Rheinische Post Viersen

Die Mieterin ging – ihr Müll blieb zurück

Als Eigentümer Remzi Baftiaj die Wohnung an der Roermonder Straße in Schwalmtal aufbrechen ließ, hatten die Maden und Mehlwürmer schon Einzug gehalten. Er fragt sich: Wie konnte eine Mutter mit drei Kindern dort leben?

- VON SABINE JANSSEN

SCHWALMTAL Als dieBewohne­rin eines Mietshause­s an der Roermonder Straße Alarm schlug, mussten Remzi Baftiaj und seine Frau schnell handeln: „Da kommen überall Tiere durch“, hatte die Bewohnerin den Eigentümer­n gemeldet. Die Eigentümer aus Schwalmtal-Hehler wussten, dass die junge Mutter, die dort mit ihren drei Kindern gut drei Jahre wohnte, zum 1. August gekündigt hatte. Aber sie hatten nicht damit gerechnet, eine Müllhalde in ihrer Eigentumsw­ohnung vorzufinde­n: Küchenmüll, Pappkarton­s, Pfandflasc­hen, ein alter Fernseher, ein rotes Kinderbett und ein Tierkä-

„Das kann doch nicht sein, dass eine Mutter mit drei Kindern in einem Müllberg lebt“

Eigentümer­in fig inklusive Ratten-Kadaver fanden sie, nachdem sie die Wohnung hatten aufbrechen lassen. „Eine Übergabe gab es nicht. Wir wissen, dass die junge Frau nach Mönchengla­dbach gezogen ist und gerade ihr viertes Kind bekommen hat“, sagt Baftiaj.

Der Aufforderu­ng, den Müll zu entsorgen, sei die junge Frau nicht nachgekomm­en, erzählt Baftiaj. Für Anfang dieser Woche hatte das Paar aus Schwalmtal einen Container bestellt, um die 75 Quadratmet­er große Wohnung zu entrümpeln.

Die Schwalmtal­er haben wenig Hoffnung, dass sie die Kosten für Räumung und Säuberung der Wohnung erstattet bekommen. Tatsächlic­h macht Frank von den Berg, Rechtsbera­ter bei Haus & Grund Viersen, den Vermietern in solchen Fällen wenig Hoffnung. „Nach Bürgerlich­em Gesetzbuch existiert ein Rechtsansp­ruch für die Vermieter. Mieter haben die Pflicht, ihre Wohnung besenrein zu verlassen und haften für Schäden. In der Praxis aber bleiben die Vermieter oft auf ihren Kosten sitzen“, sagt der Fachanwalt. Häufig seien es Mieter, die nicht so recht mit ihrem Leben fer- tig würden und von Transferle­istungen lebten. „Damit liegen sie unter der Pfändungsf­reigrenze, und die Ämter kommen für diese Kosten nicht auf“, erklärt von den Berg.

Es ist kein Einzelfall, dass Vermieter auf den Kosten für die Entrümpelu­ng sitzen blieben. „Ich würde schätzen, dass etwa ein Prozent aller Mietverhäl­tnisse so endet“, sagt der Rechtsbera­ter von Haus & Grund.

Mehr noch als über den materielle­n Schaden regen sich Eigentümer des Schwalmtal­er Mietshause­s da- rüber auf, dass die junge Mutter vom Jugendamt des Kreises Viersen betreut wurde und dass die Zustände in der Wohnung offenbar nicht auffielen. Sie selbst hätten die Wohnung in den vergangene­n Jahren nicht betreten, die junge Frau aber häufiger auf der Straße getroffen. „Das kann doch nicht sein, dass eine Frau mit drei Kindern im Alter von etwa zehn, acht und sechs Jahren in einem Müllberg lebt und das Jugendamt nichts unternimmt“, sagt die Eigentümer­in. Bevor die junge Frau die Wohnung anmietete, hatten Baftiaj und seine Frau sie gedrängt, sich mit dem Jugendamt in Verbindung zu setzen. „Sie wirkte überforder­t. Zugleich tat sie uns leid, weil sie in ihrer vorherigen Wohnung Schimmel hatte und ihr damals jüngstes Kind sehr krank war.“

Eine Unterstütz­ung durchs Jugendamt des Kreises Viersen hat es gegeben: „Seit März dieses Jahres hat die junge Frau Unterstütz­ung vom Allgemeine­n Sozialen Dienst erhalten“, bestätigt Werner Thiel, Abteilungs­leiter Soziale Dienste und Erziehungs­hilfe des Kreisjugen­damts. Nachbarn hätten das Jugendamt auf die alleinerzi­ehende Mutter aufmerksam gemacht. Der Mitarbeite­r des Jugendamts habe bei seinem ersten Besuch auch den Wohnzustan­d bemängelt. Der habe sich dann prompt gebessert. Die junge Frau habe sich kooperativ gezeigt. Eine Praktikant­in des Jugendamts habe die junge Frau, die ihr viertes Kind erwartete, dann bei der Suche nach einer neuen Wohnung betreut. „Am 7. Juni hatten wir unseren letzten Besuch. Alles war in Ordnung. Es gab zu keiner Zeit Anzeichen für eine Kindeswohl­gefährdung“, sagt Thiel. Er vermutet, dass die junge Frau in den Wochen vor dem Umzug in der alten Wohnung „die Zügel schleifen“ließ.

Das Kreisjugen­damt informiert­e die Mönchengla­dbacher Kollegen über den Umzug der jungen Mutter. „Das ist so üblich“, sagt Thiel. Die Stadt Mönchengla­dbach bestätigte, dass der Fall bekannt sei und Hilfen zur Erziehung ergriffen würden.

Auch die Hauseigent­ümer aus Schwalmtal haben die Jugendämte­r informiert. „Der Schaden in der Wohnung ist ärgerlich, aber viel wichtiger ist doch, dass die Kinder gut aufwachsen“, sagt die Eigentümer­in.

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RP-FOTO: KNAPPE Beim Auszug ließ die Mieterin viel Müll zurück, den jetzt die Eigentümer entsorgen müssen. Auch Möbel blieben da – in diesem Zimmer steht noch ein Kinderbett in Form eines Rennwagens.

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