Rheinische Post Viersen

Funkmast: Anwohner siegen vor Gericht

Nachbarn vom Oebeler Berg waren entsetzt, als hinter ihren Gärten ein Mobilfunkm­ast gebaut wurde. Sie klagten gegen den Kreis Viersen, der die Baugenehmi­gung erteilt hatte. Das Verwaltung­sgericht Düsseldorf gab den Anwohnern Recht

- VON BIRGITTA RONGE

BRÜGGEN Die Baugenehmi­gung, die der Kreis Viersen für den Bau eines Mobilfunkm­astes im Juni 2016 erteilt hatte, wird aufgehoben. Das urteilte jetzt das Verwaltung­sgericht Düsseldorf. Monate voller durchwacht­er Nächte liegen hinter den Anwohnern, die vor mehr als 20 Jahren an die Roermonder Straße in Brüggen zogen. Dort, in unmittelba­rer Nähe der Jugendherb­erge am Eggenberg, genossen sie über Jahre den Blick ins Grüne.

Doch im Dezember 2016 wurde das Idyll jäh zerstört: Da begannen Arbeiter, hinter den Gärten das Fundament für einen Mobilfunkm­ast der Telekom anzulegen, geplant 35 Meter hoch. Er sollte der Ersatz sein für eine Sendeanlag­e, die sich auf einem Hausdach am Elsterweg befand und abgebaut worden war. Laut Gemeindeve­rwaltung fand sich kein Hauseigent­ümer, der einen Funkmast auf seinem Dach hätte haben wollen. Damit begann die Suche nach einem neuen Standort.

Wo immer sich Wolfgang Schäl (67) und Gisela Knoblauch-Schäl (79) jetzt hinsetzen – sie starren auf den Mast. Das Grundstück ist mit einer Länge von 144 Metern zwar groß, aber mit 16 Metern vergleichs­weise schmal. Sitzen die Schäls im Wohnzimmer und schauen durch die großen Fenster nach draußen, sehen sie den Mast. Sitzen sie auf der Terrasse, sehen sie den Mast. Wolfgang (64) und Elvira Kaboth (59) nebenan geht es ebenso.

Die Anwohner schalteten Anwälte ein. Weil der Mast direkt hinter dem Gartenzaun der Schäls steht, sie also am stärksten betroffen sind, klagten die Schäls gegen den Kreis Viersen, der die Baugenehmi­gung erteilt hatte. Ihre Argumentat­ion: Der Mast erzeuge eine erhebliche bedrängend­e Wirkung, wirke bedrohlich, optisch erschlagen­d. Ein Verstoß gegen das Rücksichtn­ahmegebot sei gegeben. „Baurecht ist grundsätzl­ich ein Rücksichtn­ahmerecht“, erklärt Rechtsanwa­lt Philipp Croon: „Ich muss Rücksicht nehmen auf die Interessen der Nachbarn.“Und auch, wenn etwas rechtlich zulässig sei, könne es sein, dass nachbarlic­he Interessen verletzt würden.

Das Entsetzen, das die Anwohner empfunden haben, konnte die Richterin des Verwaltung­sgerichts Düsseldorf wohl nachvollzi­ehen. Sie sah sich bei einem Ortstermin die Sache selbst an. In der Urteilsbeg­ründung heißt es, die Richterin sei „zu der Überzeugun­g gelangt, dass der errichtete Mobilfunkm­ast optisch bedrängend auf das Grundstück der Kläger einwirkt“. Der Mast weise eine wuchtige Gestalt auf, habe eine dominieren­de Wirkung. Fazit: Die Wohnnutzun­g werde in unzumutbar­er Weise beeinträch­tigt.

In der Urteilsbeg­ründung heißt es auch, dass man nicht davon ausgehen könne, dass das Bauvorhabe­n nur an dem gewählten Standort verwirklic­ht werden konnte. Bevor der Kreis Viersen die Baugenehmi­gung erteilte, schlug die Kreisverwa­ltung der Gemeinde Brüggen fünf mögliche Standorte vor. Zwei lagen auf der nördlichen Seite der Roermonder Straße – dort, wo die Burggemein­de das Baugebiet an der Leonhard-Jansen-Straße erweitern will. Man wolle nicht um den Standort herum planen, erklärte Bauamtslei­ter Dieter Dresen im Januar auf Anfrage unserer Redaktion, sondern die Fläche frei halten. Damit kamen nur die Standorte auf der südlichen Seite in Betracht. Nach Rücksprach­e mit der Naturschut­zbehörde schlug die Burggemein­de dem Kreis den Standort hinter den Gärten am Oebeler Berg vor, am Rande des Landschaft­sschutzgeb­iets.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräf­tig. Das Verwaltung­sgericht hatte keine Berufung zugelassen. Die Deutsche Funkmast GmbH, die für den Bau des Sendemaste­s die Baugenehmi­gung vom Kreis bekam, stellte aber jetzt beim Oberverwal­tungsgeric­ht (OVG) Münster einen Antrag auf Zulassung der Berufung. „Wir sind relativ guter Dinge, dass das OVG das nicht zulassen wird“, sagt Croon. Wird das Urteil rechtskräf­tig, muss der Mast abgebaut werden. Dann knallen in Oebel die Sektkorken.

 ?? RP-FOTO: KNAPPE ?? Anwältin Jana Merten (v.l.) mit Wolfgang Schäl und Gisela Knoblauch-Schäl sowie Wolfgang und Elvira Kaboth mit Anwalt Philipp Croon im Garten der Schäls. Hinter dem Gartenzaun erhebt sich der Funkmast.
RP-FOTO: KNAPPE Anwältin Jana Merten (v.l.) mit Wolfgang Schäl und Gisela Knoblauch-Schäl sowie Wolfgang und Elvira Kaboth mit Anwalt Philipp Croon im Garten der Schäls. Hinter dem Gartenzaun erhebt sich der Funkmast.

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