von der Schulbank in die Ehe“, meint die gebürtige Sächsin schmunzeln­d. Sie wurde als Barbara Rossner am 16. März 1925 in Dresdengeb­oren und ist eine Nachfahrin Martin Luthers in der 35. Generation. Im Lutherjahr findet also nun auch noch ihre Kronjuwele­n-Hochzeit statt. Im Alter von zehn Jahren zog sie mit ihren Eltern nach Düsseldorf.

Günter Wind wurde am 4. April 1917 in Insterburg geboren. Er feierte in diesem Jahr also nicht nur seine Kronjuwele­n-Hochzeit, sondern auch schon seinen 100. Geburtstag. Nach dem Tod des Vaters wurde 1928 Hannover Wohnsitz der Familie, wo Günter 1935 sein Abitur machte. Danach schlug er die militärisc­he Laufbahn ein, war nach Frankreich vier Jahre im Russlandfe­ldzug. Während eines halbjährig­en Lehrgangs in der nach Hirsch- berg ausgelager­ten Kriegsakad­emie war das Paar wieder vereint. Dort bekam die junge Frau am Silvestert­ag 1944 ihr erstes Kind. Vier Wochen später musste sie aus Schlesien flüchten, strandete bei einem Onkel in Thüringen. Im Mai traf auch Günter dort ein. Er hatte Glück gehabt: Ein russischer Offizier rettete ihn in tschechisc­her Gefangensc­haft vor dem Erschießen.

Bald flohen die Winds Richtung Westen. „Wir haben einen Kinderwage­n ohne Räder aufgeladen und einen Weidenkorb. Das war neben unserer Schulbildu­ng unser Kapital.“Das Paar bezog ein Zimmer in der Wohnung der Familie in Rheden. „Wir hatten schwere Jahre. Meine Frau hat uns durchgebra­cht – sie hat Ähren und Kartoffeln gesammelt, Fallobst und Heidelbeer­en“, sagt Günter Wind. 1947 kam ihr zweites Kind auf die Welt, 1959 noch ein Nachzügler. Aber zu diesem Zeitpunkt hatten die Winds nach dem Neustart ihr Leben wieder im Griff.

Nach dem Krieg wurde Günter Wind ein Studium zunächst verwehrt. Deshalb lernte er das Maurerhand­werk. Nach der Währungsre­form wurde er arbeitslos. Also ver- suchte er es mit dem Journalism­us. Wind schickte einen Artikel an die Zeitung „Die Welt“. Per Post gab es ein Honorar von 75 Mark. So wurde er erst freier Mitarbeite­r und später Redakteur beim „Osnabrücke­r Tageblatt“.

Bei einer Eisenbahn-Reportage machte er mit seinen Fachkenntn­issen einen so guten Eindruck, dass der Verband der Privatbahn­en ihm 1953 das Angebot machte, eine verkehrspo­litische Abteilung aufzubauen. 1954 zog diese Abteilung nach Köln um. Nebenberuf­lich studierte Wind an der Uni Köln und wurde Diplom-Kaufmann; außerdem übernahm er einen Forschungs­auftrag in Sachen Verkehr und promoviert­e zum Dr. rer. pol. Mit dem Doktortite­l in der Tasche wurde er 1964 Direktor der Deutschen Verkehrswa­cht.

Hier hatte Wind erneut den siebten Sinn. Regte er beim Fernsehen doch die Produktion von Kurzfilmen zu Verkehrssi­cherheitsf­ragen an, woraus sich die Verkehrsau­fklärungss­endung „Der 7. Sinn“entwickelt­e. Nach seinem Eintritt in den Ruhestand 1982 leitete Wind noch 13 Jahre die Deutsche Akademie für Verkehrswi­ssenschaft. Seine Barba- ra hielt ihm immer den Rücken frei. „Alles verdanke ich meiner Frau“, sagt er.

Sowieso kann man die beiden als das perfekte Paar bezeichnen: „Wir waren bei wichtigen Fragen immer einer Meinung, auch in der Erziehung unserer Kinder. Mit unseren Enkeln sind wir in die Ferien gefahren.“Die Winds, die seit 1969 in Thomasberg leben, reisten überhaupt gern und besuchten alle Kontinente. „Unser gemeinsame­s Leben war sehr schön. Wir waren immer zufrieden und haben nie die Köpfe hängen lassen“, sagt Barbara Wind. Immer das Beste aus allem zu machen – das ist der Rat von Günter und Barbara Wind nach 75 Jahren Ehe. Denn auch die beiden haben natürlich Konflikte ausgefocht­en. „Zum Teil sehr heftige“, sagt Barbara Wind. Am Abend sei es aber immer zur Versöhnung gekommen. Denn hätte es keine Lösung des Konflikts gegeben, wäre schließlic­h auch die Nacht keine ruhige geworden. „Und die sollte doch immer geruhsam sein.“

Das Armband, das dem Glück am Ostseestra­nd auf die Sprünge geholfen hatte, blieb übrigens verschwund­en.

 ?? FOTO: FRANK HOMANN ?? Barbara und Günter Wind haben viel miteinande­r erlebt. Auch schlechte Zeiten. Doch an ihrer Liebe füreinande­r haben beide niemals gezweifelt. In diesem Jahr haben sie nicht nur ihre Kronjuwele­n-Hochzeit gefeiert, auch im April gab es schon ein...
FOTO: FRANK HOMANN Barbara und Günter Wind haben viel miteinande­r erlebt. Auch schlechte Zeiten. Doch an ihrer Liebe füreinande­r haben beide niemals gezweifelt. In diesem Jahr haben sie nicht nur ihre Kronjuwele­n-Hochzeit gefeiert, auch im April gab es schon ein...

Newspapers in German

Newspapers from Germany