Rheinische Post Viersen

Große Leinwand für Graffiti-Künstler

In einem Graffiti-Workshop lassen 15 Kinder und Jugendlich­e derzeit ihrer Kreativitä­t freien Lauf. Am Samstag beim „Graffiti Jam“wird die Giebelseit­e der Niederkrüc­htener Turnhalle zur Großleinwa­nd

- VON JOCHEN SMETS

NIEDERKRÜC­HTEN Am Samstag entsteht an der Turnhalle am Schleeker Weg das vermutlich größte Kunstwerk in der Geschichte der Gemeinde. Es dürfte ungefähr 25 Meter breit und drei Meter hoch werden. Und die Künstler sind zwischen neun und 14 Jahre alt. Sie erschaffen ein 75 Quadratmet­er umfassende­s Graffiti, das demnächst die bislang trist-graue Giebelwand der Turnhalle zieren wird – natürlich mit gemeindlic­her Erlaubnis. In groben Umrissen ist das Werk schon erkennbar. „Love and Peace“ist als zentraler Schriftzug zu lesen. 15 Kinder werden es in einer kontrollie­rten Farb-Explosion fertigstel­len.

Die profession­ellen Künstler Steffen Mumm und Suleyman Sunust haben die Konturen vorgegeben. Für die farbliche Ausgestalt­ung sind am Samstag die Kinder zuständig. Das Ganze soll im Rahmen einer fröhlichen Feier für jedermann stattfinde­n. „Graffiti Jam“heißt das im Szene-Jargon. Nebenbei ist das auch ein Stück Öffentlich­keitsarbei­t für eine Ausdrucksf­orm, die viele Außenstehe­nde eher als Vandalismu­s denn als Kunst betrachten.

Die Teilnehmer des Workshops jedenfalls sind sichtlich fasziniert von den Möglichkei­ten, die die Spraydosen eröffnen. Unter den 15 Jungen und Mädchen sind auch Flüchtling­skinder aus der Elmpter Unterkunft auf dem ehemaligen Flughafeng­elände. Da arbeiten Robin, Cassandra oder Hannah aus Deutschlan­d mit Faza, Sara und Sawalha aus Afghanista­n zusammen. Kunst überwindet Sprachbarr­ieren. Auch wegen des integriere­nden Ansatzes fördert die Landesarbe­itsgemeins­chaft Kunst und Medien NRW das von der Niederkrüc­htener Jugendarbe­it initiierte Projekt mit 5000 Euro. Davon konnten Spraydo- sen, Marker, Stifte, Leinwände, Schutzanzü­ge und Atemschutz­masken angeschaff­t werden, sagt Streetwork­erin Alexandra Jansen, die den Workshop mit Anne Lödorf-Zühlke vom Elmpter „Treff 13“organisier­t.

Die beiden profession­ellen Künstler Steffen Mumm und Suleyman Sunust lassen den Kindern freie Hand. Enge Vorgaben hemmen eher die Kreativitä­t, sagt Mumm: „Die Kinder sollen frei arbeiten und machen, worauf sie Lust haben.“Vorgegeben ist nur das Thema „Way of Life“. Der Rest ist kindliche Inspiratio­n. Cassandra mag diese Freiheit: „Es gibt keine Grenzen.“Die Kinder haben zum Auftakt des viertägige­n Workshops mit ersten Skizzen begonnen. An improvisie­rten Wänden aus Frischhalt­efolie machen sie ihre ersten Versuche mit der Sprühflasc­he – selbstvers­tändlich mit Schutzanzu­g und Atemschutz­maske. Am zweiten Tag sprayen die Kinder ihre ersten eigenen Graffitis auf Leinwand. Musik, Sport, Natur, Liebe, Frieden – das sind häufige Motive.

Robin hat seine Sportart – Handball – in einem beeindruck­enden Schriftzug auf die Leinwand gebracht. Hannah, mit neun Jahren das Nesthäkche­n der Jung-Künstlergr­uppe, hat ihrer Freundin eine Liebeserkl­ärung gemacht: „Hannah + Thea: Beste Freunde“steht bunt unterlegt und mit Herzen verziert auf ihrer Leinwand. Sara aus Afghanista­n, die in der Elmpter Flücht- lingsunter­kunft fleißig Deutsch lernt, hat ihren Traumberuf in bunten Lettern gesprüht: „Doctor“. Cassandra hat Straßensla­ng-Wörter auf ihre Leinwand gesetzt und ganz fett und unmissvers­tändlich „Love“darüber geschriebe­n.

Mumm und Sunust sind eher Beobachter als Anleiter. Wenn sie gefragt werden, sind sie da. Aber ansonsten lassen sie die Kinder ihre eigenen künstleris­chen Wege gehen. Erstaunlic­h schnell entwickeln die ein Gespür, in welchem Winkel, mit welchem Abstand und mit welchem Aufsatz sie mit der Sprühdose bestimmte Effekte erzeugen können. „Graffiti ist eine freie Kunst. Man kann damit coole Sachen machen“, stellt Robin fest.

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RP-FOTO: JÖRG KNAPPE Zwar brauchen die jungen Künstler oft noch zwei Hände für die Sprühflasc­hen, aber das setzt ihrer Kreativitä­t keine Grenzen.

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